Der Impfskeptiker im Weißen Haus
Seit Jahren verbreitet US-Präsident Donald Trump die Autismus-Impf-Verschwörungstheorie. Nun plant er eine Kommission dazu.
Es kommt nicht oft vor, dass der Berufsverband der amerikanischen Kinderärzte zu Fernsehdebatten von Präsidentschaftskandidaten Stellung bezieht. Doch am 16. September 2015 konnte die American Academy of Pediatrics nicht anders. „Behauptungen, wonach Impfstoffe mit Autismus verbunden oder unsicher sind, wenn sie gemäß dem empfohlenen Plan verabreicht werden, sind von der medizinischen Literatur widerlegt. Es ist gefährlich für die öffentliche Gesundheit, etwas anderes zu behaupten“, warnte Karen Remley, Vorsitzende des Verbandes. „Es gibt keinen ,alternativen‘ Immunisierungsplan. Impfungen zu verzögern, verlängert bloß die Dauer, während der ein Kind dem Risiko einer Krankheit ausgesetzt ist. Es macht das Impfen nicht sicherer.“
Der Anlass für diese harschen Worte: Donald Trump, damals noch ein Außenseiter im parteiinternen Rennen um die Nominierung zum Präsidentschaftskandidaten, hatte auf der Debattenbühne die populäre Verschwörungstheorie von der Kinderimpfung, die Autismus verursache, dargebracht: „Wir hatten so viele Fälle, Leute, die für mich arbeiten, erst neulich, zwei Jahre alt, wunderschönes Kind, ging zur Impfung, kam zurück und bekam eine Woche später ein enormes Fieber, wurde sehr, sehr krank, und ist jetzt autistisch.“Trump tat damals auch kund, dass er seine Kinder über eine längere Zeitspanne mit entsprechend aufgeteilten Dosen hatte impfen lassen, als es die Schulmedizin empfiehlt. „Ich bin total für Impfungen, aber ich will kleinere Dosen über einen längeren Zeitraum. Ich habe meine Kinder über zwei oder drei Jahre hinweg versorgen lassen.“ Schützenhilfe von Kennedy Jr. Seit mehreren Jahren verbreitet Trump diese Ansicht. „Die Autismusraten schießen durch die Decke – warum macht die Obama-Regierung nichts gegen von Ärzten verursachten Autismus? Probieren kostet uns nichts“, donnerte er beispielsweise im Oktober 2012. „Enorme kombinierte Impfungen von kleinen Kindern sind die Ursache für die große Zunahme von Autismus“, behauptete er ein paar Monate davor.
Nun ist Trump selber Präsident, und er scheint aus seinem Verdacht politische Realität machen zu wollen. Am 10. Jänner, zehn Tage vor seinem Amtsantritt, traf Trump in seinem Wolkenkratzer in Manhattan Robert Kennedy Jr., den Sohn des gleichnamigen einstigen Justizministers. Kennedy Jr. ist ein prominenter Vertreter der „AntiVaxxer“, jener Bewegung, die hinter den amtlichen Impfplänen eine Verschwörung der Pharmaindustrie wittert und glaubt, dass die Kombinationsimpfung gegen Masern, Mumps und Röteln und der Konservierungsstoff Thimerosal, der in kleinen Dosen dem Influenzaserum beigegeben wird, um Pilz- und Bakterienbefall zu verhindern, Autismus auslösen.
Nach seinem Treffen mit Trump erklärte Kennedy Jr., der Präsident wolle ihn zum Vorsitzenden einer Kommission machen, welche die „Impfsicherheit“und „wissenschaftliche Integrität“erforschen soll. Trumps Pressesprecherin erklärte daraufhin zwar, noch sei nichts entschieden. Doch bei einem Vortrag diese Woche in Washington sagte Kennedy Jr., er sei in der Zwischenzeit bereits dreimal vom Weißen Haus kontaktiert worden.
Bei dieser Washingtoner Veranstaltung wurde er vom Filmschauspieler Robert De Niro begleitet, der einen autistischen Sohn hat. Gemeinsam stell- ten sie das „World Mercury Project“vor, welches 100.000 Dollar Preisgeld für jene Studie auslobt, die nachweist, dass jene Dosen von Thimerosal unbedenklich sind, welche in den derzeit an Kinder und Schwangere verabreichten Impfungen enthalten sind.“ Treffen mit Skandalarzt. Es wird weder De Niro noch Kennedy Jr. und wohl auch Trump nicht von ihrem Glauben an die Gefährlichkeit des Impfens abbringen, dass es bereits viele solcher Studien gibt. Denn der Präsident hat ein offenes Ohr für den Ahnvater der Autismus-Impf-Verschwörer. Im vorigen August traf er bei einem Empfang für Wahlspender den mit Berufsverbot sanktionierten früheren britischen Arzt Andrew Wakefield, dessen gegenständliche Studie aus dem Jahr 1998 zwölf Jahre später vom Magazin „The Lancet“als betrügerisch zurückgezogen wurde. Wakefield hatte, abseits seiner methodologischen Fehler, seine Finanzierung durch Anwälte verschwiegen, die Klagen gegen Impfstoffhersteller betreuen. Trump versprach bei dem Treffen, sich den Anti-Impf-Film „Vaxxed“anzuschauen. Dessen Produzent: Andrew Wakefield.