Die Autos lernen zu fliegen
Aus Science-Fiction wird Realität: Die Nasa, Airbus und Uber planen fliegende Autos. Sie sollen künftig Pendlern zu mehr Freizeit verhelfen. Aber die Hürden sind noch hoch.
In der Traumwelt der Science-Fiction-Filme gab es sie schon vor einem halben Jahrhundert: kleine Vehikel, die leise durch die Lüfte gleiten und zwischen den Hochhausschluchten von Megastädten navigieren. Aber bei diesem Thema, so schien es, haben uns die kühnen Visionäre zu viel versprochen. „Wir wollten fliegende Autos“, spottet der Tech-Investor Peter Thiel, „und stattdessen bekamen wir 140 Zeichen“– die maximale Länge einer Twitter-Nachricht.
Jetzt aber mehren sich die Anzeichen, dass doch noch etwas daraus werden könnte. Der Flugzeugbauer Airbus kündigte im Jänner an, heuer ein fliegendes Auto zu testen. Die Nasa forscht seit Jahren sehr konkret in diese Richtung. Und vergangene Woche warb Uber der US-Raumfahrtbehörde einen führenden Experten zum Thema ab, um sich selbst die Lufthoheit zu sichern. Schon im Oktober hatte der Fahrtdienstvermittler in einem Weißbuch Chancen und Hürden des schon recht ausgefeilten Konzepts erläutert.
Ein wenig genauer genommen geht es nicht um Autos, sondern um kleine, batteriebetriebene Flugzeuge, die senkrecht starten und landen können. Also in der Funktion grob vergleichbar mit einem Hubschrauber, aber in jeder Hinsicht besser: Helikopter sind fürchterlich laut, rund 20 Mal teurer als ein Auto, im Energieverbrauch ineffizient und verschmutzen die Umwelt. Der E-Flieger der Zukunft ist kaum zu hören, hat im Betrieb null Emissionen, ist viel leichter zu bauen – und könnte am Ende bei ausreichender Stückzahl sogar ein erschwingliches Beförderungsmittel für fast jedermann werden.
Möglich soll das eine neue Technologie machen, an der vor allem die Nasa tüftelt: der „verteilte Elektroantrieb“. Dabei bewegen mehrere kleine und leichte Elektrotriebwerke die Propeller. In ähnliche Richtung geht Air- bus, die bei den Motoren mit Siemens kooperieren. Schon im Sommer 2015 überflog der „E-Fan“des Flugzeugbauers den Ärmelkanal. Sein Ziel sind freilich batteriebetriebene Passagiermaschinen, für eine ziemlich ferne Zukunft ohne Kerosin. Die Batterien von heute sind aber noch weit davon entfernt, für so weite Distanzen und große Flieger einsetzbar zu sein. Parken auf dem Dach. Die fliegenden Autos haben es da – auch im Wortsinn – leichter. Sie sollen einem anderen Hauptzweck dienen: dem Pendeln in die Großstadt. Tag für Tag verschwenden Pendler in aller Welt Hunderte Millionen Stunden an wertvoller Lebenszeit. Sie stehen genervt im Stau, statt glücklich bei ihrer Familie zu sein oder produktiv zu arbeiten. Um sich künftig mit 300 km/h ihren Weg durch die Lüfte bahnen zu können, brauchen sie freilich Landeplätze mit Ladestationen in der Stadt. Sie sind und bleiben im Häusermeer eine Mangelware.
Infrage kommen Flachdächer von Hochhäusern und Parkgaragen oder ungenutztes Land, etwa rund um Abfahrten und Knoten von Autobahnen. Das letzte Wegstück bis zum Arbeitsplatz bleibt, wie bei Park-and-rideKonzepten, den Öffis überlassen. Die Infrastruktur kostet. Aber je stärker sich die individuelle Fortbewegung in die Luft verlagert, desto mehr spart sich der Staat an Instandhaltung und Neubau von Straßen, Brücken und Tunnels – und die sind viel teurer.
Der Preis des Aeromobils? Anfangs wäre es für Einzelkäufer fast unerschwinglich. Diese Phase möchten die Uber-Autoren mit Mitfahrmodellen überbrücken. Dass aber Fluggeräte generell so teuer sind, habe vor allem mit den kleinen Stückzahlen zu tun (die es nicht immer gab: Im Zweiten Weltkrieg liefen die Jagdbomber vom Fließband). Bei großen Produktionsmengen könnten sich die Kosten rasch jenen eines traditionellen Autos angleichen. Denn so wie ein E-Auto viel einfacher zu fertigen ist als ein Benziner oder Diesel, ist auch die mechanische Komplexität eines E-Fliegers weit niedriger als bei einem Hubschrauber.
Stunden
pro Jahr verbringt der durchschnittliche Bewohner des Großraums San Francisco mit Pendeln zwischen Arbeit und Wohnort.
Stundenkilometer
ist die angestrebte Höchstgeschwindigkeit für „Flugautos“auf längeren Pendelstrecken. Starten und Landen sollten maximal eine Minute dauern.
Das größte Kopfzerbrechen bereitet den Visionären die Regulierung und Kontrolle. Für die Flugsicherung gäbe es zwar anfangs nicht viel zu tun. Auch wer im Hubschrauber oder Sportflieger unter den Wolken fliegt, macht das „nach Sicht“, also ohne Steuerung durch Instrumente und unabhängig von den Wächtern des Luftraums. Nur wenn es neblig ist, müssten die ersten Alltagspiloten auf beides zurückgreifen. Wenn aber einmal viele fliegende Autos kreuz und quer durch den Himmel ziehen, kommt man um eine neuartige, hochkomplexe Steuerung nicht mehr herum – und damit auch um ein
Es geht um kleine Flugzeuge mit E-Antrieb, die senkrecht starten und landen können. Mehr Kopfzerbrechen als die Technik bereiten Flugsicherung und der »Führerschein«.
zumindest teilautonomes Fliegen. Was aber zugleich ein weiteres Problem lösen könnte: den „Führerschein“. Bisher braucht ein Pilot Hunderte bis über tausend Stunden Flugerfahrung. Die Basismanöver aber sind schon nach wenigen Stunden erlernt. Der große Rest entfällt auf heikle Situationen. Wenn in all diesen Fällen beim E-Flieger die automatische Steuerung eingreift, argumentiert Uber, könnte der Lenker seine Lizenz viel rascher erlangen. Womit dann, mit viel Optimismus gedacht, die gröbsten Hindernisse für die freie Fahrt zwischen Boden und Wolken aus dem Weg geräumt wären. Fliegende Autos? Vielleicht werden wir sie ja doch noch erleben.