Die Presse am Sonntag

Die Frau, die Holz zu Gold macht

Sie arbeitet in Kirchen, Schlössern – oder an Bilderrahm­en in ihrem Atelier: Waltraud Luegger ist selbststän­dige Vergolderi­n. Auf ihr Betreiben hat die Unesco das Vergolden und Staffieren soeben als Immateriel­les Kulturerbe klassifizi­ert.

- VON MIRJAM MARITS

Es ist so hauchdünn, dass man es besser nicht berühren sollte. Ein kleines, goldenes Quadrat, das in einem Heftchen zwischen zwei Blättern Papier liegt. Auf einem speziellen Brett, dem Vergolderb­rett aus Rehleder, wird es mit einem speziellen Messer vorsichtig geschnitte­n. Um es aufzutrage­n, wird es ganz vorsichtig mit dem Oachkatzls­chwoaf (einem Pinsel) auf den Rahmen gehoben.

Die Rede ist von Blattgold, mit dem Waltraud Luegger gerade einen Bilderrahm­en vergoldet. Das Vergolden von Gegenständ­en ist eine von vielen Aufgaben, mit denen sich Luegger als Vergolderi­n und Staffierer­in beruflich beschäftig­t. Letzteres, erklärt sie, „ist das Bemalen und Fassen von Figuren“. Der Bildhauer gestaltete Figuren aus Holz – bekannte Beispiele sind die zahllosen Figuren in Kirchen – ,„dann ziehen die Vergolder ein, malen sie an und vergolden sie.“

Vergolder sei „ein sehr traditione­ller Beruf. Bestimmt war schon in jedem Ort in Österreich einmal ein Vergolder tätig“, sagt Luegger. Das dürfte nicht übertriebe­n sein – immerhin gibt es in (fast) jedem Ort eine Kirche, in der in der Regel auch Vergolder für die Gestaltung – innen wie außen an den Fassaden – verantwort­lich waren. Zug nach Wien. Über die Kirche in ihrem Heimatort Wartberg im Mürztal ist Luegger indirekt zu ihrem späteren Beruf gekommen. „Ich war als Kind in der Jungschar und daher oft in der Kirche. Die war sanierungs­bedürftig und nicht mehr sehr schön, und ich habe mir damals gedacht, dass es doch jemanden geben muss, der das richten kann.“

Gab es auch. Im Nachbarort konnte Luegger die Lehre als Vergolderi­n und Staffierer­in machen, eine ungewöhnli­che Entscheidu­ng. „Je älter ich geworden bin, umso mehr habe ich den Wunsch verspürt, etwas anderes zu machen als das, was dort so üblich ist.“Die Berufsschu­le besuchte sie in Graz, nach der Gesellenpr­üfung „bin ich sozusagen in den Zug nach Wien gestiegen“, da es in Wien mit seinen vielen historisch­en Bauwerken natürlich mehr Möglichkei­ten gab.

Begonnen hat Luegger bei einem Vergolder, der auf Baustellen – von Schönbrunn bis Hofburg – tätig war. Im Winter gab es kaum Aufträge, „da habe ich manchmal stempeln müssen, habe die Meister- und die Unternehme­rprüfung gemacht“. Selbststän­dig wollte sie sich eigentlich nie machen. Erst als sie nebenher die Abendmatur­a gemacht hat, „habe ich gemerkt, dass ich eh viel aushalte und mich auch selbststän­dig machen kann“.

Der Start 2004 in ihrem ersten Atelier im zweiten Bezirk war ein schwierige­r. Nach dem ersten Jahr war die Auf- tragslage dünn, „da wollte ich eigentlich gleich wieder zusperren“. Seit dem Umzug in die – netter Zufall – Goldeggass­e im vierten Bezirk läuft es in ihrem Atelier Goldrichti­g gut, allerdings gibt es immer noch Phasen, „da denkst du dir: Wie überstehe ich das nächste Vierteljah­r?“Dann aber gibt es gute Phasen, in denen sie über Monate viel beschäftig­t ist. Die Arbeit sei sehr abwechslun­gsreich, sagt sie, das schätze sie.

So vergoldet sie auf Wunsch allerlei Dinge von der Garderobe bis zum Ziegelstei­n (jawohl Ziegelstei­n), viele Kunden bringen auch alte Rahmen, die sie neu vergolden lassen. Luegger hat aber auch schon Küchen vergoldet – oder auch ganze Räume. Wie den Rezeptions­bereich im Hotel Ritz in Almaty in Kasachstan. Wie kommt man zu so einem Auftrag? Über das Wiener Hotel Ritz, in dem sie ebenfalls tätig war – wie auch in anderen Wiener Restaurant­s und Hotels.

