Normalo unter Fundi und Realo
Alles redet von Kern gegen Kurz, von Mitterlehner auch noch, von Strache sowieso, selbst Strolz bringt sich immer wieder ins Gespräch. Aber was ist eigentlich mit Eva Glawischnig? Porträt einer unkonventionellen Grünen und ihrer Partei.
Ein wenig despektierlich könnte man sagen: Ein Haufen (Post68er-)Freaks und Eva Glawischnig. So war in etwa das Bild, das sich beim Abendessen nach der grünen Klubklausur im Jänner in einem Lokal im siebenten Wiener Bezirk bot. Da die grünen Abgeordneten mit ihren Schrullen, ihren Agendas, optisch durchaus noch dem alten alternativen Milieu entsprechend. Dort die modische Parteichefin. Eine moderne Frau, die auch in jeder anderen Partei oder in irgendeinem Unternehmen sein könnte. Juristin. Managerin. Ohne alternativen Lebensentwurf. Verheiratet, zwei Kinder, Zweitwohnsitz auf dem Land.
Wenn Alexander Van der Bellen als der Bürgerliche unter den Grünen galt, dann ist Eva Glawischnig die entsprechende – und auch nicht zufällig ausgewählte – Nachfolgerin. Unter den Fundis und Realos ist Eva Glawischnig der Normalo. Linksliberal, aber doch bodenständig. Sie vertritt eine emanzipatorische Frauenpolitik, hat den Fokus aber von Anfang an auf die Frauen auf dem Land gestellt. Das wird nun, nach der Analyse der Wählerstruktur bei der Bundespräsidentenwahl, noch einmal verstärkt.
Das hat – wie ihre politische Sozialisation insgesamt – nicht zuletzt auch mit ihrer Herkunft zu tun. Aufgewachsen in einem Gasthaus, in Kärnten noch dazu, dort, wo mitunter Sprüche fallen, die – erst recht nach heutigen Maßstäben – locker den Tatbestand des Sexismus und Rassismus erfüllen. Was einen kritischen Heranwachsenden wiederum zum Widerspruch reizt. Eva Glawischnig, die Wirtstochter aus schwarz-blauem Elternhaus, ging zuerst zu Global 2000 und dann zu den Grünen.
Seit mittlerweile über acht Jahren führt sie die Partei an. Nach HeinzChristian Strache ist sie derzeit die längstdienende Parteivorsitzende. Doch während die Chefs von SPÖ, ÖVP, FPÖ, ja selbst der Neos regelmäßig die Schlagzeilen füllen, ist es um Eva Glawischnig ziemlich ruhig.
Auch mit der eingangs erwähnten Klubklausur im Jänner drangen die Grünen medial nicht wirklich durch. Diese war allerdings auch schlecht getimt. Sie fand nach der Welser Plan-A-Rede von Kanzler Christian Kern statt. Klausurthemen wie Mindestlohn, Absicherung von Ein-Personen-Unternehmen, Mietrechtsreform oder eine Öko-Steuerreform hatte Kern zuvor in seiner Grundsatzrede schon vorweggenommen.
Die Zurückhaltung im Vorjahr war wiederum dem unerwartet ganzjährigen Präsidentschaftswahlkampf geschuldet. Die Partei – auch Eva Glawischnig – überließ bewusst Alexander Van der Bellen allein die Bühne. Es hat sich ausgezahlt. Es wurde der größte Erfolg in der Geschichte der Grünen. Konkurrent Kern. Nun kommen wieder die Mühen der Ebene. Der Zenit scheint überschritten, der Van-der-Bellen-Erfolg wird nicht zu wiederholen sein. Die Grünen werden angesichts der attraktiven Konkurrenz von Mittelinks durch Christian Kern froh sein müssen, bei den nächsten Wahlen nicht allzu stark zu verlieren. In Graz büßten sie vorigen Sonntag 1,6 Prozentpunkte ein und blieben auf Platz vier (10,5 Prozent).
Schwer tut sich die Partei auch inhaltlich: Das Flüchtlings- und Migrationsthema dominiert nach wie vor. Und hier hat der Wind mittlerweile deutlich zuungunsten der Grünen gedreht. Daher versuchen sie, auf andere Themen zu setzen: Umwelt – allerdings auch kein wirklicher Heuler mehr –, Soziales, Wohnen und Frauen.
Schon bald nach Van der Bellens Sieg entbrannte bei den Grünen eine Debatte über die künftige Strategie. Peter Pilz forderte einen linkspopulistischeren Kurs. Der „kleine Mann“soll Grün statt Blau wählen. Der Weg dazu sollte über eine stärkere Akzentuierung der Sozialpolitik führen. Auch Aktivitäten wie jene von Pilz diese Woche aufgedeckten Verbindungen des Erdogan-˘ Regimes zu austrotürkischen Verbänden könnten Protestwähler anlocken, die sonst FPÖ wählen.
Glawischnig hingegen sieht die Grünen als linksliberal-progressive Partei und will den weniger kantigen Kurs weiterverfolgen. Bestätigt durch interne Umfragen, die die Grünen heute als Partei der optimistischen Hedonisten ausweisen.
Die „Krone“ventilierte dieser Tage wieder einmal, dass sich unzufriedene Grüne die Tirolerin Ingrid Felipe an der Bundesparteispitze wünschen würden. Und auch Johannes Voggenhuber kritisierte – nicht das erste Mal frei- lich – diese Woche die derzeitige Parteiführung. Auf die Frage der Zeitung „Österreich“, ob diese ausgewechselt werden soll, antwortet er: „Diese Frage muss ich leider mit Ja beantworten.“Die Grünen seien als Alternative zu den Großparteien gegründet worden. Nun würden sie gemeinsam mit diesen zusammenbrechen.
