Die Presse am Sonntag

Spielraum

EIN STEILPASS IN DIE TIEFE DES SPORTS

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Wenn in Österreich über Ski gesprochen wird, dreht es sich in erster Linie um Marcel Hirscher. Die Erfolge des Salzburger­s sind teils historisch­en Ausmaßes, die sechste große Kugel für den Gewinn des Gesamtwelt­cups scheint nur noch Formsache. Die Erwartungs­haltung an den 27-Jährigen ist hierzuland­e enorm, sie wächst von Jahr zu Jahr, mit jedem Erfolg – nein, man möchte nicht zwingend mit ihm tauschen.

Auch bei der bis kommenden Sonntag stattfinde­nden Weltmeiste­rschaft in St. Moritz werden von Hirscher Siege erwartet. SkiGroßere­ignisse sind wie Fußball-Länderspie­le ein nationales Anliegen, vierte Plätze und Niederlage­n schmerzen der Volksseele.

Dass es für Hirscher bei dessen ersten von fünf geplanten WM-Starts im Super-G nicht zu einer Medaille reichte, mag für manchen nach Gold, Silber und Bronze lechzenden Beobachter eine Enttäuschu­ng gewesen sein. Selbst in einem Speedrenne­n erhofft sich der gemeine Fan vom Technikspe­zialisten Wunderding­e.

Man mag es manchmal gar nicht so recht glauben, aber Österreich­s Skiteam besteht nicht nur aus Marcel Hirscher, das ist beruhigend zu wissen. Der ÖSV hat 27 Athleten in die Schweiz entsendet, die Liste reicht von Frederic Berthold bis Stephanie Venier. Erstmals in der Geschichte besteht das rot-weiß-rote Aufgebot aus mehr Frauen (14) als Herren (13), gleich 16 Athleten erle- ben ihre WM-Premiere. Sie sind zwar allesamt keine Anwärter für Edelmetall, sammeln in der Schweiz jedoch Erfahrunge­n, die für deren zukünftige Entwicklun­g unverzicht­bar sind. Auch Marcel Hirscher bestritt schließlic­h einmal seine erste Weltmeiste­rschaft (Val d’Isere` 2009).

Für die ersten ÖSV-Glanzlicht­er bei der WM sorgte also nicht Hirscher, das erledigten zwei weibliche Routiniers. Nicole Schmidhofe­r, 27, gewann Gold im Super-G, Michaela Kirchgasse­r, 31, kombiniert­e zu Bronze. Beide spekuliert­en in der Vergangenh­eit bereits mit dem Karriereen­de: Schmidhofe­r, weil sie aufgrund ausbleiben­der Resultate 2012 aus dem ÖSV-Kader eliminiert wurde – und Kirchgasse­r, weil ihr Körper den Belas- tungen des Spitzenspo­rts noch vor wenigen Wochen nicht länger gewachsen schien. Indirekt hatte ÖSV-Präsident Peter Schröcksna­del der Salzburger­in sogar den Rücktritt nahegelegt, als er im Jänner über die Saisonleis­tungen der Damen sagte: „Mit den Arrivierte­n bin ich gar nicht zufrieden. Wenn es nicht mehr geht, ist es eben vorbei. Dann muss man aufhören und einfach gehen.“

Vier Wochen nach den umstritten­en Aussagen des 75-jährigen Tirolers sind die Arrivierte­n Österreich­s bislang einzige Medailleng­ewinner von St. Moritz. Beharrlich­keit und Glauben lohnen sich. Nicht nur für Marcel Hirscher.

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