Wo der olympische Gedanke
360 Grad Österreich. In der Steiermark finden bis Freitag die Special Olympics statt. 2700 Athleten mit intellektueller Beeinträchtigung messen sich in neun Sportarten – und zeigen, dass auch die Profis noch etwas lernen können.
So muss Sport sein. Alois hat gerade ausgesprochen langsam die Ziellinie überquert, aber er jubelt über diese Leistung, als hätte er eben einen neuen Weltrekord aufgestellt. Er reißt die Arme hoch, lacht über das ganze Gesicht und stapft mit beiden Beinen, so gut es eben mit Alpinski geht. Das sind ehrliche Emotionen, die man im Sport üblicherweise nur noch sieht, wenn jemand Bestzeit gefahren ist.
Bestzeit war es zweifellos nicht – „er hat das schon schneller geschafft“, flüstert sein Betreuer –, aber der Jugendliche hat eben eine bemerkenswerte Leistung vollbracht: Er ist durch acht Tore gefahren und hat keines ausgelassen, auch wenn er bei einem kurze Zeit gestanden ist und gezögert hat.
Alois ist mental beeinträchtigt. Nach den Kriterien der American Association of Intellectual and Developmental Disabilities heißt das, sein Intelligenzquotient liegt unter 70 bis 75, er hat Defizite bei zwei oder mehr Fähigkeiten des adaptiven Verhaltens (darunter beispielsweise Kommunikation, Selbstversorgung, soziale Fähigkeiten, Arbeit), und die Beeinträchtigungen haben sich bereits vor seinem 18. Lebensjahr gezeigt.
Deswegen ist er aber kein Athlet unter Anführungszeichen und deswegen ist seine Leistung hier beim Schwaigerlift auch nicht geringer einzuschätzen, als wenn Marcel Hirscher in Kitzbühel im zweiten Durchgang seinen Rückstand vom ersten Durchgang aufholt und am Ende das Rennen mit deutlichem Vorsprung gewinnt. Was Alois hier eben geleistet hat, entspricht ungefähr dem Husarenritt Hirschers im Jänner. 2700 Sportler, 107 Nationen. An diesem Tag findet die Einteilung der 2700 Sportler mit intellektueller Beeinträchtigung statt, die aus 107 Nationen zu den Special Olympics nach Schladming, Ramsau und Graz gekommen sind. Bereits zum zweiten Mal nach 1993 ist Österreich Gastgeber der Winterspiele. Die Bewerbe beginnen heute, Sonntag, und dauern bis kommenden Freitag. Die Athleten messen sich in neun Sportarten – vom Skifahren über den Schneeschuhlauf bis zum Eiskunstlauf.
Die Einteilung der Sportler erfolgt nach drei Leistungsgruppen – Anfänger, Fortgeschrittene, Könner –, zum Teil auch nach dem Grad der Beeinträchtigung. Beim Eiskunstlauf gibt es sechs Levels, von eins (schwerste Beeinträchtigung) bis sechs (geringste).
Wolf.
Dass der Wolf wieder da ist, weiß man. Was das in der Praxis für Jagd und Landwirtschaft bedeutet, nicht.
Anna-Sophie Friedl ist Könnerin und eine Multiathletin. Die Oberösterreicherin aus Pichl bei Wels, die mit Downsyndrom zur Welt gekommen ist, hat bereits bei den Sommerspielen in Los Angeles 2015 Goldmedaillen im Brustschwimmen über 100 und 200 Meter gewonnen. In Schladming tritt sie im Slalom und im Riesentorlauf an. „Das ist okay“, meint sie zu ihrer Zeit beim Vorlauf am Freitag. 21,98 Sekunden sind in ihrer Klasse mehr als okay.
Die 20-Jährige hat die Fachschule für wirtschaftliche Berufe in Linz besucht und arbeitet jetzt im Verein „Brücken bauen“mit, der im kommenden Jahr die Special-Olympics-Sommerspiele für Österreich in Vöcklabruck organisiert. Ski fährt sie, seit sie dreieinhalb Jahre alt ist. Ihr Vater, Thomas, hat mit ihr in den vergangenen Jahren trainiert, und das hat oft lange Fahrten bis in die Skigebiete bedeutet.
„Das Aufstehen manchmal um sechs Uhr war schon anstrengend“, sagt Anna-Sophie, auf deren rosarotem Helm Hans Knauß, Renate Götschl und Marcel Hirscher unterschrieben haben. Was sie denn von den Profis ge- lernt habe, wie müsse man den Slalom fahren, um so erfolgreich zu sein wie Hirscher? „Schnell“, antwortet AnnaSophie trocken. Ein großes Ziel für Schladming hat die 20-Jährige nicht. Ein Podestplatz? „Vielleicht.“Wichtiger sei ihr, dass sie dabei sei.
Olympische Spiele bedeuten auch immer, dass es Verlierer geben muss. Man kennt die Bilder von Sportlern, die im Zielraum wütend die Skistöcke
Bereits zum zweiten Mal nach 1993 ist Österreich Gastgeber der Special Olympics. Vater Thomas Friedl hat mit ihr in den vergangenen Jahren für die Winterspiele trainiert.
gegen die Bande hauen, weil sie eine Medaille um ein paar Hundertstelsekunden verpasst haben.
In Schladming und Graz bedeuten die Special Olympics, dass es Sieger geben muss. „Lasst mich gewinnen! Aber wenn ich nicht gewinnen kann, dann lasst es mich mutig versuchen“lautet der Eid, den die Athleten zu Beginn der Spiele ablegen. Es ist eine Aufforde-