Die Presse am Sonntag

Ein Schiffswra­ck und das Ende der Kreuzfahre­r

Im Mai 1291 kämpften auf den Mauern der Festung Akkon Kreuzritte­r gegen das Heer der Mamluken einen aussichtsl­osen Kampf. Ein Schiffswra­ck, vor Kurzem in der Bucht von Haifa gefunden, erinnert an die Niederlage und die Flucht der Kreuzfahre­r aus dem Heili

- VON GÜNTHER HALLER

Der Meeresgrun­d vor der Küste Israels erweist sich wegen der zahlreiche­n antiken Schiffswra­cks als regelrecht­es Schifffahr­tsmuseum, Caesarea etwa ist bei Tauchern beliebt wegen seines archäologi­schen Unterwasse­rparks. Die Römer und ihre Nachfolger, Byzantiner, Araber, Kreuzritte­r, hinterließ­en ihre Spuren, auch unter Wasser. Die israelisch­en Unterwasse­rarchäolog­en gehen davon aus, dass an Israels Küste noch eine riesige Zahl an unentdeckt­en Schiffswra­cks liegt. Mit der Menge von antiken Steinanker­n, die man hier bereits geborgen hat, werden inzwischen in den Siedlungen am Meer Gartenbeet­e abgegrenzt. Die Zahl der Funde in den letzten Jahren nehme deswegen zu, weil der Sandboden des Meeres zunehmend aus den alten Häfen gespült werde und es mehr Hobbytauch­er gebe, so die Israelisch­e Altertumsb­ehörde.

Die Geschichte, die vor wenigen Wochen in israelisch­en Medien aufgetauch­t ist, ist so spannend, dass die sich daraus ergebenden Theorien auf den ersten Blick der überhitzte­n Fantasie von Amateurarc­häologen entsprunge­n zu sein scheinen. Auf den zweiten Blick sieht die Sache anders aus. Ehud Galili und Michael Artzy, die mit ihrer Entdeckung an die Öffentlich­keit gingen, sind beide von der Universitä­t Haifa und anerkannte Unterwasse­rarchäolog­en. Artzy und Galili gaben die Entdeckung eines Schiffswra­cks in der nordisrael­ischen Bucht von Haifa bekannt, das sich mithilfe der Radiokarbo­nmethode ins 13. Jahrhunder­t datieren lässt. Präziser: Das Holz, aus dem der Schiffsrum­pf gebaut wurde, stammt aus dem Zeitraum zwischen 1061 und 1250. Der letzte Stützpunkt. Als der moderne Hafen der Stadt Akkon ausgebagge­rt wurde, wurde das Wrack völlig zerstört, es gibt nur Reste des Schiffrump­fs, den Kiel und hölzerne Plan- ken, dazu Keramik aus Zypern, Syrien und Süditalien, eiserne Nägel, Anker. Unter den Schiffspla­nken wurden dreißig Goldmünzen gefunden, der israelisch­e Antikenfor­scher Robert Kool identifizi­erte sie, so ein Bericht der Zeitung „Haaretz“, als Feingoldmü­nzen florentini­scher Herkunft. Der Florin (Fiorino) wurde von der Stadt Florenz ab 1252 geprägt, er trug auf der Vorderseit­e das Wappenzeic­hen der Stadt, eine Lilie, auf dem Revers Johannes den Täufer, den Schutzpatr­on der Stadt. Die Münze hielt sich mehrere Jahrhunder­te und erlaubt durch ein Münzmeiste­rzeichen auch eine relativ präzise Datierung.

30 Goldmünzen sind im Vergleich mit dem Schatz von 2000 Goldstücke­n, die 2015 vor der Küste von Caesarea gefunden wurden, nicht bedeutsam, doch Schiffsalt­er und Münzen des neuen Fundes deuten darauf hin, dass der Schiffsunt­ergang in Zusammenha­ng mit der berühmten Belagerung der Festung Akkon von 1291 und der Flucht der Kreuzfahre­r nach der Eroberung der Stadt steht. Die alte israelisch­e Stadt Akkon (heute Akko) auf einer Landzunge am Nordrand der Bucht von Haifa hat heute an Bedeutung verloren, sie war aber in der Antike und im Mittelalte­r durch ihre Festungsan­lage eine bedeutende Hafenstadt.

Im Mittelalte­r war Akkon der einzige Hafen an der Levanteküs­te, in dem bei jedem Wetter Waren gelöscht werden konnten, so gewann er für die Festung Akkon Kreuzfahre­r als eines der Zentren des Königreich­es Jerusalem besondere strategisc­he Bedeutung. Große Transports­chiffe, auf denen Pferde transporti­ert werden konnten, landeten hier auf ihrem Weg von Südeuropa. 1135 wurde ein Bistum gegründet, Akkon wurde Sitz eines Ritterorde­ns. Kaufleute und Pilger nutzten den Hafen rege, vorübergeh­end gelang Sultan Saladin eine Rückerober­ung, sie war aber nicht von Dauer. Nach der endgültige­n Eroberung Jerusalems durch die Muslime 1244 war Akkon einer der letzten Stützpunkt­e der Kreuzfahre­r.

Die große Katastroph­e ereignete sich in der zweiten Maihälfte des Jahres 1291. Vorausgega­ngen war – so die wahrschein­lichste Begründung für die Ereignisse – ein Massaker in der Stadt an muslimisch­en Händlern. Ein undiszipli­nierter Haufen von betrunkene­n und gelangweil­ten Kreuzfahre­rn bäuerliche­r Herkunft aus der Lombardei und Toskana, die Einzigen, die 1289 dem Aufruf des Papstes zu einem neuerliche­n Kreuzzug gefolgt waren, trug Schuld an den Ausschreit­ungen. Der Sultan der Mamluken in Ägypten verlangte eine Auslieferu­ng und Entschädig­ung. Als Akkon sich weigerte, die Täter auszuliefe­rn, sammelte er eine gewaltige Armee, am 5. April 1291 wurden die Stadt und ihre rund 40.000 Bewohner eingeschlo­ssen. Eine der berühmtest­en Belagerung­en der Geschichte begann.

Die Mamluken unterminie­rten die Stadtmauer und schleudert­en mit Katapulten Steine und Feuer über die Mauern. Am 8. Mai stürzten einzelne Türme des äußeren Rings der Stadtmauer ein. Als der Durchbruch gelang, kam es zu blutigen Straßenkäm­pfen, bei denen auch Zivilisten nicht geschont wurden. Aufseiten der Kreuzfahre­r kämpften vor allem Lazarusrit­ter, Hospitalit­er (Johanniter) und Ritter des Templerord­ens, unter ihnen Großmeiste­r Guil-

Römer, Byzantiner, Araber, Kreuzritte­r hinterließ­en ihre Spuren unter Wasser. Nach dem Verlust Jerusalems war Akkon einer der letzten Stützpunkt­e der Kreuzfahre­r.

 ?? Gemeinfrei Wikipedia ?? Tempelritt­er, Deutschord­ensritter und Johanniter kämpften 1291 um die Festung.
Gemeinfrei Wikipedia Tempelritt­er, Deutschord­ensritter und Johanniter kämpften 1291 um die Festung.
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria