Wasserballett mit Stöckelschuhen
Nadine Brandl taucht in der Las-Vegas-Show »Le Rˆeve« als Artistin nach ihrem Glück. Die Wienerin, 27, entsprang einer großen Wassersportdynastie, ihre Mutter tanzte mit Nurejew.
Welcome to Las Vegas!“Wer kennt es nicht, das bunt leuchtende Schild auf dem Mittelstreifen des Boulevard? Es empfängt seit 1959 die Besucher der Glücksspielmetropole, die inmitten der Nevada-Wüste thront, mit Shows, Entertainment und Luxushotels Weltruhm erlangte und in den USA für ihre Freizügigkeit geliebt wird. Hier wird getrunken, geraucht und gespielt, faszinieren die Wasserspiele vor dem Bellagio, steht ein Eiffelturm, ragt eine Pyramide empor. Las Vegas ist die Vergnügungsstadt im Land der unbegrenzten Möglichkeiten – und hier taucht Nadine Brandl seit knapp einem halben Jahr ein, um ihr Glück zu finden.
Der Wienerin, 27, ist das Wasser quasi in die Wiege gespült worden. Sie entsprang der Wasserdynastie Worisch. Ihre Tante war Synchronschwimmerin, Oma und Onkel Turmspringer. Aber, dieses Detail ist markant: Ihre Mutter tanzte an der Staatsoper einst mit Ballettikone Rudolf Nurejew. Show, Musik und Wasser, das ist ihre Symbiose. „Mich hat die Oma ins Bad mitgenommen“, erzählt sie der „Presse am Sonntag“, im Becken fühlte sie sich zuhause. Tauchen und Schwimmen wurden Lebensinhalt, mit elf begann sie im Union-Klub mit dem Synchronschwimmen. 15 Jahre später beendete sie ihre Sportkarriere, die sie rund um den Erdball zu Welt- und Europameisterschaften sowie zwei Sommerspielen (2008, 2012) geführt hatte. Casting, Chlor, Glorie. Die Karriere nach der Karriere kann sich sehen lassen. Die Anforderungen seien immens, die Bewegungen müssen „showtauglich“sein, hätten mit alten Choreografien nur noch wenig zu tun. Brandl ist Protagonistin einer der besten Shows, die Las Vegas zu bieten hat. Die Tophotels am „Strip“liefern sich einen Wettbewerb nicht nur mit Poker oder Automaten und Buffets, sondern mit Unterhaltung. Konzerte, Shows, der Cirque du Soleil spielt an sechs verschiedenen Orten zweimal täglich. Brandl, sie hat ihr Publizistik-Bachelorstudium abgeschlossen, ist Fixbestandteil seit Oktober 2016 in „Le Reveˆ – The Dream“, dem Wasser- und AkrobatenBallett im Wynn-Hotel.
„Es ist für mich wie in einem Traum“, erzählt sie stolz. Das Engagement gelang ohne Protektion und Vitamin-B, sondern per Casting. Sie hatte ihren Mut zusammengenommen und sich beworben, Videos geschickt, und bei der EM 2016 in London wurde der Vertrag bis 2018 unterschrieben. „Nach einem erneuten Casting, es war beinhart.“Synchronschwimmerinnen werden nicht reich, es mutet als brotlose Kunst an, wenngleich sie Anmut im Chlorwasser verkörpern. Doch in Las Vegas ist das ganz anders. „Jetzt kann ich davon leben, es kommt halt ein bisserl was zurück nach all den Jahren. Aber es ist immer noch eisern.“
Hotelier Steven Wynn hat die Show als Spiegelbild des berühmten Gemäldes von Pablo Picasso choreografieren lassen. Es ist das Prunkstück im Spielerparadies, wird seit Jahren zur besten Show gewählt und begeistert mit Akrobatik im und außerhalb eines Pools. Brandl tanzt mit vierzehn weiteren Synchronschwimmerinnen im Lichtkegel der Scheinwerfer, in Kostümen – mit Stöckelschuhen. „Das wiegt natürlich mehr als im Anzug, da musst du dich total ein- und umstellen“, erzählt sie und gibt zu bedenken, dass das Ganze zweimal pro Abend geschehe. 19 und 21.30 Uhr, fünfmal die Woche – geschlafen wird erst spät in der Nacht. Sin City statt Wien. 95 Artisten und ein etliches Mehr an Helfern sind involviert, „um die Show zum Laufen zu bringen“. Und davor, wenn es sich ausgeht, wird mit der Familie per WhatsApp oder Skype telefoniert. In solchen Augenblicken merke sie, was sie an der Heimat habe, aber letztendlich auch so sehr vermisse. Onlinemedien transportieren jedenfalls alle News, wobei in „Sin City und Trumps-Land“laufend andere Themen überwiegen. Dennoch, sie ist über die Ereignisse in Wien immer informiert.
Zwischen den Shows warten Regeneration und Massagen, Kostümproben und Einkäufe in diversen Malls. Brandl wohnt in keinem Hotel, sondern hat ein Haus bezogen, abseits des Strips, sie liebt Kino und Theater, genießt das Leben in Nevada.
Derzeit hat die Wienerin noch einen „Contract“bis 2018 und ein Arbeitsvisum, sie träumt aber von Verlängerung, der Green Card, und einem glücklichen Leben in den USA. „Ich bin allein“wirft sie ein und gibt damit zugleich ihre Sehnsüchte preis. Der Freund, die Freundinnen, alle würden ihr fehlen. Das ist das Los einer Aus- wanderin, die mit zwei Koffern die alte Heimat verlassen hat, um „das Abenteuer meines Lebens als Artistin“zu starten. Dass sie tolle Kolleginnen habe, helfe über vieles hinweg. Letzten Endes ist es doch das Vertrauen, das Wissen und das Gefühl, nur um seiner selbst willen gemocht und nicht wegen möglicher Rivalität geduldet zu werden, das einem Zufriedenheit bereitet.
„Le Reveˆ – The Dream“, sagt Brandl, sei eine „Zirkusshow ohne Worte“, ausschließlich dominiert von Körpersprache, Ausdruck, Spaß, des Geschicks. So wie es unlängst auch Lady Gaga auf der zweiten Bühne im Wynn-Hotel getan hat. Zwischen Weltruhm und einer Karriere im Ausland liegen trotzdem Welten, obwohl sie nur durch eine Wand getrennt waren. Aber, der Mount Charleston, den sie schon mit verschneiten Spitzen gesehen hat, sei ja auch nicht mit dem Semmering zu vergleichen.
Welche Wendung ihr Leben noch nehmen wird? Nadine Brandl lacht. Sie weiß es nicht. Eine Wienerin, die die Welt gesehen hat als Synchronschwimmerin und per Video einen Job in Las Vegas erhalten hat, schwimmt vorerst im Glück. Das Leben sei nicht immer vollends planbar. Sie sagt, hier in den Staaten sei jedoch alles möglich. Und wo, wenn nicht hier, kann sie das so zielstrebig ausleben? Las Vegas, it’s fabulous. Nadine Brandl, Synchronschwimmen, Ballett, Artistin Las Vegas, USA
1990
in Wien geboren.
2008 und 2012
startete sie bei den Sommerspielen.
Großereignis
Sie startete viermal bei einer EM, dreimal bei der WM.