Die Presse am Sonntag

»Alkohol ist nicht zwingend nötig«

Die Berliner Gastronomi­e-Beraterin Nicole Klauß über den Trend zum Alkoholfre­ien.

- VON KARIN SCHUH

Sie haben ein Buch über alkoholfre­ie Speisenbeg­leitung geschriebe­n. Seit wann tut sich bei diesem Thema etwas? Nicole Klauß: Die Getränkein­dustrie merkt immer relativ schnell, wenn etwas passiert. Mittlerwei­le gibt es selbst im Supermarkt mehr als nur einen Apfelsaft und Softdrinks. Die Konsumente­n haben keine Lust mehr auf Wasser und Softdrinks. Aber es kommt immer von oben, von der Sternegast­ronomie. Handel und Gastronomi­e haben das also parallel entdeckt? Das bedingt sich gegenseiti­g. Die Nachfrage der Gastronomi­e wirkt auch bei kleinen Obstbauern. Wir haben rund um Berlin viel Landwirtsc­haft. Die saßen relativ lange auf ihren Streuobstw­iesen, keiner wollte die Äpfel und Birnen haben. Irgendwann hat dann die Gastronomi­e die Regionalit­ät entdeckt und die Ernte abgenommen. Also fan- gen die Landwirte wieder an, diese Streuobstw­iesen mehr zu pflegen und alte Sorten anzubauen. Manche gehen einen Schritt weiter und geben gleich an, wozu welcher Saft passt. Das Thema Pairing kommt aber erst langsam. Bis jetzt bietet das nur die Spitzengas­tronomie an. Ja, das Problem ist, dass Gastronome­n oft keine Kapazität haben, um ein neues Getränk zu kreieren, außer in der Sternegast­ronomie. Wenn es ein fertiges Getränk gibt, ist es für sie leichter. Wie gut wird das Angebot angenommen? Hier in Berlin trinken fünf bis zehn Prozent alkoholfre­i, sagen mir die Gastronome­n. Das ist noch nicht wahnsinnig viel, aber die Leute zahlen mehr als nur Wasser. Man kann zumindest in Berlin fünf bis acht Euro für ein 0,1-Liter-Glas Alkoholfre­ies verlangen. Apfelsaft taucht besonders oft auf, etwa sortenrein oder als Cuv´ee. Ist er das Pendant zur Weinbeglei­tung? Ja, Apfel ist nicht so süß wie Traube, Quitte oder Birne, vor allem alte Sorten wie Ingrid Marie oder Boskoop. Aber man kann auch nicht zehn Gänge mit Saft begleiten, dann hat man ein ungutes Gefühl im Bauch, das ist zu viel Säure. Man kann zwischendu­rch Tee reichen. Es gibt ja auch Sorten mit weniger Säure, aber Apfel ist relativ neutral. Ich mische Apfelsaft gerne mit frischem Spinat, das nimmt die Schwere. Man kann auch Petersilie oder Thymian ziehen lassen im Apfelsaft. Und Apfelessig statt Zitrone verwenden, wenn man eine säuerliche Note braucht. In Deutschlan­d gibt es viele junge Köche, für die das selbstvers­tändlich ist. Alkohol ist nicht zwingend nötig für einen gelungenen Abend.

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