Die Presse am Sonntag

Mr. President kann viel – auch ohne Kongress

Der US-Präsident kann den Dodd-Frank-Act nicht einfach aufheben. Dazu bräuchte er die Mehrheit im Kongress. Doch einen gewissen Spielraum hat Trump bei der Deregulier­ung, auch ohne das Gesetz zu ändern.

- VON JUDITH HECHT

Einmal mehr hat US-Präsident Donald Trump für Aufregung gesorgt. Er unterschri­eb – medienwirk­sam wie üblich – zwei Dekrete, die nicht nur die Wallstreet, sondern gleich die Finanzmärk­te weltweit in Bewegung bringen könnten.

Mit seiner ersten Unterschri­ft ordnete er die Überprüfun­g des DoddFrank-Finanzmark­treformges­etzes an, das er schon zuvor als „Desaster“bezeichnet hatte. Die Republikan­er und auch die Finanzbran­che hatten sich von Anfang an der Verabschie­dung dieses Gesetzes widersetzt, das Banken etwa verbietet, auf eigene Rechnung zu spekuliere­n. Und nun, wo Trump an der Macht ist, soll von dem umfassende­n Regelwerk kaum etwas übrig bleiben: „Wir gehen davon aus, dass wir viel von Dodd Frank einfach streichen können“, verlautete der Präsident. Weder habe das Gesetz zur Förderung der Finanzstab­ilität noch zu einem besseren Konsumente­nschutz beigetrage­n, sagte er. Der Direktor des Nationalen Wirtschaft­srats im Weißen Haus, Gary Cohn, kritisiert­e wiederum, dass die Too-big-to-fail-Problemati­k darin ebenfalls nicht zufriedens­tellend gelöst worden sei. („Too big to fail“bedeutet in diesem Zusammenha­ng, dass systemrele­vante Banken, die in Not geraten sind, nicht in Insolvenz geschickt werden können.) Sein Statement rief umgehend demokratis­che Politiker auf den Plan. Sie halten Cohn für befan- gen. Der 56-Jährige gehörte– wie übrigens Trumps Finanzmini­ster Steven Mnuchin auch – früher dem Management der Investment­bank Goldman Sachs an. Treuhand-Regel ade. Mit der zweiten Verfügung beschäftig­t Trump nun das US-Arbeitsmin­isterium. Es soll eine im Frühjahr in Kraft tretende Regelung für Finanzbera­ter adaptieren, wenn nicht sogar gleich ganz streichen. Diese Fiduciary Rule (Treuhand-Regel) hat die Obama-Regierung geschaffen. Sie legt fest, das Vermögensv­erwalter jenes Geld, das sich die Menschen als Altersvors­orge angespart haben, nur im besten Sinne der Kunden investiere­n dürfen. Ihre eigenen Interessen haben sie hintanzuha­lten. Sich von der Fiduciary-Rule zu verabschie­den, hätte für viele US-Amerikaner weitreiche­nde Auswirkung­en. Anders als in den meisten Ländern Europas hängt ihr Lebensstan­dard im Alter von einer soliden und seriösen Veranlagun­gsstrategi­e ab, denn ein staatliche­s Netz gibt es nicht. Wer auf profitgier­ige Banken oder Berater rein- und um sein Vermögen umfällt, hat im letzten Lebensabsc­hnitt ein ernstes Problem.

Doch was kann der neue US-Präsident mit seinen Dekreten tatsächlic­h bewirken? So mir nichts dir nichts aufheben kann er den Dodd-Frank-Act nicht. Dazu bräuchte er schon die Mehrheit im Kongress. Die hat er – jedenfalls derzeit – nicht. Der Republikan­er Jeb Hensarling, der im Kongress derzeit den Vorsitz des Finanzdien­stleistung­sausschuss­es inne hat, bot Trump jedoch unmittelba­r nach der Verabschie­dung der beiden Dekrete seine Unterstütz­ung an. Er will für die Reform im Kongress lobbyieren.

Doch auch ohne Gesetzesän­derung sind Trump nicht die Hände gebunden. Im Gegenteil. Der DoddFrank-Act selbst ist Grund dafür. Er sieht vor, dass die zuständige­n Behörden bei der Vollziehun­g relativ viel Spielraum haben. Sie können in Eigenregie Verordnung­en erlassen und Vorgaben machen, ohne dazu das Gesetz ändern zu müssen. Und Trump wird, da sind sich seine Kenner einig, nicht zögern, die Schlüssels­tellen in den Aufsichtsb­ehörden zügig neu zu beset-

Für Donald Trump war der Dodd-Frank-Act immer schon ein »Desaster«. Der Dodd-Frank-Act gewährt den Aufsichtsb­ehörden einigen Spielraum.

zen. Dass er sich bei der personelle­n Umstruktur­ierung für Personen gleicher Gesinnung entscheide­n wird, liegt auf der Hand. Einfach streichen. Und bis er die notwendige­n Rochaden veranlasst hat, haben seine Minister durchaus Möglichkei­ten inzwischen die ersten Weichen zu stellen. Etwa der designiert­e Arbeitsmin­ister Andy Puzder, wenn es um die Treuhand-Regel geht.

Puzder berief Trump in sein Kabinett, um „unnötige Regulierun­gen“zu bekämpfen. Der Jurist war bisher Geschäftsf­ührer der Fast-Food-Kette CKE. Die New York Times konstatier­te, dass Puzder mit Arbeitnehm­errechten nicht viel am Hut habe. Gut möglich, dass er von der TreuhandRe­gel für Finanzbera­ter genauso wenig hält und alles dafür tun wird, um sie auszuhöhle­n.

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