Sich brave Medien kaufen
Die Bundesregierung will die Presseförderung reformieren. Mit Medienpolitik und einem Schutz des für Demokratien lebenswichtigen Informationsflusses hat der Gesetzesentwurf aber wenig zu tun.
Die österreichische Bundesregierung arbeitet an einem Gesetzesvorschlag, schriftliche Nachrichtenmedien statt wie bisher mit einem in Hinkunft mit zwei Euro pro Staatsbürger und Jahr zu fördern. Das ist keine Größenordnung, über die man sich wirklich den Kopf zerbrechen muss, wenn man bedenkt, dass jeder Österreicher jährlich fast 3000 Euro für die öffentliche Verwaltung und allein für Straßenbeleuchtung 26 Euro ausgibt, und dass Nachrichtenmedien als sogenannte „vierte Gewalt“eine für den Bestand der Demokratie wichtige Funktion erfüllen. Es geht also im Folgenden nicht primär um die Beträge, auch wenn solche genannt werden. Es geht um ein grundsätzliches Problem.
Stand 2016 finanziert der Staat Österreich schriftliche Nachrichtenmedien durch „Werbung“von zweifelhaftem Informationsgehalt und Verlautbarungen, sowie durch direkte Förderung, in dieser Reihenfolge (ich nenne nur die größten Nutznießer): 1. „Kronen Zeitung“: 20,7 Mio. Euro 2. „Heute“: 14,1 Mio. Euro 3. „Österreich“: 14,0 Mio. Euro 4. „Kurier“: 8,5 Mio. Euro 5. u. 6. „Standard“/„Presse“: je 6,7 Mio. Das entspricht in etwa der Auflagenstärke, mit der Einschränkung, dass „Standard“und „Presse“insofern privilegiert sind, als sie die höchsten di- rekten Förderungen erhalten (je knapp eine Million Euro). „Krone“, „Heute“und „Österreich“erhalten keine direkten Förderungen, die für diese Zeitungen genannten Beträge sind ausschließlich für „Werbung“geflossen. Reichweite, nicht Qualität. Die staatliche Finanzierung schriftlicher Nachrichtenmedien orientiert sich also an der Reichweite, und zwar unabhängig davon, ob es sich um Gratismedien oder Bezahlmedien handelt, und unabhängig von der journalistischen Qualität. Den mit Abstand höchsten Betrag erhält die Zeitung, die am häufigsten gegen den Ehrenkodex der österreichischen Presse verstößt. Dieser Finanzierungsansatz wird durch die direkte Förderung der Qualitätszeitungen etwas abgemildert. Aber viel mehr als ein Feigenblatt ist das nicht.
Vergleicht man nun die an Zeitungen geflossenen öffentlichen Gelder mit dem jeweiligen Umsatz, so ergibt sich ein erstaunlicher Befund: Der Staatsanteil liegt bei der „Krone“unter zehn Prozent, bei „Standard“und „Presse“etwas über zehn, bei den Gratismedien „Österreich“(Umsatz 2015: 100 Mio.) und „Heute“(Umsatz 2015: 50 Mio.) jedoch bei satten 14 bzw. gar 28 Prozent. Ein zweiter Befund, der überrascht – zumindest wenn man schweizerische Verhältnisse gewöhnt ist –, ergibt sich, wenn man die staatliche Finanzierung mit den Gewinnen (EGT) vergleicht. Bei allen Zeitungen Veit Dengler ist seit 2013 Firmenchef der Schweizer NZZ-Mediengruppe. zahlt der Staat deutlich mehr, als der jeweilige Gewinn ausmacht. Spitzenreiter sind wiederum die Gratiszeitungen: „Heute“erhält das Fünffache seines Gewinns vom Staat (EGT 2015 2,9 Mio., staatliche Finanzierung 14,1 Mio.), „Österreich“gar das 17,5-fache (EGT 0,8 Mio., staatliche Finanzierung 14 Mio.). Die Behauptung, irgendeines der genannten Medien sei vom Staat unabhängig, wäre sehr schwer zu argumentieren. „Staatsbetriebe“wäre eher der Begriff, der einem angesichts dieser Zahlen in den Sinn kommt.
Soweit sich das zurzeit eruieren lässt, soll sich nun Folgendes ändern:
Verdopplung der Fördersumme (17 statt wie bisher 8 Mio. pro Jahr)
Ausweitung der direkten Förderung auf Gratis- und Online-Medien
Deutliche Verkomplizierung des Förderablaufs, insbesondere durch genauere Angaben zum förderungswürdigen Verhalten
Aufteilung in einen Grundbetrag, der den Hauptteil der Förderung ausmacht und an rein formale Kriterien gebunden ist (Erscheinungsweise, Redaktionsgröße usw.), und diverse Boni, die im weitesten Sinn an qualitative Kriterien gebunden sind (Moderation eines Online-Forums, Anerkennung des Presserats etc.) Wer rechtskräftig wegen Verhetzung verurteilt ist, erhält ein Jahr lang keine Förderung.
Deckelung der Förderung bei 1 Mio. Euro pro Medium
Diese Änderungen wirken sich wie folgt aus:
Die Verquickung von Staat und Medien wird stärker.
Es wird eine Reihe neuer Geförderter geben, vor allem im Online-Bereich, und zwar unabhängig von ihrer Qualität.