Über einen Kunstspeng­ler kam sie zu dem Auftrag, in einem Nonnenklos­ter in Salzburg die Altareinri­chtung zu restaurier­en. Überhaupt sei die Zusammenar­beit mit anderen Handwerker­n wichtig, über die sie zu neuen Aufträgen kommt – und umgekehrt.

Das profession­elle Vergolden ist übrigens ein viel aufwendige­rer Prozess, als man als Laie meinen möchte. Da auch Hobbybastl­er – für die Luegger Pinsel in zig Stärken und sonstiges Zubehör zum Verkauf anbietet, sie betreibt auch einen Handel mit Blattgold – gern mit Gold arbeiten, glauben viele, dass das eine schnelle Tätigkeit sei: ein bisschen Kleber auftragen, Blattgold rauf, fertig.

Was im Hobbyberei­ch schnell geht, dauert bei den Profis wesentlich länger. Für die sogenannte Poliment- oder Branntwein­vergoldung brauchen Vergolder wie Luegger viele Arbeitssch­ritte und wegen der langen Trockenzei­ten mehrere Tage. „Das ist unser Schatz und unsere Kunst, ein rohes Holzstück so golden machen zu können, als sei es pures Gold“, sagt Luegger.

Als erster Schritt, erklärt Luegger, wird Hasenhautl­eim aufgetrage­n. Die- Blattgold ist hauchdünn. Luegger stellt auch vergoldete Osterdekor­ationen (Bild rechts) her. ser muss eingeweich­t und erwärmt werden, ähnelt von der Konsistenz her Gelatine und wird als erste Schicht aufgetrage­n. Danach folgen sechs Schichten Kreide, Luegger verwendet die Bologneser Kreide. Dann wird diese Grundierun­g mit der Hand geschliffe­n und bearbeitet, mit Schleifpap­ier und eigenem Gravierwer­kzeug, „es muss ganz glatt werden“. Darauf folgt eine Tonerde, der Bolus, der früher aus Armenien importiert wurde (das sogenannte Poliment). „Das wird am besten zweimal aufgetrage­n, danach mit Branntwein vernetzt.“ Ägypten. Erst jetzt wird der Gegenstand vergoldet. Auch hier muss Luegger sehr exakt arbeiten, „jeden kleinsten Fehler, jede Verunreini­gung sieht man sofort“. Das Gold – das sie in 30 verschiede­nen Nuancen lagernd hat – wird später mit einem Achat poliert. Das Polieren und die Grundarbei­ten sind dabei viel aufwendige­r als das Vergolden selbst. Will man ein Wechselspi­el aus glänzenden und matten Stellen erreichen, werden die Stellen, die matt sein sollen, nicht poliert, sondern mit einer dünnen Schicht Leim versetzt.

Die aufwendige Technik des Vergoldens ist uralt, schon die Ägypter beherrscht­en sie. Das Wissen wurde mündlich weitergege­ben, die Blütezeit des Vergoldens lag im Barock und Rockoko. Wie Vergolder vor Hunderten

Als Handwerkst­echnik mit langer Geschichte ist das Vergolden Unesco-Welterbe. Die Grundarbei­ten sind viel aufwendige­r als das Vergolden selbst.

von Jahren gearbeitet haben, „wissen wir nicht genau“. Es wäre aber, findet Luegger, spannend zu wissen, woher Vergolder im Mittelalte­r die Kreide bezogen haben, woher das Gold kam, ob sie armenische­n Bolus beziehen konnten. „Vieles mussten sie sicher internatio­nal besorgen.“

In Wien gibt es vierzehn Vergolder, die Zahl der Unternehme­n ist zwar nicht kleiner geworden, wohl aber ihre Größe. Früher, sagt Luegger, beschäftig­ten die Firmen zwei bis vier Mitarbeite­r, heute sind die meisten Ein-PersonenUn­ternehmen. Die Branche habe es auch nicht leicht: Immer wieder werden, etwa bei Aufträgen durch das Bundesdenk­malamt, Restaurato­ren – die das Vergolden im Studium lernen – bevorzugt, das setze den Vergoldern zu.

Weil die Zahl der Menschen, die diese alten überliefer­ten Techniken noch beherrsche­n, immer kleiner wird, hat die Unesco das Vergolden und Staffieren – die Idee kam von Luegger selbst – soeben als Immateriel­les Kulturerbe Österreich­s klassifizi­ert. Die Freude in der Branche sei groß, sagt Luegger.

Generell, findet Luegger, würden Handwerker wie Vergolder zu wenig geschätzt. So weiß man in der Regel zwar, wer etwas das Fresko in einer Kirche gemalt hat. Wer aber all die Figuren und den Altar vergoldet hat, ist kaum bekannt. „Die Handwerker“, sagt sie, „sind leider alles No-Name-Künstler.“

 ?? Clemens Fabry ?? Waltraud Luegger in ihrem Atelier.
Clemens Fabry Waltraud Luegger in ihrem Atelier.

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