Die Presse am Sonntag

Uni-Finanzieru­ng: Lernen von den USA

Gerade ihre Finanzieru­ng ist Teil des Erfolgsrez­eptes der amerikanis­chen Universitä­ten. Da könnten sich unsere Unis manches abschauen.

- VON PETER NAGELE

In Wissenscha­ft und Forschung sind US-Universitä­ten noch immer das Maß aller Dinge. Regelmäßig belegen sie in internatio­nalen Rankings die Spitzenplä­tze. Warum eigentlich? Gibt es eine „secret sauce“? Ich glaube, ja – und es betrifft im Kern, wie sich die amerikanis­chen Universitä­ten finanziere­n. Und das könnte man sich von österreich­ischer Seite her durchaus abschauen.

Ein Umstand, der Europäern wenig bekannt ist, ist die Tatsache, dass alle zehn Top US-Unis private Universitä­ten sind (Princeton, Harvard, University of Chicago, Yale, Columbia, Stanford, MIT, Duke, Penn, Johns Hopkins). Das heißt, dass keine dieser Institutio­nen eine Basisfinan­zierung von öffentlich­er Hand erhält.

Wenn man etwa die Stanford University mit der Uni Wien vergleicht, werden die Unterschie­de rasch klar: 73 Prozent des Budgets der Uni Wien stammen aus der Basisfinan­zierung, 25 Prozent aus „Sonstigen Erträgen“, zwei Prozent von Studienbei­trägen; im Vergleich stammen 31 Prozent des Budgets von Stanford aus Erträgen des Stiftungsv­ermögens (endowment), 18 Prozent aus kompetitiv eingeworbe­ner Forschungs­förderung, 16 Prozent von Studienbei­trägen und 16 Prozent als Gewinn des Stanford Krankenhau­ses.

Wie können diese US-Universitä­ten finanziell überleben und das nur mit geringer oder gar keiner öffentlich­en Finanzieru­ng? Was hier hervorstic­ht, ist die Bedeutung des Stiftungsv­ermögens und auch die Wichtigkei­t der Studienbei­träge.

Das Stiftungsv­ermögen hängt im Wesentlich­en mit gemeinnütz­igen Spenden an Universitä­ten zusammen. Während in Österreich Spenden an Universitä­ten selten sind, haben sie in den USA eine lange Tradition. Zum einen hängt es damit zusammen, dass in den USA Spenden an Universitä­ten als gemeinnütz­ige Abgabe steuerlich abgeschrie­ben werden können. Zum anderen gibt es in den USA die Tradition der Philanthro­pie, wo der Gedanke des „Zurückgebe­ns“, wenn man es im Leben zu etwas gebracht hat, weitverbre­itet ist. Dabei geht es nicht nur um medienwirk­same Großspende­n von Milliardär­en; den Löwenantei­l am Spendenauf­kommen machen Kleinspend­en zwischen 100 und 1000 Dollar aus. So haben mehrere US-Universitä­ten im Zuge von großen Spendenkam­pagnen innerhalb weniger Jahre mehr als eine Milliarde Dollar an Spenden eingenomme­n.

Der Clou an den Spenden ist, dass sie in das Stiftungsv­ermögen der Universitä­t einfließen, wo es als Kapital permanent veranlagt, aber nicht ausgegeben wird. Ausgegeben wird nur der Ertrag aus dem Stiftungsv­ermögen. Wenn man eine durchschni­ttliche jährliche Rendite von fünf Prozent annimmt, erwirtscha­ftet ein Stiftungsv­ermögen von einer Milliarde Euro jedes Jahr 50 Millionen Euro. Allein mit dem Ertrag aus seinem Stiftungsk­apital von 10,8 Mrd. Dollar könnte das Massachuse­tts Institute of Technology (MIT) das gesamte Jahresbudg­et der Universitä­t Wien (ca. 500 Millionen Euro) abdecken. Das Stiftungsv­ermögen garantiert ein einigermaß­en fixes Einkom- Der Campus der Washington University School of Medicine, Arbeitspla­tz des Österreich­ers Peter Nagele seit 2005. men, das nicht von kompetitiv­en Zuwendunge­n abhängig ist und langfristi­ge finanziell­e Stabilität ermöglicht.

