Mr. President kann viel – auch ohne Kongress
Der US-Präsident kann den Dodd-Frank-Act nicht einfach aufheben. Dazu bräuchte er die Mehrheit im Kongress. Doch einen gewissen Spielraum hat Trump bei der Deregulierung, auch ohne das Gesetz zu ändern.
Einmal mehr hat US-Präsident Donald Trump für Aufregung gesorgt. Er unterschrieb – medienwirksam wie üblich – zwei Dekrete, die nicht nur die Wallstreet, sondern gleich die Finanzmärkte weltweit in Bewegung bringen könnten.
Mit seiner ersten Unterschrift ordnete er die Überprüfung des DoddFrank-Finanzmarktreformgesetzes an, das er schon zuvor als „Desaster“bezeichnet hatte. Die Republikaner und auch die Finanzbranche hatten sich von Anfang an der Verabschiedung dieses Gesetzes widersetzt, das Banken etwa verbietet, auf eigene Rechnung zu spekulieren. Und nun, wo Trump an der Macht ist, soll von dem umfassenden Regelwerk kaum etwas übrig bleiben: „Wir gehen davon aus, dass wir viel von Dodd Frank einfach streichen können“, verlautete der Präsident. Weder habe das Gesetz zur Förderung der Finanzstabilität noch zu einem besseren Konsumentenschutz beigetragen, sagte er. Der Direktor des Nationalen Wirtschaftsrats im Weißen Haus, Gary Cohn, kritisierte wiederum, dass die Too-big-to-fail-Problematik darin ebenfalls nicht zufriedenstellend gelöst worden sei. („Too big to fail“bedeutet in diesem Zusammenhang, dass systemrelevante Banken, die in Not geraten sind, nicht in Insolvenz geschickt werden können.) Sein Statement rief umgehend demokratische Politiker auf den Plan. Sie halten Cohn für befan- gen. Der 56-Jährige gehörte– wie übrigens Trumps Finanzminister Steven Mnuchin auch – früher dem Management der Investmentbank Goldman Sachs an. Treuhand-Regel ade. Mit der zweiten Verfügung beschäftigt Trump nun das US-Arbeitsministerium. Es soll eine im Frühjahr in Kraft tretende Regelung für Finanzberater adaptieren, wenn nicht sogar gleich ganz streichen. Diese Fiduciary Rule (Treuhand-Regel) hat die Obama-Regierung geschaffen. Sie legt fest, das Vermögensverwalter jenes Geld, das sich die Menschen als Altersvorsorge angespart haben, nur im besten Sinne der Kunden investieren dürfen. Ihre eigenen Interessen haben sie hintanzuhalten. Sich von der Fiduciary-Rule zu verabschieden, hätte für viele US-Amerikaner weitreichende Auswirkungen. Anders als in den meisten Ländern Europas hängt ihr Lebensstandard im Alter von einer soliden und seriösen Veranlagungsstrategie ab, denn ein staatliches Netz gibt es nicht. Wer auf profitgierige Banken oder Berater rein- und um sein Vermögen umfällt, hat im letzten Lebensabschnitt ein ernstes Problem.
Doch was kann der neue US-Präsident mit seinen Dekreten tatsächlich bewirken? So mir nichts dir nichts aufheben kann er den Dodd-Frank-Act nicht. Dazu bräuchte er schon die Mehrheit im Kongress. Die hat er – jedenfalls derzeit – nicht. Der Republikaner Jeb Hensarling, der im Kongress derzeit den Vorsitz des Finanzdienstleistungsausschusses inne hat, bot Trump jedoch unmittelbar nach der Verabschiedung der beiden Dekrete seine Unterstützung an. Er will für die Reform im Kongress lobbyieren.
Doch auch ohne Gesetzesänderung sind Trump nicht die Hände gebunden. Im Gegenteil. Der DoddFrank-Act selbst ist Grund dafür. Er sieht vor, dass die zuständigen Behörden bei der Vollziehung relativ viel Spielraum haben. Sie können in Eigenregie Verordnungen erlassen und Vorgaben machen, ohne dazu das Gesetz ändern zu müssen. Und Trump wird, da sind sich seine Kenner einig, nicht zögern, die Schlüsselstellen in den Aufsichtsbehörden zügig neu zu beset-
Für Donald Trump war der Dodd-Frank-Act immer schon ein »Desaster«. Der Dodd-Frank-Act gewährt den Aufsichtsbehörden einigen Spielraum.
zen. Dass er sich bei der personellen Umstrukturierung für Personen gleicher Gesinnung entscheiden wird, liegt auf der Hand. Einfach streichen. Und bis er die notwendigen Rochaden veranlasst hat, haben seine Minister durchaus Möglichkeiten inzwischen die ersten Weichen zu stellen. Etwa der designierte Arbeitsminister Andy Puzder, wenn es um die Treuhand-Regel geht.
Puzder berief Trump in sein Kabinett, um „unnötige Regulierungen“zu bekämpfen. Der Jurist war bisher Geschäftsführer der Fast-Food-Kette CKE. Die New York Times konstatierte, dass Puzder mit Arbeitnehmerrechten nicht viel am Hut habe. Gut möglich, dass er von der TreuhandRegel für Finanzberater genauso wenig hält und alles dafür tun wird, um sie auszuhöhlen.