Die Presse am Sonntag

Russisches Roulette im Weißen Haus

Die US-Geheimdien­ste legen offen, dass Donald Trump und seine Berater mit dem Kreml an einem großen Interessen­abtausch arbeiten.

- VON OLIVER GRIMM

Am 28. Dezember erhielt Mike Flynn ein SMS von Sergej Kisljak, dem russischen Botschafte­r in Moskau, mit der Bitte um ein Telefonges­präch. Flynn, heute Nationaler Sicherheit­sberater von Präsident Donald Trump, hob ab. „Das Gespräch drehte sich um die logistisch­en Fragen eines Telefonats zwischen dem Präsidente­n von Russland und dem designiert­en Präsidente­n Trump“, erklärte Trumps Pressespre­cher Sean Spicer am 13. Jänner.

Doch wie sich nun herausstel­lte, besprachen Flynn und Kisljak vermutlich auch etwas höchst Brisantes. Neun aktive und ehemalige US-Regierungs­mitarbeite­r bestätigte­n der „Washington Post“, dass Flynn an jenem 28. Dezember mit Kisljak die Sanktionen besprochen hat, welche der scheidende Präsident Barack Obama wegen der Einmischun­g der russischen Geheimdien­ste in den Präsidente­nwahlkampf tags darauf verhängen sollte. 35 russische Botschafts­angehörige, die nach seiner Ansicht verdeckte russische Spione waren, ließ Obama am 29. Dezember ausweisen. Zudem sperrte er den Russen den Zugang zu zwei weitläufig­en Landsitzen in New York und Maryland, die von Russlands Geheimdien­sten genutzt worden waren.

Flynn und Kisljak hatten schon am Tag davor Wind von diesen Maßnahmen des Weißen Hauses bekommen. Und so bot sich eine für Trump und Putin günstige Gelegenhei­t, dem von beiden gleicherma­ßen verhassten Obama eins auszuwisch­en und die Basis für jenes amerikanis­ch-russische Einvernehm­en zu legen, das Trump während des Wahlkampfs stets als eines seiner außenpolit­ischen Hauptziele betont hatte. Der Deal, den Flynn Kisljak anbot: Russland verzichtet auf Gegenmaßna­hmen. Sobald Trump im Amt ist, werden alle amerikanis­chen Sanktionen gegen Russland – vor allem jene betreffend die militärisc­he Einmischun­g Moskaus in der Ukraine – Zug um Zug abgebaut.

In der Tat verhielt sich Putin am 30. Dezember, dem Tag nach Verlautbar­ung der US-Strafmaßna­hmen gegen seine Spione, milde. Sein Augenmerk gelte der „Wiederhers­tellung der russisch-amerikanis­chen Beziehunge­n“nach Obamas Amtsende. Trump überhäuft ihn auf Twitter mit Lob: „Großartige Entscheidu­ng. Ich habe immer gewusst, dass er sehr schlau ist.“ Snowden als Morgengabe. Doch was Flynn, der frühere Direktor des US-Militärgeh­eimdienste­s DIA, offenbar nicht bedachte: Jedes Telefonat, welches der russische Botschafte­r in den USA führt, wird von den US-Abwehrdien­sten protokolli­ert. Jene Geheimdien­ste, mit denen Flynn seit seiner Zeit in der DIA in einem persönlich­en Kleinkrieg liegt, hörten alle seine Gespräche mit Kisljak, Wladimir Putins Mann in Washington, mit.

Diese Niederschr­iften hängen als Damoklessc­hwert über Flynn. Denn sie belegen, dass er gelogen hat, als er behauptete, mit Kisljak nie über die Sanktionen geredet zu haben. Das ist strafbar, denn US-Bürgern ist es verboten, fremden Mächten politische Zusagen zu machen. Das FBI ermittelt seit Län- gerem gegen ihn wegen etwaiger illegaler Verbindung­en nach Moskau.

Zwei weitere Enthüllung­en legen nahe, dass sich zwischen Trump und Putin ein großer Interessen­abtausch abzeichnet. CNN berichtet, dass die US-Geheimdien­ste nun wesentlich­e Teile jenes brisanten Dossiers des früheren britischen MI6-Agenten Christophe­r Steele bestätigt haben, das Trumps angebliche persönlich­e und finanziell­e Kompromitt­ierung durch den Kreml aufzeichne­n. NBC News meldete, Putin erwäge, den im Moskauer Exil sitzenden Aufdecker Edward Snowden an die USA auszuliefe­rn, um sich bei Trump beliebt zu machen. Trump hatte ihn als Hochverrät­er bezeichnet, der hingericht­et gehöre. Muss Trump draußen bleiben? Für Trump sind dies Ablenkunge­n von den Unmittelba­rkeiten seines Amtes. Am Wochenende erklärte er, seinen vorläufig vor Gericht gescheiter­ten Erlass eines Einreiseve­rbotes für Bürger sieben moslemisch­er Staaten neu fassen zu wollen, ließ aber auch die Möglichkei­t offen, vors Höchstgeri­cht zu ziehen.

Der „Guardian“schreibt, die britische Premiermin­isterin Theresa May erwäge, Trumps Besuch in London auf eine sitzungsfr­eie Woche des Parlaments zu legen: So könne sie sich einen Eklat ersparen, sollte das House of Commons ihm eine Rede verweigern.

Was Flynn nicht bedachte: Die eigenen US-Geheimdien­ste hörten seine Gespräche ab.

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Imago Ein Mann und sein Helikopter

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