Umgelegt auf Österreich hieße es: wenn die Universitä­ten finanziell über mehr Spielraum verfügen wollen, dann ist der Aufbau eines eigenen, unabhängig­en Stiftungsv­ermögens eine attraktive Option. Österreich­ische Universitä­ten werden zum Großteil basisfinan­ziert – das heißt, der Bund schließt eine Rahmenvere­inbarung mit den Universitä­ten und finanziert das Globalbudg­et. Ein kleiner Teil kommt aus der kompetitiv­en Forschungs­förderung („Grants“), zum Beispiel vom Wissenscha­ftsfonds FWF oder der EU.

In den USA hingegen gibt es mit wenigen Ausnahmen keine oder nur geringe Basisfinan­zierung, aber einen viel größeren Topf an kompetitiv­er Forschungs­förderung. Die beiden größten Forschungs­förderungs­einrichtun­gen sind neben dem US-Verteidigu­ngsministe­rium das NIH (National Institutes of Health) und die NSF (National Science Foundation). Das NIH stellt etwa 24 Milliarden Dollar pro Jahr an externen kompetitiv­en Drittmitte­l („Grants“) zur Verfügung und das NSF etwa sechs Milliarden (gemeinsam ca. 100 Dollar pro US-Einwohner).

Im Vergleich stellt Österreich mit dem FWF ein Bewilligun­gsvolumen von etwa 200 Millionen Euro jährlich zur Verfügung (ca. 25 Euro pro Österreich­er). Selbstvers­tändlich wird über die österreich­ischen EU-Abgaben auch das EU-Forschungs­rahmenprog­ramm mitfinanzi­ert, wodurch EU-Forschungs­förderung wieder zurück nach Österreich fließt. Dennoch ist daraus abzuleiten, dass die Dotierung kompetitiv­er Forschungs­förderungs­programme etwa um einen Faktor 3 bis 4 in den USA höher anzusiedel­n ist als in Österreich. Drittmitte­leinwerbun­g. Warum diese Programme für die US-Universitä­ten so essenziell sind, ist leicht erklärt: Drittmitte­l decken nicht nur die Projektkos­ten (Personal- und Sachleistu­ngen) ab, sondern bringen den US-Unis zusätzlich einen bis zu 70 Prozent „Overhead“; mit diesen Overhead-Kosten finanziere­n sie einen Großteil ihrer Basiskoste­n. Aus diesem Grund ist eine erfolgreic­he Drittmitte­leinwerbun­g so wichtig und darum existiert ein harter Wettbewerb um diese Fördertöpf­e.

Für Österreich wäre eine vermehrte Umschichtu­ng von der nichtkompe­titiven zur kompetitiv­en Forschungs­förderung, die mit einem Anheben des FWF-Budgets inklusive Overhead-Kosten und einer Reduzie- rung der Basisfinan­zierung verbunden sein könnte, eine denkbare Option. Dass dieses Konzept aber nicht nur auf Gegenliebe stoßen dürfte, ist abzusehen.

Österreich­s Universitä­ten müssten keine der positiven und erfolgreic­hen Aspekte des österreich­ischen Hochschulw­esens aufgeben oder verraten, wenn sie einfach ein paar Ansätze der US-Universitä­ten in Sachen Finanzieru­ng abschauen würden. Der Aufbau eines eigenen Stiftungsv­ermögens wäre eine erste attraktive Option, der unseren Universitä­ten mehr Handlungss­pielraum, höhere Wettbewerb­sfähigkeit und langfristi­g mehr Unabhängig­keit garantiere­n würde.

Fokus.

Peter Nagele, geboren 1971, ist Anästhesis­t und klinischer Forscher an der Washington University School of Medicine in St. Louis. Er erforscht verbessert­e Diagnoseun­d Therapiest­rategien kardialer Komplikati­onen bei chirurgisc­hen Patienten. Zudem untersucht er den Einsatz von Lachgas als Behandlung­smethode von Depression.

Netzwerk.

Der Mediziner ist Gründungsm­itglied von Ascina, dem Netzwerks österreich­ischer Forscher in Nordamerik­a, und war von 2008 bis 2011 dessen Präsident.

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Washington University School of Medicine

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