Abgang des Fugen-Ferdl
Jahrzehntelang hat Ferdinand Pi¨ech den Volkswagen-Konzern dominiert. Jetzt hat er seine Anteile verkauft und zieht sich zurück. Der logische Abgang eines kühlen Machtmenschen.
Es war eine Reaktion, typisch für Ferdinand Piech.¨ Da saß er auf dem Beifahrersitz des VW Scirocco, der vom Chefentwickler von Volkswagen, Ernst Fiala, derart flott über eine kurvenreiche Strecke gelenkt wurde, dass er sich fast übergeben musste. „Dann gab’s Fahrerwechsel“, erinnert sich Piech¨ in seiner „Auto-Biografie“(2002, Hoffmann und Campe, Mitarbeit: Herbert Völker). „Ich bot meine Kunst auf, und nun wurde ihm übel. Daraufhin fuhren wir nie wieder im selben Auto miteinander auf solchen Fahrten.“
Auch eine Möglichkeit, einen Konkurrenten loszuwerden. Und wahrscheinlich eine der netteren Methoden Piechs.¨ Mit Nebensätzen hat er in seinen fast 45 Jahren im VW-Konzern Karrieren beendet. Weil er „lieber einen für die betreffende Situation unpassenden Topmanager gefeuert (hat), als die Schwächung des Unternehmens zu riskieren“, wie er in seiner Biografie an anderer Stelle schildert. Oder weil ihm, dem gern allein regierenden Alphatier, jemand zu mächtig wurde.
Insofern überrascht es eigentlich wenig, dass sich Piech¨ diese Woche für gemunkelte 850 Millionen Euro vom Großteil seiner VW-Aktien getrennt hat (aus formalen Gründen behielt er vorerst einen kleinen Anteil). Mit seinem Agieren in den vergangenen Jahren hat er sich im Konzern ins Abseits manövriert: mit der Kritik am einstigen VWVorstandschef Martin Winterkorn etwa oder mit der Erklärung, wichtige Manager hätten viel früher als zugegeben vom Dieselskandal gewusst.
Bevor er es zuließ, dass er an Macht und Einfluss verlor, hat er sich lieber aus dem Konzern zurückgezogen – auch wenn manche meinen, er habe VW mehr geliebt als viele seiner zahlreichen Kinder. Doch der bald 80-Jährige (17. April) reagierte auch hier so kalkuliert wie immer in seinem Leben. Selbst die, die ihn näher kennen, beschreiben ihn als „kühl“.
Woher das kommt, deutet Piech¨ in seinen Memoiren an: „Die Schule (Lyceum Alpinum Zuoz bei St. Moritz, Anm.) war ein typisches Abhärtungsinternat, elitär, schlicht und streng. Leute, die das Bedürfnis hatten, mich und meinen Background zu deuten, haben Passagen aus alten Geschichten zu Schüsselerlebnissen aus der Schulzeit hochstilisiert. Gar so arg war es nicht, aber gelernt hab ich schon einiges.“Vor allem, keine Sentimentalität zuzulassen. Verliebt in Details. Dass Ferdinand Piech¨ und Volkswagen einmal getrennte Wege gehen würden, war für viele undenkbar. Kein anderer Manager hat den Autokonzern so geprägt wie der gebürtige Wiener: erst als Techniker bei Audi, später als Technikvorstand und Audi-Vorstandschef, dann als Vorstandsvorsitzender der gesamten Volkswagen AG und am Ende als Aufsichtsratsvorsitzender.
Kaum jemand aus der Führungsetage (vielleicht noch Winterkorn) mischte sich bei der Autoentwicklung in derart kleine Details ein wie der gelernte Techniker Piech.¨ Das zeigt der Spitzname, den man ihm gegeben hat: Fugen-Ferdl nannten sie ihn innerhalb des Konzerns, weil er besessen war von Spaltmaßen. Zwischen Tür und Kotflügel, zwischen Motorhaube und Scheinwerfer – je kleiner, desto besser. Schmale Spalten, trommelt Piech,¨ erhöhen die Qualitätsanmutung eines Autos.
