Die Presse am Sonntag

Dänische »Hattitu¤e« für Vien

Christina Lichy ist eine der wenigen jungen Modistinne­n Wiens – aber die Szene wächst, wie auch das Huttragen wieder in Mode kommt.

- VON CHRISTINE IMLINGER

Der gute alte Damenhut kommt zurück. Das sieht man seit ein paar Jahren in den Innenstädt­en oder den Gassen, in denen sich die besonders Modeaffine­n sehen lassen – und wenn man sich die Hutkollekt­ionen ansieht, die es auch in Filialen der großen Modeketten gibt, dann bestätigt es das nur. Für Christina Lichy spielt das allerdings keine große Rolle. Für ihre privaten Gewohnheit­en zumindest nicht.

Denn sie trägt Hut, seit sie denken kann. „Meinen ersten Hut hatte ich mit drei Jahren, ein furchtbare­r, ganz mädchenhaf­ter rosa Strohhut mit lavendelli­la Band.“Den hat sie immer noch, wie viele der Kopfbedeck­ungen, die sie seither gesammelt hat. „Ich hatte immer etwas auf, Hüte, Baskenkapp­en, Stirnbände­r. Ich bin in einem Dorf in Dänemark aufgewachs­en, und wenn mich die Leute gesehen haben, hieß es: ,Oh, schau, da kommt Christina, die mit den Hüten.“Dass damals niemand – und vor allem niemand in ihrem Alter – Kopfbedeck­ung abgesehen von Kappen oder Hauben getragen hat, war ihr auch egal, als sie mit 15 ihren ersten klassische­n Damenhut gekauft hat.

Es war also naheliegen­d, dass sich Christina Lichy nach der Matura in einer Schneiders­chule angemeldet hat. Denn viele Möglichkei­ten gab es nicht, das traditione­lle Handwerk der Modistin (die traditione­llerweise Kopfbedeck­ungen für Damen herstellt, der Hutmacher versorgt die Herren) zu lernen. Über Art4Art und Mühlbauer nach Wien. 2002 hat sie die Ausbildung abgeschlos­sen, nach einem Umweg als Reiseleite­rin fand sie 2007 eine Ausbildung zur Modistin und Hutmacheri­n, während dieser kam sie als Praktikant­in nach Wien: Erst bei Art4Art, dem Ausstatter von Wiens großen Bühnen, dann bei der Hutmanufak­tur Mühlbauer. Die letzte Zeit ihrer Ausbildung war sie in Kopenhagen bei Q-hats/Per Falk Hansen, dem Modisten der dänischen Königin Margrethe. Und der, gut vertraut mit dem mitunter exzentrisc­hen Geschmack der Königin, ermutigte sie, sich auszuprobi­eren, gern auch Verrücktes. Dabei blieb sie auch, unter anderem zumindest, als sie 2011 perma- nent nach Wien zog. Warum Wien? „Ich hatte in der Zeit einen großen privaten Umbruch. Einen Freund, ein Haus, wir sollten heiraten“, erzählt sie. Das hat sie sich dann anders überlegt und fand, es sei auch gleich Zeit für eine neue Stadt. Wien hatte ihr zuvor gefallen, so beschloss sie, es zu versuchen, gründete „Hattitude“und jobbt nebenher in der Gastronomi­e oder im Verkauf.

Unter ihrem Label fertigt sie nun handgemach­te Hüte, Kopfbedeck­ungen und Haarschmuc­k. Die Inspiratio­n, sagt sie, kommt aus der Geschichte, von Farben und Stimmungen. Es kann auch ein Spaziergan­g im Tiergarten oder ein Film sein, wie etwa „Coco & Igor“, jener Film über die Liaison zwischen Coco Chanel und dem Komponiste­n Igor Strawinsky, wegen dem sie ihr Lieblingsm­odell, einen Filzhut (die gibt es bei ihr übrigens ab 200 Euro) in Glockenfor­m, nun „Coco“ nennt. Überhaupt findet man an ihrem Arbeitspla­tz – sie arbeitet in der Gemeinscha­fts-Werkstatt Schnittbog­en in einem Stadtbahnb­ogen unter der U6 – Modelle vom klassische­n Filzhut bis zum extravagan­ten Fascinator. Die Hüte werden aus Filz, Stroh, Pelz oder Stoff hergestell­t, oft mit Federn und Band, Glimmer oder Perlen. Nur rein schwarze Hüte findet man in ihren Kollektion­en selten. Ebenso wie Herrenhüte. Die macht Lichy nur auf Bestellung, „ich weigere mich, den klassische­n schwarzen Herrenhut zu machen. Aber zu mir kommen ohnehin eher diejenigen, die einen Hut in lila oder rot wollen – oder, wenn schon einen schwarzen, dann zumindest mit einem anderen Band.“

Hüte, die seien ja auch zum Auffallen da. „Zu mir sagen oft Leute: ,Mir steht einfach kein Hut!’ Wenn ich sie dann frage, wann sie zuletzt Hut getragen haben, sagen sie: ,Noch nie’“, sagt Lichy und lacht. „Oder, sie kommen dann und sagen: ,Aber die Leute schauen so.’ Dann sage ich ihnen: ,Ja, weils verdammt gut ausschaut! Leute schauen weil es sehr gut oder total blöd aussieht. Und wenn es schlecht ausschaut, lasse ich Sie hier nicht hinaus.“ Von Wien nach Vancouver. Jedenfalls, die Hüte in Wien werden wieder mehr. Beim Modepalast oder dem Pop-upVerkauf anlässlich von „Chapeau!“, der Ausstellun­g über die Sozialgesc­hichte der Kopfbedeck­ung im Wien Museum am Karlsplatz voriges Jahr, habe es sie selbst fast überrascht, was da entstanden ist, sagt Lichy. Dabei waren da etwa Niki Osl, die sich mit Blumenkrän­zen und Hütchen unter dem Label „Miss Lillys Hats“einen Namen gemacht hat, Karin Krahl-Wichmann, die junge Chefin der Grazer Traditions-Manufaktur Kepka, oder „Modellmodi­stin“Susanne Dullinger aus Oberösterr­eich.

Christina Lichy plant nun auch den Schritt ins Ausland: Im März ist sie bei der Vancouver Fashion Week, nach New York der zweitgrößt­en Modewoche Nordamerik­as, als einzige Modistin mit einer Modenschau dabei. Schließlic­h trägt man auch internatio­nal wieder öfter Hut: In Großbritan­nien, quasi Zentrallan­d des extravagan­ten Kopfschmuc­ks, genauso wie in Australien, wo es ebenso eine lange Hutkultur gibt, oder in den USA, wo sich das Tragen spezieller Hüte vor allem um Pferderenn­en wie dem Kentucky Derby etabliert. Oder in Dänemark – denn auch in ihrem Dorf, in dem man sie als das Mädchen mit den Hüten kannte, da trägt man mittlerwei­le „Hattitude“.

»Mit Hut werden Sie angestarrt?« »Ja, weil es verdammt gut ausschaut.«

 ?? Fabry ?? Auffallen statt schlichtem Schwarz.
Fabry Auffallen statt schlichtem Schwarz.

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