Zweite Grüne Revolution?
Herkömmliche Strategien können die Erträge von Nutzpflanzen kaum mehr steigern. Deshalb soll nun die Fotosynthese optimiert werden.
Dass die Menschheit mit ihren derzeit etwa 7,5 Milliarden Mitgliedern sich ernähren kann, und das besser denn je, verdankt sie Pflanzen wie IR8 oder Norin 10. Mit denen wurde der Hunger zurückgedrängt, zuerst in Mexiko, es war das Versuchsfeld für das, was William Gaud, Chef der US-Entwicklungshilfe, 1968 so beschrieb: „Es ist keine gewalttätige Rote Revolution wie in der Sowjetunion. Ich nenne sie die Grüne Revolution.“Die hatte mit der roten durchaus zu tun bzw. mit der Furcht davor: Ihretwegen suchte Mexiko Mitte der 1940er-Jahre einen Ausweg aus seiner Ernährungskrise, ihretwegen schickten die USA Geld und Spezialisten, allen voran Norman Borlaug.
Der machte sich an den Umbau des Grüns auf den Äckern, er kreuzte in Getreide, Mais und Weizen vor allem, Gene ein, die für eine bessere Verwer- tung von Stickstoff sorgten. Das hatte die Nebenwirkung, dass die Halme die Lasten der Körner nicht mehr tragen konnten. Deshalb sorgte Borlaug im zweiten Schritt für ihre Verkürzung, bei Weizen etwa durch Einkreuzen von kurzhalmigen Novin 10, er hatte sich in Japan ganz von allein entwickelt.
Das ließ die Erträge in Mexiko derart in die Höhe schnellen, dass das nächste Hungerland aufmerksam wurde, Indien. Es brauchte Reis, es rief die USA zu Hilfe, die schickten Geld und Borlaug, nun war er mit dabei bei der Entwicklung von IR8, einer Hochleistungssorte, die zudem zwei Ernten im Jahr abwarf. So ging es weiter, vor allem im restlichen Asien, Borlaug erhielt 1968 den Friedensnobelpreis.
Zu der Zeit hatte sich auch die Gegenrechnung herumgesprochen – die Wunderpflanzen brauchten viel Dünger, Pestizide und Wasser, und sie sorgten in der Landwirtschaft für Konzentration, Verlierer waren Kleinbauern –, aber die Vorteile überwogen, sie tun es bis heute. Lang werden sie nicht mehr reichen, die Grüne Revolution ist ausgereizt, zumindest ihre erste Phase ist es. Kann es eine zweite geben, eine in ähnlicher Größenordnung, eine durch Gentechnik? Die Rede ist nicht von mehr oder weniger sinnvollen oder fragwürdigen punktuellen Eingriffen in irgendwelche Nutzpflanzen, die Rede ist von deren großflächigem Umbau.
Der könnte sich an ein frühes Beispiel der Natur anlehnen, da wurde verbessert, was erst die Pflanzen und dann alles andere Leben nährt, die Fotosynthese, in ihr wird, getrieben von Sonnenenergie, aus CO2 und Wasser Nahrung und Biomasse gebaut. Das ursprüngliche Verfahren, es heißt C3, bewährte sich, bis vor 30 Millionen Jahren ein Ausgangsmaterial knapp wurde, das CO2 in der Luft. In ihrer Not schlugen viele Pflanzen „konvergente Evolution“ein, sie entwickelten unabhängig voneinander einen neuen Fotosynthesetyp, C4. Der kommt mit weniger CO2 aus, deshalb auch mit weniger Wasser: Die Stomata – die Poren in der Blattoberfläche, in denen Pflanzen Gase mit der Umwelt austauschen – müssen kürzer offen bleiben. Das spart Wasser, und die Pflanzen ertragen mehr Hitze. Von C3 zu C4. Der neue Typ zieht in das ohnehin komplexe Geschäft der Fotosynthese eine Arbeitsteilung ein, die die Aufnahme von CO2 leichter macht und mit weniger RuBisCO auskommt, das ist das für die Fotosynthese zentrale Enzym. Es ist aufwendig, für seine Herstellung müssen C3-Pflanzen etwa die Hälfte ihrer Energie einsetzen. C4 arbeitet effektiver, lässt rascher wachsen und bringt höhere Erträge, trotzdem blieben die meisten Pflanzen bei C3, auch wichtige Nutzpflanzen wie Reis und Weizen. Wenn man die nur auf C4 umprogrammieren könnte! Theoretisch ginge das, bei C3 liegt alles bereit, was zu C4 gebraucht wird, Bioinformatiker Martin Lerecher (Düsseldorf ) hat es in Simulationen durchgerechnet: Irgendwann wird die Evolution überall aus C3 C4 machen, in Millionen Jahren, man müsste es nur beschleunigen (Cell 153, S. 1579).
