»Kameraleute gelten in Hollywood mehr als in Europa«
Mit David Cronenberg drehte er elf Filme, mit George Lucas »Star Wars«. Peter Suschitzky über die Arbeit in der Alten und der Neuen Welt.
Ihr Vater, Wolf Suschitzky, floh 1934 vor dem Bürgerkrieg und der dräuenden Nazi-Gefahr aus Österreich, doch am Ende seines Lebens fuhr er immer wieder für Maturatreffen nach Wien – haben Sie ihn begleitet? Peter Suschitzky: Nein. Wir waren nur selten gemeinsam in Wien – einmal mit der ganzen Familie, als ich noch ein Jugendlicher war, und einmal vor etwa fünf Jahren, um sich die Fassade seines Geburtshauses anzusehen. Auch den ehemaligen Standort der sozialistischen Buchhandlung meines Großvaters besuchten wir. Diese Orte waren für meinen Vater sehr wichtig, seit den Sechzigern zog es ihn immer wieder dorthin. Wurde bei Ihnen zu Hause viel Deutsch gesprochen? Ja – besonders, wenn meine Geschwister und ich nicht mithören sollten. Das war natürlich ein Anreiz, die Sprache zu lernen. Mein Deutsch ist nicht fließend, aber ich komme ganz gut durch. Ihr Vater war selbst ein renommierter Fotograf und Kameramann. Hatte das Einfluss auf Ihren Karriereweg? Bestimmt. Solange ich mich erinnern kann, richtete mein Vater die Kamera auf mich – den Geruch seines ledernen Fotokoffers würde ich heute noch wiedererkennen. Immer wieder verschwand er in seiner Dunkelkammer, und ich wollte unbedingt wissen, was er dort treibt. Er ließ mich nie lang hinein, aber manchmal durfte ich zusehen, wie sich ein Abzug auf dem Papier materialisierte. Das war faszinierend, es wirkte wie Zauberei. Schon mit sechs Jahren bekam ich meine erste Kamera und konnte damit herumexperimentieren. George Lucas wollte mich schon für den ersten „Star Wars“-Film engagieren. Ich hatte keine Erfahrung mit Spezialeffekten und wunderte mich. Später erfuhr ich von seiner Begeisterung für „Privilege“, den ich 1967 mit Peter Watkins gedreht hatte. Zudem vermute ich, dass er als junger Regisseur nach jemandem ohne Profi-Allüren Ausschau hielt. Das Studio vermittelte ihm schließlich Gilbert Taylor, einen guten Kameramann, mit dem sich George aber nicht verstand. Angeblich meinte Taylor, der Film würde nie Erfolg haben – ein großer Irrtum. Zwei Jahre später kam George dann auf mich zurück. Hatten Sie da schon mehr Tricktechnik-Expertise? Nein, und das machte mir große Sorgen. Rückprojektionen, Blue-ScreenAufnahmen, Maskierungen – das klang einschüchternd. Aber ich merkte ziemlich schnell, dass es sich dabei um relativ einfache Techniken handelte. Und der Effektspezialist des Films stand mir mit Rat und Tat zur Seite. Anfangs wusste ohnehin niemand, wie genau manche Probleme zu lösen waren. War es ein angenehmer Dreh? Ja. Wir hatten viel mehr Zeit als heute üblich – nicht zuletzt, weil die Gagen der Schauspieler früher noch keine Unsummen verschlangen. Sie haben auch bei „Rocky Horror Picture Show“die Kamera geführt. Sind Sie es leid, mit Kultstreifen assoziiert zu werden? Nein. Ich schätze mich sehr glücklich, an so beliebten Filmen mitgewirkt zu haben. Keiner konnte wissen, dass eine Low-Budget-Produktion wie „Rocky Horror“so explodieren würde, und als Klassikfan war mir die Musicalvorlage eher fern. Inzwischen verstehe ich, was die Leute daran begeistert – der launige Humor, die exzentrischen Figuren. Arbeiten Sie lieber in Europa oder in Hollywood? Beides hat Vor- und Nachteile. In Europa fühle ich mich zu Hause, und das Peter Suschitzky Kameramann London Großbritannien
1941
wird Peter Suschitzky in London geboren. Sein Vater ist der legendäre Fotograf, Kameramann und ExilÖsterreicher Wolf Suschitzky („Get Carter“).
1965
dreht er das Drama „It Happened Here“. Es ist der Beginn einer großen Karriere: Suschitzky arbeitet mit Regiegrößen wie Joseph Losey und Ken Russell zusammen, er zeichnet bei Kultfilmen und Kassenschlagern für die Kamera verantwortlich („The Rocky Horror Picture Show“, „Das Imperium schlägt zurück“).
