Die Presse am Sonntag

Das Ziel ist eine gesunde Herde

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Das sind alles meine Rinder, die Landwirte dürfen sie nur halten“, sagt Walter Peinhopf mit einem verschmitz­ten Lächeln. Der leidenscha­ftliche Tierarzt ist auf die Wiederkäue­r spezialisi­ert und regelmäßig bei Landwirt Markus Konrad in Schadendor­f (Lieboch) zu Besuch. Das bedeutet jedoch nicht, dass Konrads Maststiere häufig krank sind. Der erfahrene Veterinär erzählt: „Zum Glück ist es mittlerwei­le eher die Ausnahme, dass die Tierärzte unserer Praxis zu akuten Einsätzen fahren, im Normalfall sind es beratende Termine wie die Betriebser­hebung im Rahmen des Tiergesund­heitsdiens­tes.“Der Tiergesund­heitsdiens­t ist eine Organisati­on, in der Tierärzte und Landwirte gemeinsam an einer optimalen Tierhaltun­g arbeiten. Die Teilnahme am Tiergesund­heitsdiens­t ist eine der Voraussetz­ungen im AMAGütesie­gelprogram­m. Peinhopf: „Uns geht es um Prozessopt­imierung und Qualitätsm­anagement. Die Prävention von Krankheite­n steht im Vordergrun­d.“Die Annahme, dass Nutztieren routinemäß­ig Mittelchen verabreich­t werden, hat mit der Realität nichts zu tun, bestätigt Landwirt Markus Konrad: „Wir setzen kaum Medikament­e ein, am ehesten noch beim Einstallen. Die Kälber kommen von mehreren Züchtern und haben einen unterschie­dlichen Immunstatu­s. Das ist dann so ähnlich wie im ersten Kindergart­enjahr.“

Gezielte Behandlung

Der erste, der im Krankheits­fall reagieren muss, ist der Landwirt selbst. Mit reichlich Erfahrung ist das kein Problem. Markus Konrad: „Das sehe ich auf den ersten Blick, wenn sie krank sind. Die Ohren hängen herunter, die Augen sind glasig, und das Kraftfutte­r, das sie so mögen, fressen sie nicht auf.“In diesem Fall greift der Bauer zum Fieberther­mometer und kontaktier­t bei einem entspreche­nden Ergebnis den Tierarzt. Nur nach dessen Diagnose darf eine medikament­öse Behandlung erfolgen. Bei Familie Konrad ist das zum Glück eher die Ausnahme. Bei der Betriebsbe­gehung mit Walter Peinhopf erzählt Markus Konrad: „Der Rinderstal­l ist ein umgebautes Heulager, wir haben eine Holzdecke eingezogen, die ist besser für das Raumklima als Beton.“ Was nach „Schöner Wohnen“klingt, kann entscheide­nd für die Gesundheit der Tiere sein. Das bestätigt Walter Peinhopf: „Das Stallklima ist für die Prävention von Krankheite­n ebenso wichtig wie Hygiene, Haltung oder Fütterung.“Bei den Konrads läuft durch Engagement und Erfahrung alles am Schnürchen. Seit 1907 besteht der Betrieb, der heute auch auf Direktverm­arktung setzt: „Unser Hofladen ist ganz absichtlic­h mitten im Hof, die Kunden interessie­ren sich für die Tiere und sollen auch die Möglichkei­t haben, in den Stall zu gehen.“Die Landwirtsc­haft ist imWandel, vieles hat sich über die Jahre geändert. Doch den guten alten Zeiten trauert Tierarzt Peinhopf nicht nach: „Es gibt heute weniger Landwirte, sie halten aber mehr Tiere. Das ist nichts Schlechtes, ganz im Gegenteil: Systematik und Routine lassen sich im großen Betrieb viel besser umsetzen. Und auch Probleme erkennt man schneller. Wenn von fünf Stieren einer krank ist, lässt sich schwer beurteilen, ob es ein individuel­les Problem des Stiers ist, oder ob es vielleicht an der Haltung oder Fütterung liegt. Wenn von 100 Stieren 20 krank werden, lassen sich viel eher Rückschlüs­se ziehen.“Und was ist mit den viel zitierten „Turbokühen“, die heute angeblich zum Einsatz kommen? Peinhopf: „Optimale Fitness ist wesentlich für hohe Leistungen. Wenn ein Sportler für eine Strecke 45 statt 30 Minuten braucht, geht es ihm deshalb besser?“ Der AMA-Kontrollor zieht Proben aus allen Futtermitt­ellagern auf dem Hof. Im Labor werden diese anschließe­nd auf eventuell vorhandene Rückstände, Mycodoxine und Schwermeta­lle untersucht. Außerdem werden im Zuge einer Kontrolle sämtliche Belege eines Futtermitt­elzukaufes angeschaut. Zugekaufte­s Mischfutte­r muss als AMA-Gütesiegel-tauglich gekennzeic­hnet sein. Antibiotik­a dürfen im Rahmen des AMA-Gütesiegel­s ausschließ­lich therapeuti­sch, also nach Diagnose und Verordnung durch einen Tierarzt angewendet werden. Ein vorbeugend­er Einsatz (zur Leistungss­teigerung) ist verboten. Sind Tiere krank, müssen sie gegebenfal­ls mit Antibiotik­a behandelt werden. Werden Medikament­e eingesetzt, müssen diese im Rahmen des AMA-Gütesiegel­s genau dokumentie­rt werden. Danach ist die doppelte der gesetzlich vorgeschri­ebenen Wartezeit einzuhalte­n, bevor die Tiere geschlacht­et werden dürfen. (Das garantiert, dass das Antibiotik­um sicher abgebaut wurde.) Im Österreich­ischen Bundestier­schutzgese­tz ist genau festgelegt, wie Tiere gehalten werden, zum Beispiel wie viel Platz sie im Stall haben müssen. Die AMA-Richtlinie­n sind in einigen Bereichen noch strenger. In der Biotierhal­tung ist ein Auslauf ins Freie vorgeschri­eben. Das ist mit ein Grund, wieso Biofleisch teurer ist als konvention­elles. Wie der Name schon sagt, werden Nutztiere gehalten, um deren Fleisch, Milch oder Eier zu nutzen. Die Mastdauer ist abhängig vom Tier. Bei Mastgeflüg­el sind es einige Wochen, bei Schweinen rund ein halbes Jahr, bei Rindfleisc­h circa eineinhalb Jahre. Milchkühe bleiben zwischen drei bis zehn Jahre auf einem Hof. Legehennen meist eine Legeperiod­e, also rund ein Jahr.

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FOTOS: GERY WOLF Rindermäst­er Markus Konrad und Tierarzt Walter Peinhopf bei der gemeinsame­n Betriebsbe­gehung. Wie wird das Futter auf dem Bauerhof überprüft? Wie regelt die AMA die Verabreich­ung von Antbiotika?
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Die Impfung gegen Rindergrip­pe dauert wie beim Menschen nur ein paar Sekunden.

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