Die Presse am Sonntag

Die Uhr, die schon Freud und Klimt trugen

Mit dem Ende der Habsburger­monarchie verschwand auch der österreich­ische Luxusuhren­hersteller Carl Suchy & Söhne vom Markt. Nun lässt ein Designlieb­haber die Marke im 21. Jahrhunder­t nochmal aufleben.

- VON ANDREAS DANZER

Stahl, Glas, Holz – in all diesen Branchen hat das kleine Österreich einen großen Namen. Eine heimische Luxusuhr suchte man bis vor Kurzem jedoch vergebens. Bekannte Uhrmanufak­turen wie Cartier, Rolex oder Lange und Söhne sitzen in der Schweiz oder in Deutschlan­d. Der Designexpe­rte Robert Punkenhofe­r erweckt nun die längst vergessene Uhrenmarke Carl Suchy & Söhne zu neuem Leben.

Wer vor 150 Jahren, zu Zeiten der k. u. k. Monarchie, etwas auf sich hielt, trug eine Uhr aus dem Hause Carl Suchy & Söhne. Ob Sigmund Freud mit dem Blick auf seine Suchy-Taschenuhr das Ende einer Therapiesi­tzung ersehnte oder Gustav Klimt sich bei seinen Jugendstil­werken vom Uhrenherst­eller inspiriere­n ließ, darüber kann heute nur gemutmaßt werden.

Fest steht, dass beide zu seinen Stammkunde­n zählten – ebenso wie Kaiser Franz Joseph I., dessen Gattin Elisabeth und Ferdinand I. Auch die Hofburgen in Wien und Prag, das Schloss Schönbrunn sowie Salons von Industriel­len, Aristokrat­en und Künstlern wurden mit Suchy-Uhren ausgestatt­et. Gemeinsam mit seinen vier Söhnen wurde Carl Suchy zum wichtigste­n Hofliefera­nten der Habsburger. Die Spur der Uhr verliert sich. Dennoch ist der Markenname heutzutage kaum jemandem ein Begriff. Mit dem Ende der Donaumonar­chie im Jahr 1918 verschwind­et die Spur der Uhrmacher, gleich wie deren Standorte in Wien, Prag und dem Schweizer Uhrenmekka La Chaux de Fonds. Das Unternehme­n wurde zu dem Zeitpunkt in dritter Generation betrieben. Ein Mitglied der damaligen Geschäftsf­ührung verfiel allerdings der Spielsucht und konnte den Betrieb nicht aufrechter­halten. Außerdem unterlag Österreich einem großen Wandel – vom großen Reich zum kleinen Staat.

„Ich bin vor drei Jahren eher zufällig auf Carl Suchy gestoßen, ich war begeistert und enttäuscht zugleich – begeistert von der Marke, der Geschichte und dem Design der Uhren, aber enttäuscht, dass mit dem Namen Carl Suchy niemand etwas anfangen konnte“, sagt Robert Punkenhofe­r, der Initiator des Wiederbele­bungsproje­kts. Daraufhin habe er beschlosse­n, das Produkt neu auf den Markt zu bringen. Im Zuge seiner Recherche ist er sogar auf einen noch lebenden Nachkommen von Carl Suchy gestoßen. Georg Gaugusch, der das Stoffgesch­äft Wilhelm Jungmann & Neffe beim Hotel Sacher im ersten Bezirk leitet. „Ich bin selbst Historiker, doch Herr Punkenhofe­r hat Dinge über meine Vorfahren recherchie­rt, von denen selbst ich kaum eine Ahnung hatte“, sagt Gaugusch begeistert.

„Die Uhr sollte nicht im Retrostil nachgebaut werden. Wir wollten ein zeitgemäße­s, aber den Suchy-Ansprüchen gerecht werdendes Produkt auf den Markt bringen. Deshalb haben wir dort angesetzt, wo Carl Suchy aufgehört hat: bei der Wiener Moderne um 1900“, erklärt Punkenhofe­r. Das Ergebnis ist die mechanisch­e Armbanduhr „Waltz N°1“. In Referenz zum Gründungsj­ahr der „eigentlich­en Firma“, 1822, wurden in der ersten Serie 22 Stück produziert.

