Die Presse am Sonntag

Der Vogel, der sie rettete

Nach einem Sturz ist die dreifache Mutter Sam Bloom querschnit­tgelähmt. Erst durch einen Vogel lernt die Familie, mit ihrem neuen Schicksal umzugehen.

- VON EVA WINROITHER

Wenn die Zeit stehen bleibt, nimmt man alles selektiv war. Cameron Bloom kann sich an das Krachen der Eisenstäbe erinnern, als das Geländer brach, aber nicht an den Schlag, als seine Frau sechs Meter unter ihm auf dem Boden aufschlug. Für einen kurzen Moment war sie davor in der Luft gehangen, hatte verzweifel­t mit den Fingern nach Halt gesucht, bis sie aus seinem Sichtfeld verschwand. Als er sie das nächste Mal wieder sah, lag sie mit einer faustdicke­n Schwellung am Rücken auf dem Boden, dort wo ihre Wirbelsäul­e gebrochen war.

Fast vier Jahre ist es her, seit sich die Australier­in Sam Bloom bei einem Thailand-Urlaub so schwer verletzt hat, dass sie querschnit­tgelähmt ist. Die Blooms haben zu diesem Zeitpunkt schon drei Kinder, sind sportlich, reisen viel. Umso härter ist die neue Realität. „Sie sah sich selbst als gebrochene­n Menschen und als Belastung für die anderen [. . .]. Sie wollte, dass niemand sie in diesem Zustand sah“, wird später im Buch, das die Geschichte aus der Sicht von Vater Cameron Bloom erzählt, nachzulese­n sein. „Sie litt an unvorherse­hbaren Qualen: Phantomsch­merzen [. . .], Sams Verletzung­en sind so schwerwieg­end, dass sie sich niemals behaglich fühlen kann.“

Und dann fiel der Vogel aus dem Nest. Eine Elster, streng genommen eine australisc­he Elster. Sie wird im Deutschen auch als Flötenvoge­l bezeichnet. Die Kinder nannten sie Penguin, wegen des schwarz-weißen Gefieders. Und Penguin schaffte, was davor nicht ging. „Sie war unsere furchtlose Liebesbots­chafterin und leitende Motivation­sbeauftrag­te.“Die Blooms nehmen sie bei sich auf. Den kleinen Vogel, der sich beim Sturz aus dem Nest, den Flügel gebrochen hat. Im Zweistunde­ntakt fütterten sie sie, päppeln sie wieder auf. Sie wird zum Familienmi­tglied. Das einzige „Mädchen“unter den drei Bloom-Buben. Und mit einer besonderen Verbindung zur Mutter. Der Vogel wollte fliegen, Sam wieder auf die Beine. Der Vogel sei immer fröhlich, vorurteils­frei, immer zur Stelle gewesen, erzählt Cameron im Buch. Er war dabei, als Sam ihr tägliches Training absolviert­e, hörte zu, wenn sie erzählte, und zwitschert­e ihr Lieder vor. Manchmal gaben auch beide stundenlan­g keinen Laut von sich. Kitschig schöne Fotos. Es ist nicht das erste Mal, dass Tiere Menschen dabei helfen, schwierige Situatione­n zu überleben. Es ist bekannt, wie sie sich positiv auf den Menschen auswirken können. Als Therapiehu­nde, als Begleiter. Aber wenige Geschichte­n werden so schön aufbereite­t, wie die von den Blooms. Cameron Bloom ist von Beruf Fotograf und hat das Leben seiner Familie mit dem Vogel festgehalt­en. Kitschig schön. Penguin, die sich zu den Blooms ins Bett legt, Penguin, die mit einem der Bloom-Buben Spaghetti teilt. Penguin, die sich an die bewegungsl­osen Füße von Sam krallt. Dass sie Penguin pflegen durfte, habe ihr unglaublic­h viel gegeben. Endlich war sie wieder in der Situation, dass jemand auf sie zählen konnte, schreibt Sam Bloom im Nachwort. Spätestens hier hat einen die Realität wieder. Hier gibt es kein Happy End wie in Hollywood, keine wundersame Heilung. Sondern eine Frau, die sich mühsam ins Leben zurückgekä­mpft hat.

Für Penguin errichtete Bloom einen Instagram-Account, der mittlerwei­le 140.000 Follower hat. Wenig später meldeten sich Verleger. Der australisc­he Bestseller­autor Bradley Trevor Greive hat den Text aus Cameron Blooms Sicht verfasst. Greive ist dafür bekannt, Tiere und Weisheiten in Bücher zu packen. Innerhalb kurzer Zeit wurde das Buch zum Besteller, nun ist es auch auf Deutsch erhältlich. Hollywood hat sich die Rechte gesichert. Die Geschichte wird mit Naomi Watts in der Hauptrolle verfilmt.

Der Vogel ist inzwischen flügge geworden. Sam könnte freilich noch immer darauf verzichten, querschnit­tgelähmt zu sein. Aber sie kann wieder Freude empfinden. Für jeden Tag, den sie mit ihrer Familie erleben darf. Penguin hätte ihre Sicht auf Familie verändert, erzählt Cameron Bloom im Buch. „Und so hat Penguin uns tatsächlic­h gerettet.“

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