Sein Anspruch galt auch in großen Fragen. Etwa bei der Entwicklung des TDI-Motors mit Dieseldirekteinspritzung (1989 im Audi 100 2.5 TDI vorgestellt). Obwohl der Mutterkonzern VW ebenfalls am TDI arbeitete, wollte sich Piech¨ – damals bei Audi – die Technologieführerschaft nicht nehmen lassen. Und so arbeitete man parallel an der teuren Entwicklung. Etwas, was Piech¨ als VW-Vorstandschef sofort abgedreht hätte. Aber heraus kam ein Motor, der einen Vorsprung von mehreren Jahren auf die gesamte Konkurrenz hatte.
Ähnlich beim Allrad. Piech¨ forcierte bei Audi die Quattro genannte Technologie, 1978 gab es einen Prototyp. Man lud den VW-Vertriebschef für Tests auf die Turracher Höhe in Österreich ein, wo der Audi auf Sommerreifen gleichzog mit anderen Fahrzeugen mit Winterreifen und Schneeketten. Als die Manager meinten, sie wollten von der Quattro-Version 400 Fahrzeuge bauen, reagierte der Vertriebschef allerdings entsetzt: „Wem, um Himmels willen, soll ich denn vierhundert von den Dingen verkaufen?“Audi schrieb mit dem Quattro Geschichte.
Dass Piech¨ sein Leben lang immer etwas härter gearbeitet hat und wenig Harmoniebedürfnis zeigte, wenn es um Fortkommen, Karriere und den Erfolg von VW ging, hat vielleicht auch mit seinem Namen zu tun. Piech¨ soll es ärgern, dass er, Sohn des Wiener An-
Am 17. April 1937
wird Ferdinand Pi¨ech als Sohn des Wiener Anwalts Anton Pi¨ech und dessen Frau, Louise, Tochter von Ferdinand Porsche, geboren.
Ab 1972
arbeitete Pi¨ech im VW-Konzern mit. Zuerst als Techniker bei Audi, schnell stieg er zum Technikvorstand auf, ab 1988 war er Vorstandsvorsitzender von Audi. 1993 wurde Pi¨ech Vorstandschef der Volkswagen AG, den Job hatte er bis 2002 inne. Danach war er bis April 2015 Vorsitzender des Aufsichtsrats. walts Anton Piech¨ und dessen Frau, Louise (Tochter von Firmengründer Ferdinand Porsche), „Nichtnamensträger“ist, wie angeblich Cousin Wolfgang Porsche gern über ihn spottet.
Das Beispiel zeigt schon, wie schlecht das Verhältnis zwischen den Familien Porsche und Piech¨ ist, die sich die Stimmenmehrheit bei Volkswagen aufteilen und sich nur noch selten auf dem Familienstammsitz in Zell am See treffen. Wahrscheinlich war das auch ausschlaggebend dafür, dass Ferdinand Piech¨ seine Anteile (14,7 Prozent) an seinen jüngeren Bruder Hans Michel verkauft hat. Die Familie Piech¨ verfügt damit weiterhin über die Sperrminorität von 25,1 Prozent. Es sei eine gemeinsame Entscheidung beider Familien gewesen, behauptete Hans Michel Piech¨ in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“.
Dazu gehört vielleicht auch, dass sich Ferdinand Piech¨ im Herbst endgültig aus dem Aufsichtsrat der Porsche SE verabschieden wird, die mit etwa 52 Prozent der stimmberechtigten Stammaktien Mehrheitseigentümer des VW-Konzerns ist. Möglicherweise heißt es dann aufpassen im Salzburger Land. Piech¨ hat dann Zeit und angeblich einen ansehnlichen Fuhrpark. Neben einem Audi R8 und einem Bugatti Veyron stehen auch drei Ferrari in seiner Tiefgarage. Eigentlich passend für die Abkehr von VW.
Dass Ferdinand Pi¨ech und VW einmal getrennte Wege gehen, war für viele undenkbar.