Die bisherigen Spitzenreiter – Boulevard und Gratis-Zeitungen – erhalten noch mehr Geld, da sie nun auch direkte Förderungen in Anspruch nehmen können.
bisher privilegierten Qualitätszeitungen bekommen aufgrund der Deckelung des Förderbetrags nicht mehr als bisher, ihr Anteil an der Förderung sinkt also; das Feigenblatt wird noch ein Stück kleiner. Mit Medienpolitik im Sinne staatlicher Eingriffe zum Schutz des für Demokratien lebenswichtigen Informationsflusses (und dessen Qualität) hat das sehr wenig zu tun, nämlich nur im Bereich der Boni, das heißt eines kleinen Teils
IIIIIIIIVeit Dengler Chef der NZZ-Mediengruppe Let seit April 2012 in Zürich/Schweiz
Geboren:
am 21. November 1968 in Graz. Weil der Vater Botschafter war, wächst Dengler in Ö, Ungarn und Finnland auf. Studiert später an der WU Wien und der Kennedy School of Government der Harvard University, jobbt eine Zeit lang als Reporter im Osteuropa-Büro des „Time Magazine“.
Beruf:
Verschiedene Stationen bei Procter & Gamble, McKinsey und T-Mobile, sieben Jahre lang Geschäftsleiter bei Dell für 32 Länder, danach bei Groupon. 2013 übernimmt er die Leitung der NZZMediengruppe.
Privat:
Dengler war einer der Mitgründer der Partei Neos. Er ist Vater von vier Kindern. der direkten Förderung, die ihrerseits wiederum weniger als zehn Prozent der staatlichen Medienfinanzierung ausmacht. Womit aber dann? Sehen wir uns an, wie alles begann: Als der österreichische Medienkanzler – ich meine nicht den heutigen, sondern Bruno Kreisky – im Jahr 1975 die Presseförderung einführte, behaupteten böse Zungen, er habe sich damit das Stillhalten der Medien bei einem anderen Gesetz, nämlich der zeitgleich eingeführten Parteienförderung, erkauft. Beides wurde in derselben Nationalratssitzung am 2. Juli 1975 beschlossen. Kein Nullsummenspiel. Dieser zeitliche Ablauf ist sehr aufschlussreich und typisch für das „Selbstverständnis“des österreichischen Staates: Vor der Förderung erfolgte eine massive Belastung der Zeitungen durch den Staat, nämlich durch die Einführung der Mehrwertsteuer auch für Printmedien im Jahr 1973. Die Förderung wurde fast zeitgleich angekündigt und explizit als Ausgleich für diese Belastung eingeführt: Ihre Höhe orientierte sich an der Höhe der abgeführten Umsatzsteuer. Das sieht aus wie ein Nullsummenspiel, ist es aber nicht: Zum einen entstand dadurch natürlich ein neuer Verwaltungsaufwand (und damit Mehrkosten), zum anderen – und das ist der eigentliche Punkt – wurde dadurch eine neue Abhängigkeit vom Staat geschaffen.
Das ist natürlich unwirtschaftlich, aber es geht um mehr: Der Staat hatte eine neue, nicht juristisch explizierte und damit auch de facto unkontrollierbare Zugriffsmöglichkeit auf die Medien geschaffen. Als Replik auf den Vorwurf von Journalisten, die Repräsentationsausgaben der Bundesregierung seien ungerechtfertigt hoch, sagte Bruno Kreisky im Jahr 1976: „Denn dann wird man auch die Steuerzahler fragen müssen, ob sie Millionen für die Zeitungen zahlen wollen. Das wollen sie nämlich nicht.“(„Kleine Zeitung“, 25.9.1976) „...dann frage ich mich, ob es dem Steuerzahler von vornherein so angenehm ist, dass Millionen an Förderungen für Zeitungen ausgegeben werden“(ORF-Interview, 28.9.1976).
Ohne die neu geschaffene Abhängigkeit vom Staat wären solche Drohungen natürlich nicht denkbar. Die Quelle für diese Zitate spricht übrigens Klartext; es war eine parlamentarische Anfrage im Oktober 1976 mit dem Titel „Dringliche Anfrage betreffend Junktimierung der Presseförderung mit dem Wohlverhalten der Presse gegenüber der Bundesregierung“. „Der Steuerzahler“ist nämlich immer ein verlässlicher Partner, wenn es darum geht, Empörung gegen das Ausgeben von öffentlichen Geldern für „andere“zu schüren. Er könnte aber nicht ins Spiel gebracht werden, wenn man nicht zuerst die Zeitungen an den Tropf der Förderung gehängt hätte. Selbstverständlich greift hierzulande der Staat nicht direkt in die Tätigkeit von Redaktionen ein, wie etwa aktuell in der Türkei. Wenn jedoch ein Viertel des Umsatzes und ein Mehrfaches des Gewinns aus öffentlichen Geldern kommt, ist konsequent unabhängige Berichterstattung ganz einfach keine Option mehr, auch ohne irgendeine unmittelbare Einmischung.
Jede Demokratie braucht eine vernünftige Medienpolitik, da diese Staatsform ohne verlässliche und kritische Berichterstattung zusammenbricht, oder in eine Form der Diktatur abgleitet. Subventionen können punktuell und wohlbegründet ein Instrument dieser Medienpolitik sein. Sie sind jedoch mit äußerster Vorsicht einzusetzen und immer so, dass keine Abhängigkeiten vom Staat entstehen. Denn die Demokratie braucht nicht irgendwelche Medien, sie braucht unabhängige Medien. Sie braucht Medien, die nicht dem Staat, sondern den Staatsbürgern verpflichtet sind. Medien, die sich nicht an den Erwartungen der Obrigkeit, sondern an den Bedürfnissen der Staatsbürger orientieren. Für solche Medien werden Bürger auch bereit sein zu zahlen – und deren Überleben ohne Förderungen finanzieren.