Wenn Parteien nervös werden
Zum Glück kann sich Sebastian Kurz auf die SPÖ – und die auf die kleinen Oppositionsparteien Neos und Grüne verlassen. Irgendein Dilettant lenkt immer rechtzeitig ab.
Formulieren wir es höflich: Es sind innenpolitisch merkwürdige, stillose Tage. Und wir sind doch einiges gewöhnt. Nicht nur die Moral fällt, sondern auch jedwede handwerkliche Regel im politischen Geschäft. Es begann mit einer unangebrachten Bemerkung von Außenminister Sebastian Kurz, der von „NGO-Wahnsinn“im Mittelmeer sprach. Er wollte das tatsächliche Problem thematisieren, dass Rettungsmissionen einzelner Organisationen weniger die Rettung von Flüchtlingen als zentrales Ziel zu haben scheinen als vielmehr die Überfahrt von Migranten von Libyens Küsten nach Italien. Kurz vergriff sich im Ton. Dass die SPÖ dies als Forderung umdeutete, die Flüchtlinge sollten besser ertrinken, zeigt, wie zynisch und gnadenlos der bereits angelaufene Wahlkampf wird.
Aber die SPÖ lenkte dann tollpatschig von Kurz ab und verstrickte sich in eine interne Diskussion, ob und wie man sich weiter aus dem Relocation-Programm zur Aufteilung von Flüchtlingen absentieren könnte. Ausgerechnet Innenminister Wolfgang Sobotka wollte 50 (später 2000) Flüchtlinge, wie auf EU-Ebene vereinbart, nehmen, Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil nicht. Christian Kern folgte der alten SPÖKanzler-Tradition und schrieb einen EUBrief mit der Bitte an Brüssel um eine weitere Ausnahme. Immerhin: Dass Österreich bisher einen mehr als überdurchschnittlichen Anteil an Flüchtlingen aufgenommen hat, kann man nicht oft genug betonen. Dennoch antwortete die Parteilinke mit einem Protestbrief. Zum Drüberstreuen richtete Wiens Michael Häupl zwecks Ablenkung von seinen internen Diadochenkämpfen seiner Partei aus, dass er die 50 Minderjährigen bei sich in Ottakring aufnehmen würde. Das versachlicht die Debatte enorm.
Dann holte ÖVP-Klubobmann Reinhold Lopatka nach Überläufern vom siechenden Team Stronach nun Christoph Vavrik an Bord. Der war mit einer homosexuellenfeindlichen Aussage bei den Neos in Ungnade gefallen. Sein Versprechen, das Mandat zurückzulegen, brach er. Die Lüge ist in der Politik offenbar völlig normal. Und Lopatkas Argumentation, mit dem neuen Mandatar würde er die Regierung stärken, würde ihn für einen Wechsel zu Beppe Grillo prädestinieren. Noch etwas: Der freiwillige Abgang von Niko Alm zurück in die Wirtschaft wird die Neos inhaltlich härter treffen als der Verlust des anderen Mandatars, dessen Namen wir jetzt vergessen werden.
Auch Eva Glawischnig hat turbulente Tage: Sie schloss gleich eine ganze JugendTruppe aus. Susanne Riess-Passer erntete als FPÖ-Geschäftsführerin für solche Ausschlüsse einst den Titel Königskobra. 2017 ist der sicher sexistisch, bzw. war er es damals schon. Mit jungen Kritikern gehen entspannte Parteichefs jedenfalls anders um. Vielleicht wurde nur der Überbringer der schlechten Nachricht, dass die Grünen sowohl mit der Spitze als auch mit den Themen ein Problem haben, kurzerhand hingerichtet. Kennt man seit dem Mittelalter.
Die Einzigen, von denen man dieser Tage nichts von Problemen hört, sind die schon feierlich totgesagten Freiheitlichen. Sie machen das, was richtig ist: einfach nichts. Den Rest erledigen die anderen.