Die Presse am Sonntag

»Kern will die Themen an sich ziehen«

Reinhold Mitterlehn­er verwahrt sich gegen »Maßregelun­gen durch den Bundeskanz­ler«, weist aber auch Wolfgang Sobotka in die Schranken. Sich mit der FPÖ und ihren Themen zu messen sei richtig, sagt der ÖVP-Obmann.

- VON OLIVER PINK

Wollen wir zu Beginn über den Kanzler reden: In der ÖVP heißt es, selbst Sie seien mittlerwei­le genervt von Christian Kern. Reinhold Mitterlehn­er: Genervt ist das falsche Wort. Aber die Konstellat­ion ist die, dass wir eine Bundesregi­erung mit zwei fast gleich starken Partnern haben. Und nicht eine Alleinregi­erung, die eine Art Generaldir­ektor hat, der das Unternehme­n Österreich führt. Man muss die Abstimmung und das gesamte Vorgehen partnersch­aftlicher ausrichten. Und das wünschen wir uns auch vom Bundeskanz­ler. Dass man uns etwa bei der Präzisieru­ng der Spielregel­n für das Demonstrat­ionsrecht ausrichtet, über das Thema reden wir nicht, das ist kein partnersch­aftlicher Zugang. Oder der Zugang, dass Ressortver­antwortlic­hkeiten nicht akzeptiert werden: Für Außenpolit­ik und Europa-Positionen ist der Außenund Europamini­ster zuständig ist, und dieser heißt Sebastian Kurz. Und daher kann auch nicht der Herr Leichtfrie­d den Plan für Europa entwickeln. Im Endeffekt ist die Regierungs­linie gemeinsam abzustimme­n. Und warum ist das alles so, glauben Sie? Weil ein Teil der Inszenieru­ng anscheinen­d deswegen notwendig scheint, weil der Bundeskanz­ler bei uns keine Richtlinie­nkompetenz wie in Deutschlan­d hat und Kern ganz offensicht­lich da und dort die Themen an sich ziehen will. Und was uns da noch befremdlic­h vorkommt: Es gibt nicht einen Erziehungs­beauftragt­en der Regierung, der Fehlverhal­ten kommentier­t und Urteile trifft. Wo tut Kern das, den Oberlehrer spielen? In diversen Interviews zum Beispiel. Wenn er Respekt und gute Umgangsfor­men einmahnt. Der Reibebaum für die SPÖ ist derzeit Wolfgang Sobotka. Hat er es nicht auch selbst darauf angelegt? Auch wir sehen selbstvers­tändlich die Notwendigk­eit, die Sprechweis­e an den Erforderni­ssen auszuricht­en, die für die Regierungs­arbeit unumgängli­ch sind. Zugleich sollten bestimmte persönlich­e Maßregelun­gen durch den Bundeskanz­ler in dem Zusammenha­ng ebenfalls nicht stattfinde­n. Das ist aber keine Einbahnstr­aße, dass wir nur vom anderen etwas fordern. Wir sind auch im eigenen Bereich bemüht, derartige Dinge anzusprech­en und abzustelle­n. Also auch Innenminis­ter Sobotka wird seine Wortwahl mäßigen müssen. In dem Zusammenha­ng: Ja. In der Sache stimme ich mit ihm absolut überein. Was lernen wir aus der Niederland­e-Wahl? Es gibt zwei Tendenzen. Die eine ist: Der Peak des Populismus ist offensicht­lich erreicht. Das hat schon mit Trump begonnen, weniger mit seiner Wahl als mit seinem Verhalten als Präsident. Nur Ansagen in den Medien können Politik im sachlichen Sinn nicht ersetzen. Und das andere ist: Die These, der Wähler geht lieber zum Schmied als zum Schmiedl, hat sich als falsch herausgest­ellt. Übertragen auf uns heißt das: Im Bereich Sicherheit­spolitik, Integratio­nspolitik liegen wir in unserem Weg, uns mit den Freiheitli­chen messen zu wollen, richtig. Nur haben wir die besseren Konzepte. Das heißt, wenn man die Themen der Rechtspopu­listen übernimmt, kann man ihnen das Wasser abgraben? Es geht darum, dass man die Sorgen und Ängste der Bürger übernimmt. Und dann rechtsstaa­tlich ausgewogen­e, aber klare Lösungen anbietet. Beispiel: Sorgfältig­e Vorgangswe­ise rund um das Thema Überwachun­g, um Terrorismu­s und andere Bedrohunge­n zu verhindern.

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Clemens Fabry Reinhold Mitterlehn­er: „Kurz und ich gehen inhaltlich sehr koordinier­t miteinande­r vor.“ Eine Erkenntnis aus den Niederland­en – und eben nicht nur von dort – ist auch, dass die Sozialdemo­kratie in Europa ihre beste Zeit möglicherw­eise hinter sich zu...

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