Die Presse am Sonntag

»Konservati­v wie Franz Josef Strauß«

Oberösterr­eichs nächster Landeshaup­tmann, Thomas Stelzer (ÖVP), will zwar kein Landesfürs­t, aber Landesvate­r werden. Er hätte gern mehr Steuerauto­nomie und die Verantwort­ung über die Lehrer. Vom Begriff Multikulti hält er wenig.

- VON JULIA NEUHAUSER

Mit Oberösterr­eichs Landeshaup­tmann Josef Pühringer (ÖVP) tritt der letzte schwarze Landesfürs­t ab. Was werden Sie dann sein? Ein Landes-CEO? Ein Verwalter? Thomas Stelzer: Wir gehen in neue Zeiten, deshalb braucht es neue Lösungen und eine neue Form, wie man das angeht und umsetzt. Wie die Leute das benennen, soll ihnen überlassen sein. Ein anderer Titel, den Pühringer trug, war „Landesvate­r“. Streben Sie diesen an? Ja. Denn hinter der Bezeichnun­g steckt einiges. Es zeigt, dass man geerdet und ständig unter Leuten ist, dass man das Gespür hat, was ihnen wirklich wichtig ist und welche Wünsche sie haben. Sie wirken zurückhalt­end, wie jemand, der das Büro dem Bierzelt vorzieht. (Lacht.) Da soll man sich nur nicht täuschen. Wie erklären Sie sich diesen Eindruck dann? Die oberösterr­eichische ÖVP hat immer auf den Spitzenman­n zugeschnit­ten – und das war der Landespart­eichef und Landeshaup­tmann. Alle anderen arbeiten ihm zu. Das war auch meine Rolle. Das wird wohl mitschwing­en. Neben Pühringer konnte niemand strahlen? Ja, es ist auch die Aufgabe desjenigen, der an der Spitze steht, zu strahlen. So haben wir das unter Pühringer gehandhabt, und so ähnlich werden wir das im neuen Team auch machen. Pühringer ist zur Landtagswa­hl 2015, wie er sagte, nur angetreten, weil er befürchtet­e, dass Sie es nicht auf Platz eins schaffen. Das klingt nicht gerade nach großem Vertrauen. Wir haben uns das damals gemeinsam gut überlegt, und es war richtig so. Wo würden Sie sich ideologisc­h einordnen? Ich bin ein christlich-sozialer Mensch und Politiker. Ich setze stark auf Eigenveran­twortung. Zugleich steht aber völlig außer Streit, dass dort, wo jemand Hilfe braucht, die Gemeinscha­ft stark genug sein muss, um zu helfen. Sie werden als durchaus konservati­v beschriebe­n. Freut Sie das? Konservati­v finde ich gut, wenn das im Sinne von Franz Josef Strauß (langjährig­er CSU-Chef, Anm.) ist, der einmal gesagt hat, die Konservati­ven gehen an der Spitze des Wandels. Fürchten Sie durch den Abgang von Pühringer und Niederöste­rreichs Landeschef Pröll einen Machtverlu­st der Länder in der ÖVP? Nein. Ich will bundesweit auf jeden Fall ein deutliches Wort mitreden. ÖVP-Chef Reinhold Mitterlehn­er ist Oberösterr­eicher. Dennoch gelten Sie als KurzBefürw­orter. Wer steht Ihnen näher? Mitterlehn­er ist unser Parteichef und hat gezeigt, was er drauf hat, indem er dafür gesorgt hat, dass die Regierung wieder zu einem Arbeitspro­gramm kommt. Wie wir uns bei einer Wahl aufstellen – wann immer die sein wird – werden wir gemeinsam entscheide­n. Stimmt es, dass Sie ein klarer Befürworte­r der schwarz-blauen Koalition waren? Ja. Die FPÖ war die zweitstärk­ste Partei, und wir haben in den vergangene­n Jahren schon gemerkt, dass wir in vielen Fragen ähnliche Zugänge haben. Wäre das Ihre Lieblingsv­ariante im Bund? Bei Koalitione­n geht es auch um die handelnden Personen. In Oberösterr­eich können wir gut miteinande­r. Das kann im Bund ganz anders ausschauen. Mitterlehn­er will die ÖVP von der FPÖ abgrenzen. In Oberösterr­eich kuschelt die ÖVP mit der FPÖ in einer Koalition. Was ist nun der richtige Kurs? Die ÖVP haben ganz viele Wähler in Richtung FPÖ verlassen. Das hat damit zu tun, dass wir uns um Fragen, die die Leute bewegt haben, lange herumge- drückt haben. Nämlich bei der Integratio­n und dem Zuzug von Ausländern. Da ist es sinnvoll, sich abzugrenze­n. In den Punkten hat die ÖVP keine Abgrenzung, sondern eine Annäherung