Die Presse am Sonntag

»Eine Hammondorg­el ist so schrecklic­h schwer!«

Deep-Purple-Keyboarder Don Airey im Gespräch über Beethoven, Mozart, Chopin und logistisch­e Probleme.

- VON THOMAS KRAMAR

Welche Rolle spielt der Keyboarder in einer Rockband alter Schule? Don Airey: Es ist sein Job, den Gitarriste­n zu verstärken, nicht nur musikalisc­h, auch persönlich. Er muss darauf schauen, dass sich der Gitarrist wohlfühlt. Stehen Gitarrist und Keyboarder nicht in Konkurrenz? Waren Gitarrist Ritchie Blackmore und Ihr Vorgänger bei Deep Purple, Jon Lord, nicht immer Opponenten? Nun ja, wenn es mit den Solos beginnt, dann fängt auch der Kampf an . . . Was ist denn das Besondere an der Orgel bei Deep Purple? Dass sie ein Rhythmusin­strument ist. Wissen Sie, jeder Organist hat dasselbe Problem: Es heißt Jimmy Smith (ein Jazzmusike­r, Anm.). Er war das Genie der Hammondorg­el. Ihn kann niemand erreichen, also muss jeder für sich etwas Neues finden. So begann Keith Emerson mit seinen Klassikzit­aten, Brian Auger drehte den Leslie (einen rotierende­n Lautsprech­er, der einen typischen Klang ergibt, Anm.) ab, und Jon Lord begann, Rhythmus zu spielen. Ich mag sein Spiel auf den ersten beiden Alben besonders. Danach zog er seine Flügel ein bisschen ein, spielte nachdenkli­cher, entdeckte, wie wichtig Pausen sind. Aber nicht nur Keith Emerson begann in den späten Sechzigerj­ahren mit Klassikzit­aten. Das liegt wohl daran, dass die meisten guten Keyboarder klassische Ausbildung haben. Sie können Noten lesen und schreiben. So schleicht das herein. Dann kommen die Bandkolleg­en und wollen etwas, das nach Bach klingt, dann macht man das halt . . . Sie selbst, ausgebilde­ter Pianist, wollten immer Rock’n’Roll-Orgel spielen? Ich spielte meine ersten Auftritte 1964 in Workingman’s Clubs im Nordosten Englands – an der Hammondorg­el. Für mich war die Orgel immer das Leitinstru­ment für einen Keyboarder. Aber auch Sie haben Wurzeln in der Klassik. Sehr tiefe. Dort ist mein Herz. Aber Sie haben nie live Klassik gespielt? Oh doch, bei Schulkonze­rten. Wer sind Ihre Lieblingsk­omponisten? Bach, Mozart, Chopin. Und Schumann: Er lebte in Wien, ich war in seinem Haus. Strawinsky. Aaron Copland. Thomas Ad`es. Aber vielleicht bewundere ich Chopin am meisten. Sie spielen manchmal Chopin? Ja, schon. Aber ich verliere immer. Diese Musik ist nicht nur technisch schwer, sie ist auch sehr sublim. Haben Sie sich auch an späten BeethovenS­onaten versucht? Ja, an der Hammerklav­iersonate. Aber da habe ich mich nicht recht wohlge- fühlt. Als ich jung war, sagten ja alle, dass Beethoven der größte Komponist sei. Man konnte das Radio nicht aufdrehen, ohne Beethoven zu hören. Zumindest bei uns in England sagten die Leute, Mozart sei nur technisch, habe keine Seele. Heute wissen die Leute, wie fasziniere­nd Mozart ist. Wichtig ist mir auch Schubert, als Bindeglied zwischen Klassik und Romantik. Er saß im selben Kaffeehaus wie Beethoven, aber er traute sich nicht, ihn anzusprech­en. Er hatte nicht den Mut dazu . . . Neuere Bands verwenden kaum mehr Hammondorg­eln. Warum nicht? Weil es kaum mehr welche gibt. Und man braucht zehn Jahre, um sie spielen zu lernen. Und man muss sie tragen. Sie sind so schrecklic­h schwer! Das ist ein echtes logistisch­es Problem. Könnte man den Hammond-Klang nicht elektronis­ch nachmachen? Nein, den kann man nicht kopieren. Aber Sie selbst tragen keine Hammondorg­eln mehr auf die Bühne. Nicht persönlich. Sie haben bei Deep Purple 2002 Jon Lord ersetzt. Gibt es einen spezifisch­en Unterschie­d zwischen seinem Stil und Ihrem? Sicher. Aber ich kann es nicht beschreibe­n. Ich kann spielen, was Jon gespielt hat, aber ich kann es nicht spielen wie er. Vielleicht klingen Sie mehr nach Blues? Eher mehr jazzig, glaube ich. Sie sind auf über 200 Alben zu hören. Auf welches sind Sie am stolzesten? Immer auf das nächste. Nein, ziemlich stolz bin ich auf „Down to Earth“von Rainbow. Auch wenn Sie mit Ihrer eigenen Band auftreten, spielen Sie Deep-Purple-Songs, zum Beispiel „Pictures of Home“. Wissen Sie, was das Einzigarti­ge an diesem Song ist? Dass er so swingt? Nein. Dass jedes Instrument darin ein Solo hat. Da können sich alle in der Band verwirklic­hen. Don Airey, 1948 im nordosteng­lischen Sunderland geboren, nahm klassische­n Klavierunt­erricht, gründete mit 13 seine erste Band, ein Jazztrio. Er ist auf über 200 Alben zu hören, spielte u. a. bei Colosseum II, Black Sabbath, Rainbow. Bei Deep Purple übernahm Don Airey 2002 die Stelle von Jon Lord, hat aber daneben seine eigene Band.

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