1986
trifft er den kanadischen Regisseur David Cronenberg, für den er bis heute elf Filme fotografiert hat, zuletzt „Maps to the Stars“(2014).
Das Filmmuseum
zeigt bis 6. April sämtliche Filme, die Suschitzky mit Cronenberg gedreht hat. Am 26. und 27. März ist er dort zu Gast. Am 31. März präsentiert er im Wiener Stadtkino zusammen mit Peter Stephan Jungk „Auf Ediths Spuren“, dessen Doku über Edith Tudor-Hart. Am 1. April begleitet er bei der Diagonale in Graz eine Hommage an seinen Vater, Wolf Suschitzky. Essen ist besser, was man nicht unterschätzen sollte. Hier zollt man dem Regisseur mehr Respekt, während in Amerika oft Anwälte und Buchmacher das Sagen haben. Dafür gelten Kameraleute mehr in Übersee. Aber wenn man eine gute Beziehung zum Filmemacher hat, ist das alles nicht so wichtig. Sie haben lang auf Film gedreht. Wie stehen Sie der digitalen Wende gegenüber? Die Kamera ist ein Instrument. Es kommt darauf an, wie gut man es beherrscht, das hängt nicht von der Technologie ab. Aber ich schätze die Flexibilität des Digitalen. Zwar habe ich dadurch etwas von meiner geheimnisvollen Macht über die Bilder verloren, weil mir jeder über den Monitor live bei der Arbeit zusehen kann, aber das ist ein kleiner Preis für die vielen Erleichterungen beim Ausleuchten und anderswo. Ihre Kollaboration mit dem Kultregisseur David Cronenberg währt schon drei Jahrzehnte. Wie kam sie zustande? Kurz nach „The Fly“, seinem größten kommerziellen Erfolg, war David auf der Suche nach einem neuen Kameramann. Wir trafen uns zum Abendessen und haben uns auf Anhieb verstanden – obwohl ich gestehen muss, dass ich damals noch keinen einzigen seiner Filme gesehen hatte. Ich hielt ihn für einen Horror-Regisseur, und ich kann mit dem Genre nichts anfangen. Doch die Originalität seines Drehbuchs zu „Dead Ringers“beeindruckte mich. Haben Sie gemeinsame Interessen? Nur bedingt. Sogar für Kameratechnologie interessiert er sich viel mehr als ich. Aber wir teilen eine Leidenschaft für Kino und Literatur, auch der kulturelle Hintergrund jüdischer Diaspora verbindet uns. Schon am ersten Tag unserer Zusammenarbeit waren eine professionelle Intimität und gegenseitiger Respekt zu spüren. Es wurde eine Ehe, doch es begann als Liebesaffäre. Wie hat sich Ihre Beziehung entwickelt? Ursprünglich war Davids Zugang sehr klassisch, mit umfassender Auflösung. Inzwischen ist er viel ökonomischer. Deutlich wird das u. a. in „Cosmopolis“, der zum Großteil in einer Limousine spielt. Ich wusste schon vor Drehbeginn, dass es der schwierigste Film meiner Karriere werden würde. Der Platzmangel in einem Auto – selbst in einem großen – macht jede Aufnahme zum Kraftakt. Drehbuchautoren sollten weniger Autoszenen schreiben! Für Cronenbergs Freud-Film „A Dangerous Method“drehten Sie in Wien. War das eine besondere Erfahrung? Für mich ist jedes Filmprojekt etwas Besonderes. Aber ich habe einen starken Bezug zu dieser Welt. Die Vorschule, die ich in London besuchte, wurde von Anna Freud gegründet, unser Hausarzt wurde später einer ihrer Mitstreiter, und natürlich spielt auch der kulturelle Hintergrund meiner Eltern eine Rolle. Ihr Vater ist nicht der einzige berühmte Fotograf in Ihrer Familie. Auch Ihre Tante Edith Tudor-Hart hat Großes auf dem Gebiet geleistet. Haben Sie sie gut gekannt? Als Kind sah ich sie oft. Ich erinnere mich an ihre leidenschaftlichen Plädoyers für soziale Gerechtigkeit, die mir manchmal auch ein wenig Angst einjagten. Doch ich bewunderte Edith sehr, und sie hat mir einiges über Fotografie beigebracht. Als sie nach Brighton zog, verschwand sie aus unserem Leben. Wusste Ihr Vater, dass seine Schwester als russische Spionin tätig war? Er hat das immer abgestritten, und ich glaube ihm. Ich hörte zum ersten Mal in den Achtzigern davon, als mich ein Journalist danach fragte. Sie behielt ihr Geheimnis ein Leben lang für sich.