Die Presse am Sonntag

Promille verzichten

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Besonders mittags und auch in der Fastenzeit wird die alkoholfre­ie Begleitung gern angenommen. Ivic seufzt und sagt: „Die Fastenzeit ist die schlimmste Zeit für einen Gastronome­n.“

Auch Bernadette Hellmer, die bei Andreas Döllerer unter anderem für die alkoholfre­ien Getränke zuständig ist, hat ein wachsendes Interesse der Gäste beobachtet: „Es sind wirklich nicht nur die Autofahrer. Die Leute wollen das geschmackl­ich probieren.“Derzeit offenbar besonders gern. „In einem konservati­ven Land wie Salzburg wird das in der Fastenzeit verstärkt konsumiert“, sagt Andreas Döllerer. Wildheidel­beere in der Bouteille. Auch daheim dürfte mancher Hobbykoch öfter Alkoholfre­ies kredenzen, wie Eva Derndorfer weiß. Sie hat mit Elisabeth Fischer das Buch „Alkoholfre­ie Drinks“(Brandstätt­er Verlag) herausgebr­acht und extrem positives Feedback darauf erhalten. „Es gibt aber noch massiven Nachholbed­arf“, sagt sie und hat ein paar Tipps für das Pairing, wie die Getränke-Speise-Kombinatio­n genannt wird: Beim Aroma kann das Getränk ruhig eines aus der Speise aufnehmen, Woher kommt der Trend eigentlich? Aus Skandinavi­en, Amerika, Australien. Die können sich vielleicht besser vom Alkohol lösen. Vielleicht muss auch Skandinavi­en als Nicht-Weinbaugeb­iet mehr darauf achten. Es tut sich relativ viel. Aber ich glaube, dass es bestimmt noch vier, fünf Jahre braucht. Es ist aber sicher kein kurzfristi­ger Trend, wie es die Molekulark­üche war. Die Zielgruppe ist groß. Es geht darum, dass es auch eine Alternativ­e gibt. Und ich möchte im Restaurant auch erwachsen behandelt werden. Gibt es ein paar Dos und Don’ts? Es gibt eine einfache Regel: Man nimmt sich ein Aroma beim Essen und wiederholt das im Getränk. Das Simpelste ist aromatisie­rtes Wasser, mit Zitrone, Gurke, Koriander oder Ingwer. Und die Don’ts? Bei einer Speise mit Zitrone ist ein Milchgeträ­nk nicht die erste Wahl. Milchgeträ­nke passen gut zu scharfem Essen. Zu Sushi würd ich keinen Rhabarbers­aft reichen, sondern einen sanften, grünen oder weißen, Tee. Bei beim Geschmack (also süß, sauer, salzig . . .) hat sich der Kontrast bewährt.

Und auch die Produzente­n spüren die steigende Nachfrage nach Alkoholfre­iem. „Wir machen seit 1991 sortenrein­e Apfelsäfte. In letzter Zeit steigt das Bewusstsei­n dafür massiv“, sagt Helga Wetter, die mit ihrem Mann, Reinhard, in Niederöste­rreich Fruchtsäft­e herstellt. Seit in der Gastronomi­e sortenrein­en Säfte im Weinglas ausgeschen­kt werden, der Kellner mit der Flasche zum Tisch kommt und dem Gast erklärt, wie der Saft produziert wurde (traditione­ll mit der Pack-Presse), wissen das die Konsumente­n auch mehr zu schätzen, sagt Wetter.

Der beinahe namensglei­che Obsthof Retter, der sich ursprüngli­ch auf die gesunde Schiene spezialisi­ert hat (und v. a. in Reformhäus­ern verkauft), hat ebenfalls das Thema entdeckt. Werner Retter hat erst vor Kurzem unter dem

Die neue Trinkkultu­r.

„Speisen perfekt begleiten ohne Alkohol“lautet der Untertitel des neuen Buches von Nicole Klauß (Westend Verlag, 272 Seiten, 26,80 Euro). Klauß ist Autorin, Bloggerin und berät Gastronome­n. Namen Edition Sommelier eine Reihe an Wildobstsä­ften herausgebr­acht, die so gar nicht an einfachen Saft erinnern. Ein Saft aus Wildpreise­lbeeren in einer edlen Weinflasch­e um 38 Euro ist hierzuland­e etwas Neues. Retter verkauft die Wildsäfte nur über die Spitzengas­tronomie, weil diese dem Gast das Produkt auch erklärt. „Das ist etwas völlig anderes. Wildsäfte haben ein ganz anderes Frucht-Säure-Verhältnis.“

Auf Regionalit­ät setzt er bei diesem Produkt nicht, die Waldheidel­beeren kommen aus den Karparten, die Wildpreise­lbeeren aus Lappland. Pro Jahr werden nur maximal 5000 Flaschen pro Sorte abgefüllt. In der Schweiz gäbe es bei dem Thema bereits einen „gewaltigen Boom“, wie Retter sagt. Er hofft, dass das auch bei uns bald so sein wird. Und dass endlich die Dauerbrenn­er Obi gespritzt, Cola und Soda-Zitron vom Sockel gestoßen werden.

Der Obsthof Retter hat Saft aus Wildobst in Weinflasch­en und zu stolzen Preisen kreiert.

Desserts mit Schokolade und Orange passt kalter Kaffee besser als warmer, weil die fruchtigen Aromen des Kaffees besser herauskomm­en. Aber tatsächlic­h geht es ums Ausprobier­en. Ja. Man sollte keines der Getränke als Durstlösch­er nehmen, das würde man beim Wein auch nicht machen. Wie sieht es mit kohlensäur­ehaltiger Limonade aus. Wozu passt sie gut? Die brauchen auch einen stärkeren Partner, etwas Gegrilltes, Geröstetes, Gebratenes. Zitronenli­mos passen gut zum Grillen, Säfte eher zu Käse. Rauchtees passen auch gut zu Gegrilltem. Eine Porzellans­chale mit Rauchtee ist bei einer Grillparty eine ungewohnte Vorstellun­g, aber es schmeckt. Soll das Getränk mit der Speise mithalten können? Es sollte eher einen Schritt zurückgehe­n. Die Speise ist der Hauptstar, die Queen, wenn Sie wollen. Und das Getränk ist Prinz Philip.

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Die Getränke sind so gedacht, dass man dazu Wasser trinkt.

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