Und das ist nicht die einzige Option: C3- und C4-Pflanzen haben ein Problem gemeinsam, das des Lichts. Die Fotosyntheseapparate sind so gebaut, dass sie möglichst viel sammeln, aber zu viel darf es nicht werden, sonst nehmen sie Schaden. Und zu viel kann rasch kommen: Wenn eine Wolke abzieht, erhöht sich die Intensität des Lichts in Sekunden um zwei Größenordnungen. Dann brauchen Pflanzen Schutz – Fotoprotektion –, sie haben mehrere Mechanismen entwickelt: Da wandern etwa die Plasmide, in denen die Fotosynthese läuft, in abgeschattete Regionen der Blätter (Nature 420, S. 829). Und da geht überschüssige Energie umgehend zurück in die Umwelt, sie wird in Wärme umgewandelt. Das heißt NPQ („non-photochemical quenching“, das Fotochemische ist die Verwertung der Energie in der Fotosynthese), die Lösung des einen Problems generiert jedoch ein zweites: Der Schutz kommt rasch, aber er geht gemächlich, Fotosynthese braucht eine halbe Stunde, um wieder auf Touren zu kommen, geschätzte 30 Prozent der potenziellen Erträge gehen so verloren.
Wenn die Sonne nur nicht so oft so stechen würde! 1991 brach auf den Philippinen der Pinatubo aus, seine Wolke – vor allem aus Schwefeldioxid (SO2) – trübte das Licht über der Nord- halkugel, im Folgejahr sanken die Temperaturen um 0,5 Grad. Aber ein Versuchswald der University of Harvard, in dem viel gemessen wurde, gedieh wie nie, seine Fotosyntheserate stieg um 23 Prozent. Das lag vermutlich daran, dass das von der Vulkanwolke gestreute und gemilderte Licht besser verwertet werden konnte (Science 299, S. 2035).
Nun gibt es zwar die Idee, die Menschen selbst sollten den Himmel mit SO2 verdunkeln, zum Klimaschutz, es könnte vielleicht auch den Ernten helfen. Aber die Idee ist wenig ausgegoren und reichlich riskant, und für die Ernten könnte man wohl eher auf der Seite der Pflanzen drehen: Der Mechanismus des NPQ ist so weit bekannt, dass man ihn gentechnisch beeinflussen kann, dahin, dass Pflanzen rascher regenerieren: Krishna Niyogi (Berkeley) und Stephen Long (Lancaster) haben das an Tabak als Modellpflanze versucht, sie haben drei Gene eingebaut, die die Erholung vom NPQ beschleunigen: Das brachte eine Erhöhung der Biomasse um 14 bis 20 Prozent (Science 354, S. 857). Die Forscher testen nun an Weizen und Reis, ob sie das Mirakel dort wiederholen können.
Optimieren in Anlehnung an die Natur: die Effizienz vieler Pflanzen erhöhen. Optimieren über die Natur hinaus: alle Pflanzen rascher auf Touren bringen.