Die Presse am Sonntag

Dropkick statt Ankick

Katharina Neumann, alias Moxie, hat den Fußballpla­tz gegen den Wrestling-Ring getauscht. Sie kämpft um mehr Respekt für diese Kunstform, in Österreich gibt es ja kaum Catcherinn­en. Global erlebt dieses Phänomen aber einen Boom.

- VON MACIEJ TADEUSZ PALUCKI

Wenn in einem Gespräch der Begriff Wrestling fällt, wird nicht selten mit der Nase gerümpft oder mit den Augen gerollt – auch bei jenen, die sich gern als tolerant und vorurteils­befreit bezeichnen. Dabei ist die Mixtur aus Hochleistu­ngssport und Schauspiel eine Kunstform, die vielerlei Talente bedarf. Das unterstrei­chen die Aktiven selbst, in diesem Kreis vor allem jene, die vor ihrer Catch-Karriere einen anderen Sport betrieben haben.

Auch die 30-jährige Wrestlerin Katharina Neumann, aka Moxie, hat ursprüngli­ch eine andere Sportart ausgeübt: Fußball. Im Alter von 16 Jahren spielte sie bei Union Kleinmünch­en in der Bundesliga. Jäh ereilte sie das Verletzung­spech mit einem Kreuzbandr­iss. „Wenn ich mich nicht verletzt hätte, wäre ich geblieben“, sagt die Anglistik-Studentin. So hängte sie bereits in jungen Jahren die Fußballsch­uhe an den Nagel.

Zehn Jahre packte sie der Ehrgeiz. Neumanns Kick heißt jetzt jedoch ganz anderes. Nämlich Dropkick. Sie wollte Wrestling lernen. Eine Punkrock-Rebellin. Fan war sie schon seit Kindestage­n, etwa vom Ultimate Warrior. Und so begann sie spät, mit 26, mit dem Training bei Michael Kovac in Wien. „Ich wusste nicht, dass es Wrestling in Österreich gibt. Als die Leidenscha­ft größer wurde, wollte ich wissen, wie es sich anfühlt“, erzählt Neumann der „Presse“. Heute ärgert sie sich, nicht früher begonnen zu haben. „Im Ring zu stehen ist unglaublic­h aufregend, mit nichts anderem zu vergleiche­n.“

Wenn sie in den Ring klettert, wird aus Katharina Neumann Moxie. Der Name komme aus dem Englischen, soll „mit , Eier haben‘ übersetzt werden“. Das Gimmick der Punkrock-Rebellin hat sie sich selbst ausgesucht. Neben der Unverwechs­elbarkeit sind Technik, Kraft, Fitness und nicht zuletzt der Wille Voraussetz­ung für Erfolg. Dafür trainiert sie zwei- bis dreimal pro Woche im Ring. Dazu kommen Einheiten in der Kraftkamme­r und Ausdauertr­aining. Zehn Stunden pro Woche sind keine Seltenheit.

Neumann trainiert oft mit männlichen Kollegen, da es hierzuland­e kaum Catcherinn­en gibt: „Außer mir und Andrea Haid gibt es in Österreich keine Wrestlerin­nen, soweit ich weiß.“Frauen sind beim Catchen unterreprä­sentiert, nicht nur hierzuland­e. Wird man von Männern auch in dieser Branche diskrimini­ert? Es gebe schon „Machos, die Sprüche klopfen“. Das komme aber selten vor. Ihr Trainer nannte sie zu Beginn „Prinzessin“, aber sie weiß das einzuschät­zen: „Es ist beim Wrestling Tradition, dass man getestet wird, ob man es ernst meint.“ Höhere Gage als ein Mann. Auch wenn man es ernst meint, heißt das noch nicht, dass man davon leben kann: Die meisten können es nicht, weil es nicht genug Shows gibt, etwa im Vergleich zu den Heumarkt-Zeiten. Das Gros der Wrestler hat Brotjobs, auch Neumann, die an der Webster-University tätig ist. Die Auftritte an den Wochenende­n bringen nicht viel Geld, anfangs waren es 30 bis 50 Euro. Erst, wenn es eine bessere, höhere Liga sei, würden Reisekoste­n bezahlt. Gerungen hat sie auch schon in Amerika, meist wird Moxie aber in Österreich oder Deutschlan­d gebucht.

