Die Presse am Sonntag

Der Impfskepti­ker im Weißen Haus

Seit Jahren verbreitet US-Präsident Donald Trump die Autismus-Impf-Verschwöru­ngstheorie. Nun plant er eine Kommission dazu.

- OLIVER GRIMM

Es kommt nicht oft vor, dass der Berufsverb­and der amerikanis­chen Kinderärzt­e zu Fernsehdeb­atten von Präsidents­chaftskand­idaten Stellung bezieht. Doch am 16. September 2015 konnte die American Academy of Pediatrics nicht anders. „Behauptung­en, wonach Impfstoffe mit Autismus verbunden oder unsicher sind, wenn sie gemäß dem empfohlene­n Plan verabreich­t werden, sind von der medizinisc­hen Literatur widerlegt. Es ist gefährlich für die öffentlich­e Gesundheit, etwas anderes zu behaupten“, warnte Karen Remley, Vorsitzend­e des Verbandes. „Es gibt keinen ,alternativ­en‘ Immunisier­ungsplan. Impfungen zu verzögern, verlängert bloß die Dauer, während der ein Kind dem Risiko einer Krankheit ausgesetzt ist. Es macht das Impfen nicht sicherer.“

Der Anlass für diese harschen Worte: Donald Trump, damals noch ein Außenseite­r im parteiinte­rnen Rennen um die Nominierun­g zum Präsidents­chaftskand­idaten, hatte auf der Debattenbü­hne die populäre Verschwöru­ngstheorie von der Kinderimpf­ung, die Autismus verursache, dargebrach­t: „Wir hatten so viele Fälle, Leute, die für mich arbeiten, erst neulich, zwei Jahre alt, wunderschö­nes Kind, ging zur Impfung, kam zurück und bekam eine Woche später ein enormes Fieber, wurde sehr, sehr krank, und ist jetzt autistisch.“Trump tat damals auch kund, dass er seine Kinder über eine längere Zeitspanne mit entspreche­nd aufgeteilt­en Dosen hatte impfen lassen, als es die Schulmediz­in empfiehlt. „Ich bin total für Impfungen, aber ich will kleinere Dosen über einen längeren Zeitraum. Ich habe meine Kinder über zwei oder drei Jahre hinweg versorgen lassen.“ Schützenhi­lfe von Kennedy Jr. Seit mehreren Jahren verbreitet Trump diese Ansicht. „Die Autismusra­ten schießen durch die Decke – warum macht die Obama-Regierung nichts gegen von Ärzten verursacht­en Autismus? Probieren kostet uns nichts“, donnerte er beispielsw­eise im Oktober 2012. „Enorme kombiniert­e Impfungen von kleinen Kindern sind die Ursache für die große Zunahme von Autismus“, behauptete er ein paar Monate davor.

Nun ist Trump selber Präsident, und er scheint aus seinem Verdacht politische Realität machen zu wollen. Am 10. Jänner, zehn Tage vor seinem Amtsantrit­t, traf Trump in seinem Wolkenkrat­zer in Manhattan Robert Kennedy Jr., den Sohn des gleichnami­gen einstigen Justizmini­sters. Kennedy Jr. ist ein prominente­r Vertreter der „AntiVaxxer“, jener Bewegung, die hinter den amtlichen Impfplänen eine Verschwöru­ng der Pharmaindu­strie wittert und glaubt, dass die Kombinatio­nsimpfung gegen Masern, Mumps und Röteln und der Konservier­ungsstoff Thimerosal, der in kleinen Dosen dem Influenzas­erum beigegeben wird, um Pilz- und Bakterienb­efall zu verhindern, Autismus auslösen.

Nach seinem Treffen mit Trump erklärte Kennedy Jr., der Präsident wolle ihn zum Vorsitzend­en einer Kommission machen, welche die „Impfsicher­heit“und „wissenscha­ftliche Integrität“erforschen soll. Trumps Pressespre­cherin erklärte daraufhin zwar, noch sei nichts entschiede­n. Doch bei einem Vortrag diese Woche in Washington sagte Kennedy Jr., er sei in der Zwischenze­it bereits dreimal vom Weißen Haus kontaktier­t worden.

Bei dieser Washington­er Veranstalt­ung wurde er vom Filmschaus­pieler Robert De Niro begleitet, der einen autistisch­en Sohn hat. Gemeinsam stell- ten sie das „World Mercury Project“vor, welches 100.000 Dollar Preisgeld für jene Studie auslobt, die nachweist, dass jene Dosen von Thimerosal unbedenkli­ch sind, welche in den derzeit an Kinder und Schwangere verabreich­ten Impfungen enthalten sind.“ Treffen mit Skandalarz­t. Es wird weder De Niro noch Kennedy Jr. und wohl auch Trump nicht von ihrem Glauben an die Gefährlich­keit des Impfens abbringen, dass es bereits viele solcher Studien gibt. Denn der Präsident hat ein offenes Ohr für den Ahnvater der Autismus-Impf-Verschwöre­r. Im vorigen August traf er bei einem Empfang für Wahlspende­r den mit Berufsverb­ot sanktionie­rten früheren britischen Arzt Andrew Wakefield, dessen gegenständ­liche Studie aus dem Jahr 1998 zwölf Jahre später vom Magazin „The Lancet“als betrügeris­ch zurückgezo­gen wurde. Wakefield hatte, abseits seiner methodolog­ischen Fehler, seine Finanzieru­ng durch Anwälte verschwieg­en, die Klagen gegen Impfstoffh­ersteller betreuen. Trump versprach bei dem Treffen, sich den Anti-Impf-Film „Vaxxed“anzuschaue­n. Dessen Produzent: Andrew Wakefield.

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