Auch wenn Voggenhuber als im Unfrieden geschiedener Einzelgänger gilt, heißt das nicht, dass seine Meinung niemand teilt. Im Lauf der Zeit hat sich bei den Grünen auch Unmut aufgestaut: über die Mainstream-Linie mit netten Tierplakatbildern einerseits, über zu weltfremde Positionen in der Flüchtlingspolitik andererseits. Diskussionen über die Zukunft fänden nicht statt, monieren Kritiker. Die Führungsspitze hätte sich abgekapselt.
„Hände falten, Goschen halten“– das von Ferry Maier auf die ÖVP gemünzte Diktum –, galt zuletzt gewissermaßen auch für die Grünen. Und damit Glawischnig die Nette sein konnte, hatte sie ihren Mann fürs Grobe. Das war bis vor Kurzem Bundesgeschäftsführer Stefan Wallner, der – durchaus autoritär – darüber wachte, dass niemand vom kongruenten inhaltlichen wie stilistischen Außenauftritt der Grünen abwich.
Für eine Fraktion von nicht selten exzentrischen Individualisten wie die Grünen schon eine besondere Herausforderung. Wallner ist mittlerweile zur Erste-Group gewechselt. Zwischenmenschlich hat er bei den Grünen viel verbrannte Erde hinterlassen. Sein Marketingtalent würdigen aber auch seine Gegner. Es ist davon auszugehen, dass Nachfolger Robert Luschnik seine Linie fortführt: sanfter im Ton zwar, aber ebenso stringent in der Strategie, was die einheitliche Politik- und Werbelinie für Bund und Länder betrifft. Abgehoben. So stromlinienförmig die Grünen im Außenauftritt mittlerweile sind – ein Widerspruch bleibt: Und zwar jener zwischen Anspruch und Wirklichkeit. Der grüne Bildungsexperte Daniel Landau beschrieb dies jüngst treffend in der „Wiener Zeitung“: „Der typische Grüne argumentiert von einer sozial sehr abgesicherten Position.“Er möchte, dass es allen gut geht. Was aber nicht heißt, dass er sein eigenes Kind dann in die Schule für alle ums Eck schickt.
Diese Kluft zu schließen ist auch der bodenständigen Eva Glawischnig nicht gelungen. Dieses Wesensmerkmal gehört wohl auch zur DNA der Grünen. Denn wie Landau richtig bemerkt: Bei den sozial Benachteiligten, nicht zuletzt jenen aus dem migrantischen Milieu, gibt es für die Grünen wählermäßig wenig zu holen. Deren
Eva GlawischnigPiesczek
wurde am 28. Februar 1969 in Villach geboren. Sie studierte Jus in Graz, war danach juristische Beraterin bei Global 2009. Sie war Umweltsprecherin der Wiener Grünen. Seit 1999 ist sie Abgeordnete zum Nationalrat. Von Oktober 2006 bis Oktober 2008 war sie Dritte Nationalratspräsidentin. Danach wurde sie Bundessprecherin und Klubobfrau der Grünen. Sie ist verheiratet und hat zwei Söhne. Wähler sind eher in den innerstädtischen bürgerlichen Bezirken zu Hause.
Von den Wahlen her betrachtet ist die Ära Glawischnig eine Erfolgsgeschichte. Bezeichnend ist auch, dass die Partei unter ihrer Führung gerade in den Bundesländern sehr erfolgreich war. Mittlerweile sind die Grünen in fünf Landesregierungen vertreten: in Wien, Vorarlberg, Tirol, Salzburg und in Kärnten.
In Kärnten waren die Grünen lange Zeit überhaupt nicht im Landtag vertreten gewesen. Bis die Wirtstochter aus Seeboden das Heft selbst in die Hand nahm. 2004 war das, Spitzenkan-
Die Weltfremdheit, die man Grünen oft nachsagt, trifft auf die Chefin am wenigsten zu. Damit Glawischnig die Nette sein konnte, hatte sie ihren Mann fürs Grobe. Eva Glawischnigs Grüne – heute die Partei der optimistischen Hedonisten.
didat war eigentlich Rolf Holub. Doch Eva Glawischnig verlegte ihren Wohnsitz kurzerhand nach Kärnten und beackerte in Jörg-Haider-Manier das Land. Die Lokaltouren, von denen Peter Pilz heute träumt, hat sie damals absolviert, die Macho-Sprüche, die sie dort zu hören bekam, freundlich, aber bestimmt weggesteckt. Die Grünen zogen erstmals in den Landtag ein. Beruf und Familie. Als Chefin, so heißt es in der Partei, sei Eva Glawischnig sachlich und präzise, fordere viel, delegiere wenig. Nur die Abendtermine lasse sie, so gut es eben geht, aus. Da sei sie lieber zu Hause bei ihren Kindern.
Die Abgehobenheit von den Lebensrealitäten, die man Grünen zu Recht oft nachsagt, trifft auf die Parteichefin noch am wenigsten zu. Wobei sie sich selbst öffentlich schon auch dem Parteisprech unterwirft. Vieles von dem, was Glawischnig so von sich gibt, ist zielgruppenadäquat, in Umfragen zuvor abgetestet.
Die Grünen sind heute professioneller, als man es ihnen zutraut. Und das ist zweifellos auf Eva Glawischnig zurückzuführen.