»Kern will die Themen an sich ziehen«
Reinhold Mitterlehner verwahrt sich gegen »Maßregelungen durch den Bundeskanzler«, weist aber auch Wolfgang Sobotka in die Schranken. Sich mit der FPÖ und ihren Themen zu messen sei richtig, sagt der ÖVP-Obmann.
Wollen wir zu Beginn über den Kanzler reden: In der ÖVP heißt es, selbst Sie seien mittlerweile genervt von Christian Kern. Reinhold Mitterlehner: Genervt ist das falsche Wort. Aber die Konstellation ist die, dass wir eine Bundesregierung mit zwei fast gleich starken Partnern haben. Und nicht eine Alleinregierung, die eine Art Generaldirektor hat, der das Unternehmen Österreich führt. Man muss die Abstimmung und das gesamte Vorgehen partnerschaftlicher ausrichten. Und das wünschen wir uns auch vom Bundeskanzler. Dass man uns etwa bei der Präzisierung der Spielregeln für das Demonstrationsrecht ausrichtet, über das Thema reden wir nicht, das ist kein partnerschaftlicher Zugang. Oder der Zugang, dass Ressortverantwortlichkeiten nicht akzeptiert werden: Für Außenpolitik und Europa-Positionen ist der Außenund Europaminister zuständig ist, und dieser heißt Sebastian Kurz. Und daher kann auch nicht der Herr Leichtfried den Plan für Europa entwickeln. Im Endeffekt ist die Regierungslinie gemeinsam abzustimmen. Und warum ist das alles so, glauben Sie? Weil ein Teil der Inszenierung anscheinend deswegen notwendig scheint, weil der Bundeskanzler bei uns keine Richtlinienkompetenz wie in Deutschland hat und Kern ganz offensichtlich da und dort die Themen an sich ziehen will. Und was uns da noch befremdlich vorkommt: Es gibt nicht einen Erziehungsbeauftragten der Regierung, der Fehlverhalten kommentiert und Urteile trifft. Wo tut Kern das, den Oberlehrer spielen? In diversen Interviews zum Beispiel. Wenn er Respekt und gute Umgangsformen einmahnt. Der Reibebaum für die SPÖ ist derzeit Wolfgang Sobotka. Hat er es nicht auch selbst darauf angelegt? Auch wir sehen selbstverständlich die Notwendigkeit, die Sprechweise an den Erfordernissen auszurichten, die für die Regierungsarbeit unumgänglich sind. Zugleich sollten bestimmte persönliche Maßregelungen durch den Bundeskanzler in dem Zusammenhang ebenfalls nicht stattfinden. Das ist aber keine Einbahnstraße, dass wir nur vom anderen etwas fordern. Wir sind auch im eigenen Bereich bemüht, derartige Dinge anzusprechen und abzustellen. Also auch Innenminister Sobotka wird seine Wortwahl mäßigen müssen. In dem Zusammenhang: Ja. In der Sache stimme ich mit ihm absolut überein. Was lernen wir aus der Niederlande-Wahl? Es gibt zwei Tendenzen. Die eine ist: Der Peak des Populismus ist offensichtlich erreicht. Das hat schon mit Trump begonnen, weniger mit seiner Wahl als mit seinem Verhalten als Präsident. Nur Ansagen in den Medien können Politik im sachlichen Sinn nicht ersetzen. Und das andere ist: Die These, der Wähler geht lieber zum Schmied als zum Schmiedl, hat sich als falsch herausgestellt. Übertragen auf uns heißt das: Im Bereich Sicherheitspolitik, Integrationspolitik liegen wir in unserem Weg, uns mit den Freiheitlichen messen zu wollen, richtig. Nur haben wir die besseren Konzepte. Das heißt, wenn man die Themen der Rechtspopulisten übernimmt, kann man ihnen das Wasser abgraben? Es geht darum, dass man die Sorgen und Ängste der Bürger übernimmt. Und dann rechtsstaatlich ausgewogene, aber klare Lösungen anbietet. Beispiel: Sorgfältige Vorgangsweise rund um das Thema Überwachung, um Terrorismus und andere Bedrohungen zu verhindern.