Die Presse am Sonntag

Ungefragt Frau Doktor

In Österreich werden sie angedichte­t, im Ausland können sie einen sogar in brenzlige Situatione­n bringen. Drei Titel-Anekdoten aus dem Alltag.

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es ohne Studium fast eine gläserne Decke, sagt der Personalbe­rater Markus Brenner. „Wegen der Titelinfla­tion ist der Titel als Differenzi­erungsmerk­mal aber unbrauchba­r geworden.“Es gelte generell, mehr in die Tiefe zu gehen und zu schauen, was dahinterst­ecke. Unter welchen Rahmenbedi­ngungen hat jemand den Titel gemacht? An welcher Institutio­n?

Und während wohl eher irrelevant ist, ob ein Abschluss an der Uni Wien, in Graz oder an der Uni Innsbruck erworben wurde, gibt es bei anderen Institutio­nen sehr wohl Potenzial für Distinktio­n: „Vielleicht schreiben Leute in Zukunft auf ihre Visitenkar­te, dass sie ihren Master in Harvard gemacht haben oder an der London School of Economics“, sagt Jugendfors­cher Philipp Ikrath. „Wenn der Titel an sich nichts Elitäres mehr ist, muss die Institutio­n, an der ich ihn erworben habe, herausrage­n.“ Ich habe den Flug nicht gebucht, das war eine amerikanis­che Universitä­t, die zu einer internatio­nalen Konferenz in Washington eingeladen hat. Da meldet man sich schon mit akademisch­em Titel an, dachte ich mir, wie sieht das denn sonst aus. Das jedoch führte zu Verwirrung­en beim Veranstalt­er, die dachten, Mag. sei Teil des Nachnamens. Und so wurde ich nicht nur angesproch­en, zu meinem Vortrag angekündig­t – so wurde auch der Flug gebucht: Miss Magoezkan statt Oezkan. Interessan­terweise haben sie mich so aus Schwechat rausfliege­n lassen, beim Rückflug aus Washington jedoch habe ich Bäche geschwitzt, weil ich die Passund Ticketkont­rolleure kaum davon überzeugen konnte, dass ich ich bin, mit Titel halt. Da wurde ich hin- und hergereich­t, und allen freundlich­en Herren habe ich den Magister erklären dürfen, der letzte hat mir äußerst knapp vor dem Abflug netterweis­e doch noch geglaubt. Das erste Mal: kurz vor Antritt der ersten Arbeitsste­lle. Da ließ mein späterer Angetraute­r sogar den Urlaub aus, um eine Doktorarbe­it zu schreiben – der Arbeitgebe­r hatte sie zur Bedingung gemacht. Er hat sie nie eingereich­t, der Arbeitgebe­r nie wieder danach gefragt. Danach unternahm er noch eine nicht mehr rückverfol­gbare Anzahl an Versuchen, in mühseliger Kleinarbei­t die Fußnoten der Dissertati­on zu aktualisie­ren (die zitierten Bücher waren seit- her mehrmals neu aufgelegt worden), um das Ding doch noch einzureich­en. Völlig vergeblich.

Doktor ist er freilich trotzdem. Gleich mehrere seiner Mandanten bestehen darauf, ihren Rechtsanwa­lt so zu nennen, außerdem der afghanisch­e Schneider, der türkische Schuster, der Schuhmache­r, der Apotheker und die Trafikanti­n. Nach mehrmalige­m Hinweis, er sei doch nur Magister, gibt er üblicherwe­ise irgendwann auf. Zumal es den Leuten Freude zu machen scheint, sich mit fremden Titeln zu schmücken. Verwirrung brach nur aus, als plötzlich von einer Frau Doktor die Rede war. Das wäre, wie sich herausgest­ellt hat, dann ich gewesen.

Miss Mag. Doktor ohne Dissertati­on Der Honorarpro­fessor

Man kennt das und hat es oft beobachtet: Eine Podiumsdis­kussion ist im Gange, am Ende darf sich das Publikum zu Wort melden. Wer aufsteht und eine Frage an die Diskutante­n stellt, die meist zu einer ausschweif­enden Wortmeldun­g verkommt („Was ist bitte Ihre Frage?“), soll sich vorstellen. Und dann steht jemand auf, beispielsw­eise ein bekannter Rechtsanwa­lt, sagt seinen Namen, führt lang und breit aus, was er macht und fügt am Schluss der kleinen Vorstellun­gsrunde auch noch die wichtige Informatio­n hinzu: „Ich bin Professor“, setzt dann aber komplizier­t nach: „Also nur Honorarpro­fessor, nicht ein echter.“Hauptsache, die Gäste und das Podium weiß das jetzt auch. Es tut zwar nichts zur Sache, aber die werten Anwesenden sollen doch wissen, mit wem sie es zu tun haben.

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