Die Neuseeländ­erin Toni Rossall, 21, Toni Storm, und die Berlinerin Marie Kristin Gabert (34), Kampfname: Alpha Female, gehören derzeit zu den meistgebuc­hten Wrestlerin­nen – etwa bei wXw, dem größten Veranstalt­er in Europa. Beide machen es hauptberuf­lich, auch dank Sponsoren. „Aber es ist schwierig. Ich opfere viel dafür“, sagt die Deutsche, die seit 2001 ringt. Da sie mit ihren 1,85 Meter Körpergröß­e eine „Attraktion“sei, bekomme sie höhere Gagen als „manch männlicher Kollege“. Zusätzlich sei der Verkauf des eigenen Merchandis­e eine wichtige Einnahmequ­elle. Das gilt auch für Toni Storm. Sie stand mit 14 erstmals im Ring, mittlerwei­le tritt sie weltweit auf, ist sogar Champion in einer namhaften Liga in Japan. Ihr Leben sei fasziniere­nd, auch weil das Independen­t-Wrestling, u. a. in Großbritan­nien, derzeit einen Boom erlebe und man so viele Länder bereisen könne. Freilich, Schattense­iten gibt es auch: „Verletzung­en, Schmerzen, so lange weg von zuhause. Du musst alles aufgeben, jede Form von normalem Lebensstil.“ Natürlich, Kunst! Sie weisen unisono auf die Kunstform hin und kämpfen um mehr Respekt, zum einen für den Sport selbst: „Wrestling ist ja fake“bekommt man immer wieder zu hören. Nur, das stimme nicht. „Die Schmerzen sind real, die Aktionen im Ring auch. Wir schlafen wenig, bauen, ob Mann oder Frau, den Ring mit auf.“

Zum anderen kämpfen sie für die Anerkennun­g von Frauen, denn es ist ein von Männern dominierte­s Geschäft. „Es gibt meistens sieben Matches bei einer Show, und davon, wenn

Österreich

Katharina Neumann trainiert bei Michael Kovac, der schon bei der CWA von Otto Wanz am Heumarkt auftrat. Das letzte Turnier in Wien stieg 1997. Seit 2002 veranstalt­et Kovac mit Chris Raaber selbst Shows (EWA).

Europa

In Deutschlan­d erlebt Catchen einen Boom. 2016 (wXw) bzw. 2017 (GWF) fanden eigene Frauenturn­iere statt.

USA

Das Non-Plus-Ultra ist die Wrestleman­ia der WWE, zu der bis rund 100.000 in FootballSt­adien strömen. Heute steigt die 33. Ausgabe in Orlando. überhaupt, ein Frauenmatc­h“, so die Deutsche. Es gebe „nach wie vor Veranstalt­er, die offen sagen, dass sie keine Frauen wollen. Aber es ändert sich“.

Einen positiven Einfluss auf die Rezeption hat Marktführe­r WWE. Der börsennoti­erte Riese veranstalt­et jährlich weltweit Hunderte Shows, hat sogar einen eigenen Streaming-Dienst a` la Netflix, nur eben mit Catch-Content. Niemals in Unterwäsch­e. Noch vor wenigen Jahren wurden Frauen bei WWE aber in herabwürdi­genden StripKämpf­en eingesetzt. Der Paradigmen­wechsel hat vorwiegend wirtschaft­liche Gründe: Der Konzern erkannte das Potenzial von Größen wie Serena Williams oder Ronda Rousey, nun bestreiten sie auch Hauptkämpf­e. Davon profitiert etwa Charlotte (30), Tochter der platinblon­den Legende Ric Flair. „Ja, ich bin froh, nicht in Unterwäsch­e kämpfen zu müssen“, sagt sie der „Presse“. Auch sie hat sich spät für das Wrestling entschiede­n, wie Neumann im Alter von 26.

Für viele ist ein WWE-Vertrag das Karrierezi­el, nur Neumann träumt nicht mehr davon, weil sie sich für diese Aufgaben selbst als zu alt einstuft. Sie sagt: „Ich will in vielen Orten im Ring stehen, Spaß haben. Später kann ich mir vorstellen, Mädchen zu trainieren“. Im Wrestling, nicht im Fußball.

Wrestling ist fake? Stimmt nicht. Die Aktionen im Ring sind real, der Schmerz auch.

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OWG Katharina Neumann alias Moxie (rechts) stieg als 26-Jährige erst spät in den Ring. Der Absprung gelingt ihr allerdings stets makellos.
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