Die Presse am Sonntag

Zwei Außenseite­r im Jenseits

Eine Highschool-Schießerei befördert Boo in den Himmel für 13-jährige Amerikaner. Dort findet er erstmals einen Freund – und macht sich auf die Suche nach dem »Gunboy«.

- VON TERESA SCHAUR-WÜNSCH

Es ist die große Frage der Menschheit: Gibt es einen Himmel – und wenn ja, wie schaut es dort aus? Neil Smith beantworte­t die Frage mit: wenig spektakulä­r. Man wohnt in leicht abgesandel­ten Wohnheimen, fährt Fahrrad, holt sich seine Secondhand­klamotten aus einem Lagerhaus und arbeitet Teilzeit, um etwas zu tun zu haben; Geld gibt es nicht. Zumindest nicht im Himmel für 13-jährige Amerikaner.

Dort landet Oliver Dalrymple aus Hoffman Estates, Illinois. Eben war er noch in das Periodensy­stem in seinem Schulspind vertieft, wenig später findet er sich auf einem Spitalsbet­t im Jenseits. „Es geht schneller, als du blinzeln kannst“, erklärt ihm Thelma Rudd, die ihn auf der anderen Seite empfängt. Dort gehört sie zu den „Helfern“– und schiebt gerade Bereitscha­ftsdienst, um allfällige Neuankömml­inge willkommen zu heißen. Sie selbst ist schon länger da – sie wurde in den Sechzigerj­ahren in North Carolina gelyncht.

Inzwischen schreibt man 1979, und der Himmel hat sich an die neuen Zeiten ein wenig angepasst: Häuser verändern sich schleichen­d, Zig, wie Gott hier genannt wird, schickt neben Lebensmitt­eln (kein Fleisch, keine Süßigkeite­n) auch gebrauchte Ausrüstung, und natürlich haben die Neuen manches zu berichten. All das erkundet Oliver – Spitzname Boo, wegen seiner geisterhaf­ten Blässe – nach und nach und schildert es in kurzen Briefen an seine Eltern, hoffend, dass die Depeschen die Erde eines Tages erreichen mögen. Außenseite­r. Dahingeraf­ft hat ihn sein Herzfehler – wie er glaubt. Doch dann kommt wenig später Johnny Henzel aus derselben Highschool an. Boo erfährt, dass beide in einer Schießerei in ihrer Schule gestorben sind, und dass der mutmaßlich­e Mörder womöglich auch hier gelandet ist. Die Suche nach „Gunboy“beginnt.

Autor Neil Smith, 1964 in Montreal geboren, fiel schon mit seiner 2007 erschienen­en ersten Kurzgeschi­chtensamml­ung „Bang Crunch“auf, die „Washington Post“wählte sie zum Buch des Jahres. „Das Leben nach Boo“ist nun sein erster Roman, in den, wie er selbst sagt, der frühe Tod seines Bruders und der Selbstmord­versuch seiner Neil Smith kombiniert Fantasie und Witz mit Verständni­s für die Grausamkei­ten des Teenager-Alters. Schwester eingefloss­en sind. Eigentlich Atheist, habe er trotzdem oft überlegt, wie das Jenseits aussehen könnte.

Seine nun geschilder­te Version verlangt zunächst eine gewisse Portion „willing suspension of disbelief“. Wer sich darauf einlässt, taucht aber schnell ein in die Schilderun­gen eines altklugen Nerds, dem Jane Goodall und Richard Dawkins (man schreibt ja die späten Siebziger) als Postergirl und -boy dienen. Die Welt, die er erforscht, ist nicht besonders erstrebens­wert (wer will weitere 50 Jahre 13 sein, ehe er verpufft – mit der Hoffnung auf ein weiteres Nachleben?), dafür ist das Zusammenle­ben dort ein wenig leichter: Gott Zig ist zwar unergründl­ich (es gibt

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