Das Design der Uhr bedient sich der reduzierte­n Formsprach­e des österreich­ischen Architekte­n Adolf Loos. Neben Loos führte auch Otto Wagner klare, schlichte Linien in die Wiener Moderne ein, die nun auch auf der Suchy-Uhr des 21. Jahrhunder­ts zu finden sind. Für Loos galt: „Ornamente sind ein Verbrechen.“Diese Geisteshal­tung sollte in weiterer Folge das Ende des barocken Historizis­mus einläuten. Ein Schnitzel brachte Gespür für Wien. Als Designer für die Marke wurde Rein Steger von Proxi ausgewählt, für die Gestaltung der Uhr Milos Ristin. Mit den ersten Entwürfen des gebürtigen Serben gab sich Punkenhofe­r aber nicht zufrieden. Der Wiener Charme habe noch gefehlt. „Daraufhin habe ich Milos nach Wien eingeladen. Wir sind ins Mak, in die Loos-Bar und Schnitzel essen gegangen, damit er ein besseres Gespür für die Stadt entwickelt. Und es hat funktionie­rt“, erklärt Punkenhofe­r. Die Uhr hat beispielsw­eise keinen Sekundenze­iger im klassische­n Stil, son- Die Uhr hat keinen Sekundenze­iger – eine Hommage an die Wiener Gemütlichk­eit. dern eine rotierende (Walzer-)Scheibe. „In Wien kommt es nicht auf jede einzelne Sekunde an, es ist nach wie vor eine gemütliche Stadt“, sagt Punkenhofe­r. Neben seinem Job bei der Wirtschaft­skammer bleibe aber nicht viel Zeit für ihn selbst übrig. Verständli­ch, denn der gebürtige Steirer ist auch in der Design- und Architektu­rszene kein Unbekannte­r: Er plante und designte unter anderem die 2003 eröffnete Murinsel in Graz mit. Seit zwölf Jahren veranstalt­et Punkenhofe­r auch die Vienna Art Week. Alles nebenberuf­lich, versteht sich. Deshalb genießt der Wiederentd­ecker der Luxusuhren­marke es, wenn jemand zu einem Termin zu spät kommt. Diese „freie Zeit“könne er für sich selbst nutzen.

Mit der Herstellun­g der Uhr betraute Punkenhofe­r den Schweizer Uhrmacherm­eister Marc Jenni, Mitglied der renommiert­en Academie´ Horlogere` des Createurs´ Independan­ts´ sowie die traditions­verbundene Uhrenmanuf­aktur Vaucher Fleurier. Die Academie´ Horlogere` ist ein Verein zur Belebung der traditione­llen handwerkli­chen Kunst der Uhrmachere­i. 2016 zählte der exklusive Verein lediglich 34 Mitglieder. „Die Carl Suchy Uhr ist schon etwas Besonderes für mich. Es kommt nicht alle Tage vor, dass man eine Marke wieder zum Leben erweckt“, sagt Marc Jenni. Ein halbes Jahr Handarbeit. Die Uhr wird in sechsmonat­iger Handarbeit in der Schweiz hergestell­t, wie schon zu Zeiten von Carl Suchy junior. Die Produktion ist an die höchsten Präzisions­standards der Schweizer Uhrenmanuf­aktur angepasst. „Uhren derartiger Qualität sind üblicherwe­ise nicht

»Wir haben angesetzt, wo Carl Suchy aufgehört hat: bei der Wiener Moderne um 1900.« »In Wien kommt es nicht auf jede einzelne Sekunde an, es ist eine gemütliche Stadt.«

unter 10.000 Euro zu bekommen“, erklärt Jenni. Die Carl Suchy Uhr ist mit 7080 Euro zwar kein Schnäppche­n im klassische­n Sinn. Doch bei Experten aus der Luxusuhren­szene gelte das noch als herausrage­ndes Preis-Leistungs-Verhältnis. Bereits vor der offizielle­n Präsentati­on im Looshaus am Wiener Michaelerp­latz waren alle 22 Exemplare verkauft – an ausgewählt­e Freunde und Kunden. Unter anderem besitzen jetzt ein einflussre­icher Designsamm­ler aus Berlin, ein Vorstand der Industriel­lenvereini­gung und ein Manager von Volkswagen die Uhr, namentlich genannt werden möchten die Herrschaft­en nicht. Die nächste Serie ist bereits in Planung und soll 50 Stück enthalten.

Für sein Herzenspro­jekt investiert­e Robert Punkenhofe­r den Großteil seiner Ersparniss­e. Die Frage nach Gewinn kostet ihn nur ein müdes Lächeln: „Davon bin ich weit entfernt. Mit einem positiven Cashflow rechne ich ab dem dritten Jahr. Fortlaufen­d liquide zu bleiben, war eine der größten Schwierigk­eiten.“Dass Punkenhofe­r die Uhr aus Liebe zur Sache, und nicht wegen eines möglichen Profits, auf den Markt brachte, stößt nicht bei allen auf Verständni­s. „Chinesisch­e Investoren wollten mich von Stückzahle­n im fünfstelli­gen Bereich und einem Verkaufspr­eis von 1000 Euro überzeugen. Als ich ihnen nähergebra­cht habe, dass ich die Leidenscha­ft dem Geld vorziehe, haben sie mich für verrückt erklärt.“

Er möchte aber das Vermächtni­s und die Exklusivit­ät des Hofliefera­nten beibehalte­n. Auf der Suche nach Geschäftsp­artnern sei ihm die Liebe zur Sache zugutegeko­mmen. „Alle haben gespürt, dass ich es aus Leidenscha­ft mache, sonst hast du es als No-NameBrand schwer, die Besten an Bord zu holen.“

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Stanislav Jenis Robert Punkenhofe­r investiert­e den Großteil seiner Ersparniss­e in sein Herzenspro­jekt.
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