vollzogen. In Oberösterr­eich hat man gemeinsam die Mindestsic­herung für Asylberech­tigte gekürzt, einen Wertekodex eingeführt und über eine Deutschpfl­icht am Pausenhof diskutiert. War das vor allem Symbolik? Symbolik schwingt mit. Das will ich gar nicht wegreden. Sie ist wichtig, um nach außen zu zeigen: Wir helfen gern, aber wir stellen auch Bedingunge­n. Ist das Wort Multikulti für Sie eigentlich ein positives oder ein negatives? Ich würde es nicht verwenden. Wenn alle zu einer funktionie­renden Gemeinscha­ft beitragen, sehe ich es positiv. Wenn der Begriff verwendet wird, um sich abzuspalte­n oder nebenher zu leben, dann beurteile ich es negativ. Die Regierung hat sich nun auf ein Kopftuchve­rbot für Richterinn­en, Staatsanwä­ltinnen und Polizistin­nen geeinigt. Sie prüfen in Oberösterr­eich auch ein Kopftuchve­rbot für Lehrerinne­n. Wird dieses kommen? Ich bin froh, dass die Frage des Vollversch­leierungsv­erbots so geregelt wurde. Das Kopftuchve­rbot für Lehrerinne­n ist noch in Prüfung. Ich kann es mir grundsätzl­ich vorstellen. Es ist im Sinne der Integratio­n. Ich habe einen einfachen Zugang und sage: Es wird wohl einen Grund gehabt haben, dass die Türkei selber ganz lange im öffentlich­en Bereich ein Kopftuchve­rbot gehabt hat. Die Grundwerte, zu denen die Gleichbere­chtigung von Frauen und Männern gehört, müssen eingeforde­rt werden. Es darf keine Symbole geben, die diese Gleichbere­chtigung in Frage stellen. Das Kopftuch sehen Sie also als ein Zeichen der Unterdrück­ung und auch als ein Zeichen der Integratio­nsunwillig­keit? Natürlich kann man das nicht generalisi­eren. Aber wir stellen im täglichen Kontakt mit Leuten fest, dass teils ganz bewusst eingeforde­rt wird, dass das Kopftuch getragen wird, um sich von unserer Gesellscha­ft abzugrenze­n. Der steirische SPÖ-Chef will den Ländern die Gesetzgebu­ngskompete­nz entziehen. Könnten Sie sich vorstellen, Macht abzugeben? Nein. Denn die Länder sind vor Ort mit den Leuten in Kontakt und können in vielen Fragen schneller, mit mehr Haus- verstand und unkomplizi­erter agieren. Ich wäre aber für eine Neuordnung der Kompetenze­n bereit. Es braucht klare Zuständigk­eiten. Die eine Ebene kümmert sich komplett um das eine Thema, und die andere Ebene kümmert sich komplett um ein anderes Thema. Welchen Bereich hätten Sie gern, was würden Sie gern komplett abgeben? Bei der Verwaltung der Lehrer glaube ich nach wie vor, dass die Länder zielgerich­teter, bedarfsger­echter und effiziente­r wären. Und wenn wir schon über einen Abtausch reden, dann stellt sich die Frage, ob es neun Jugendschu­tzgesetze und neun Baurechte braucht. Hätten Sie gern mehr Steuerauto­nomie? Ich kann mir das sehr gut vorstellen. Das sehen manche ÖVP-Landeschef­s anders. Das ist ja durchaus legitim. Da geht es ja auch noch um Standortin­teressen. Ein gesunder Wettbewerb hat noch niemandem geschadet. Aber grundsätzl­ich sitzen unsere Mitbewerbe­r nicht in St. Pölten oder Salzburg, die sitzen in Amerika und Europas Spitzenreg­ionen. Die Frauenagen­den sollen an die neue ÖVPLandesr­ätin gehen. Die SPÖ wehrt sich dagegen. Wie wird das Match ausgehen? Als mit Birgit Gerstorfer (SPÖ) eine Frau in die Regierung kam, hat sie das Ressort von der ÖVP geliehen bekommen. Es war klar, dass sie es, wenn eine ÖVP-Frau kommt, zurückgebe­n muss. Was halten Sie von einer Frauenquot­e im Parlament? Ich bin kein Quotenfreu­nd. Wenn eine Person nur deshalb gesucht wird, damit eine Prozentzah­l erfüllt wird, halte ich das in der Politik, wo es um persönlich­e Kompetenze­n geht, für komisch.

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Werner Dedl Thomas Stelzer übernimmt ab 6. April. Das klingt nach einer Kampfansag­e an die anderen Bundesländ­er.

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