Die Frau, die die Hoteliers das Fürchten lehrt
Gillian Tans fing bei Booking.com an, als es ein kleines Start-up mit großer Vision war. Heute ist sie eine der mächtigsten Frauen der Internetindustrie. Für Klagen der Hoteliers hat sie kein Verständnis. Den Preis der Internationalisierung setze der Kund
Während sich die fröhlich plaudernde Menge an den Ständen der Messehalle 9 vorbeischiebt, ist es im kleinen, weißen Besprechungszimmer von Gillian Tans ruhig. Dumpf hört man hier oben das Summen der Tausenden Hoteliers und Reiseveranstalter, die sich alljährlich auf der weltgrößten Tourismusmesse ITB in Berlin einfinden. Über dem Ausstellungsmeer, hinter einer weiß getönten Scheibe verborgen, empfängt sie ihre Gesprächspartner. Vorgelassen wird nur, wer einen persönlichen Termin hat.
Gillian Tans ist eine der unbekanntesten und zugleich mächtigsten Frauen der Internetindustrie. Seit knapp einem Jahr leitet die Niederländerin das Buchungsportal Booking.com – und damit den allergrößten Teil des amerikanischen Reiseportalriesen Priceline, der an der Nasdaq mit 81,8 Mrd. Euro bewertet wird. Davon hätte die scheidende Yahoo-Vorstandschefin, Marissa Mayer, auch auf dem Höhepunkt der Suchmaschine nur träumen können.
Tans herrscht über ein weltweites Tourismusimperium, das polarisiert. Kunden schätzen die Preistransparenz und die einfache Zimmersuche auf ihrer Internetseite. Hoteliers fühlen sich vom mächtigen Mitspieler bedrängt, beklagen Knebelklauseln nebst hohen Provisionen und ziehen vor Gericht. In der Türkei hat ein Richter der dortigen Internetseite erst vergangene Woche wegen „unfairem Wettbewerb“kurzerhand den Stecker gezogen. Start-up mit 14.000 Mann. Das kleine Start-up, in dem Tans und eine Handvoll Kollegen 2002 von einer weltumspannenden Hotelvermittlung träumten, hat heute 24 Millionen Zimmer und 14.000 Mitarbeiter in mehr als 180 Büros. Alle Inhalte werden im Haus selbst in die 42 Sprachen der mehr als 200 Länder und Gegenden übersetzt, in denen man vertreten ist. „Wir sind wahrscheinlich eines der größten Übersetzungsbüros der Welt“, sagt Tans. Hier wie bei allen anderen Themen gibt man kaum etwas aus der Hand. Booking.com lässt sich ungern in die Karten schauen.
Trotz der Größe des Amsterdamer Konzerns betont Tans ähnlich wie die Chefs von Amazon und Apple, sich die bodenständige Mentalität, die kreative Verrücktheit und die Basisdemokratie der ersten Stunde bewahrt zu haben. Das Wort „Bescheidenheit“verwendet sie oft. Die frischen Ideen, die ein so großer Organismus wie ihrer täglich brauche, könnten in einer Hierarchie nur von unten nach oben fließen. Dass alle am Ende im Gleichschritt in die Zukunft marschieren, sei dann als CEO ihre Aufgabe. „Die Leute fragen manchmal: ,Ihr seid so groß, wie könnt ihr bescheiden sein?‘“, erzählt Tans und gibt sich selbst die Antwort: „Man muss sich auf den Kunden konzentrieren, nicht auf sich selbst. Das ist die große, große Gefahr.“
Das Einzige, das sie im Gespräch mit der „Presse am Sonntag“noch öfter sagt, ist: „Das sagen wir leider nicht.“Das gilt gleichermaßen für Umsatz, Kundenzahlen wie Investitionssummen. Auch wenn die Amsterdamer schwören, nicht von den Nasdaq-Kur- sen, sondern den Wünschen ihrer Nutzer angetrieben zu werden, hat der USKonzern das letzte und einzige Wort in der Kommunikation. Priceline rettete das strauchelnde IT-Unternehmen, das 1996 vom Informatiker Geert-Jan Bruinsma als kleine, holländische Homepage gegründet wurde, 2005 für einen im Nachhinein betrachtet wohlfeilen Kaufpreis von 125 Mio. Euro. So konnten Tans und die anderen ihre Vision vom grenzenlosen Reisen weiter vorantreiben. Tans, die bereits eine lange Karriere bei großen Hotelketten wie der Intercontinental-Gruppe hinter sich hatte, als sie 2002 zu Booking.com stieß, wusste, wie schwierig es ist, Gäste zum Hotel zu lotsen. „Als das Internet kam, dachte ich: ,Gut, das könnte wirklich helfen, das Ganze zu vereinfachen.‘“, erinnert sie sich. Wettbewerbsbelebung. Beschwerden der Hoteliers über hohe Vermittlungskosten lassen sie unberührt. Meldungen, in denen von 30 Prozent Provision die Rede ist, „sind wirklich nicht wahr“. Im weltweiten Durchschnitt nehme man 15 Prozent. „Jedes Unternehmen hätte gern einen direkten, kostenlosen Marktzugang“, sagt Tans. Und fügt ironisch hinzu: „Es wäre auch toll, wenn wir Google nichts zahlen müssten. Aber das ist unmöglich.“Sie zitiert als Gegenargument eine von Booking.com kürzlich bei Oxford Economics in Auftrag gegebene Studie: Buchungsplattformen wie ihre hätten Österreichs Unterkünften bisher 3,2 Millionen zusätzliche Nächtigungen gebracht. Die
»Als das Internet kam, dachte ich: ›Das könnte helfen, das Ganze zu vereinfachen.‹«