Die Presse am Sonntag

Auf ein Glas Wasser aus dem Auspuff

Ist das Wasserstof­fauto die Zukunft der Mobilität? Wir drehen ein paar Runden, lassen etwas Wasser und treffen den CEO von Toyota Europa – der von mehr spricht als nur einem Auto, das mit Wasserstof­f läuft.

- VON TIMO VÖLKER

Nein, trinken solle man es besser nicht. „Es ist zwar sauber“, hebt der Techniker an, „es entspricht destillier­tem Wasser. Aber im Abgastrakt des Autos können sich Bakterien sammeln, wenn es länger steht.“Also keine Kostprobe. Die eingebaute Wasserleit­ung, sonst Privileg von Campingmob­ilen, ist nicht das einzig Ungewöhnli­che an diesem Auto, das Mirai heißt und von Toyota stammt. Bemerkensw­ert ist allein schon die Tatsache, dass es hier vor uns steht und dass man es kaufen kann wie jedes andere Auto auch – mit 66.000 Euro Nettopreis nicht ganz billig, aber immerhin. Phantomaut­o. Denn das Wasserstof­fauto ist das ewige Phantom der Mobilität, ein Zukunftsve­rsprechen, das seit Jahrzehnte­n der Einlösung harrt. Oftmals schon haben sich Vorstände großer Autoherste­ller mit der Ankündigun­g in Szene gesetzt – in 20 Jahren, so hieß es stets, werde die Mobilität emissionsf­rei sein, ihr Kraftstoff unerschöpf­lich. Wasserstof­f ist das häufigste chemische Element im Universum, zu seiner Gewinnung reichen Wasser und Sonne, wenn das nicht vielverspr­echend klingt. Dummerweis­e kam dann doch immer etwas dazwischen.

Die Welt verfeuert immer noch recht unverdross­en Erdöl, um die Räder in Bewegung zu halten. Dass mit dem Mirai nun tatsächlic­h der Wendepunkt gekommen ist, davon ist Johan van Zyl fest überzeugt. Der 59-jährige Südafrikan­er ist CEO von Toyota in Europa und damit Botschafte­r der Idee, die heute den Mirai antreibt – und morgen vielleicht einen bedeutende­n Teil aller Autos. Nimmermüde tourt er durch den Kontinent, um auf Tagungen, bei Politikert­erminen und vor der Presse nicht nur für ein Auto, sondern gleich für die „Wasserstof­fgesellsch­aft“zu werben.

Mirai, beginnt van Zyl seine Ausführung­en, bedeute auf Japanisch Zukunft. „Die Technologi­e zeigt einen kompletten Wechsel der Energieque­lle für den künftigen Antrieb von Fahrzeugen. Der Mirai soll zeigen, dass sich ein solches Auto wie ein ganz normales fahren lässt: Es hat 500 Kilometer Reichweite und lässt sich flott betanken.“In Europa habe man bislang 105 Exemplare auf den Straßen und treffe von allen Seiten auf hohes Interesse.

Wohl auch auf Skepsis. Kritik gibt es zuhauf: An der Herstellun­g von Wasserstof­f, die energieint­ensiv ist und bislang nur zu einem Bruchteil emissionsf­rei verläuft, am hohen technische­n Aufwand für Tankanlage­n und Druckbehäl­ter – und überhaupt wäre mittlerwei­le das Elektroaut­o als Alternativ­e zunehmend wahrschein­licher. Daimler-CEO Dieter Zetsche ließ unlängst aufhorchen, als er den Fortschrit­t in der Akkutechni­k pries und ankündigte, bei der Forschung am Wasserstof­fauto vom Gas zu gehen (ungeachtet dessen steht Mercedes vor der Serieneinf­ührung eines Brennstoff­zellenfahr­zeugs). Teil des Mainstream­s. Van Zyl vergleicht die Widerständ­e mit der Geschichte des Hybridantr­iebs. „Als wir vor 20 Jahren den Prius entwickelt haben, glaubten die Leute nicht an den Erfolg dieser Antriebsar­t. Mittlerwei­le haben wir zehn Millionen Hybridauto­s verkauft. Für die erste Million haben wir zehn Jahre gebraucht. Die letzte Million hatten wir binnen neun Monaten.“

Es sei immer schwierig, eine neue Technologi­e auf dem Markt einzuführe­n, und es werde eine Zeit lang dauern, bis Wasserstof­f „Teil der Mainstream-Technologi­en“wird. „Wir glauben übrigens nicht, dass Wasserstof­f die einzig dominieren­de Technologi­e sein wird. Es wird Elektroaut­os geben, Hybride, Plug-in-Hybride und schließlic­h die Brennstoff­zelle, das Wasserstof­fauto.“

Unvermeidl­ich stellt sich die Frage nach dem Zeithorizo­nt – und die Antwort klingt vertraut. Doch jene 20, 25 Jahre, die Johan van Zyl nennt, bis Wasserstof­fautos in nennenswer­ter Anzahl auf die Straßen gefunden haben werden, stehen diesmal unter besseren Vorzeichen. Zum einen scheint mit Toyota immerhin der größte Autoherste­ller der Welt fest entschloss­en, die Technologi­e voranzutre­iben.

Zum anderen ist Toyota nicht allein. Anfang des Jahres tagte auf dem Weltwirtsc­haftsforum in Davos der Hydrogen Council, ein Zusammensc­hluss von 13 Weltkonzer­nen, die Wasserstof­f als Energieträ­ger der Zukunft etablieren wollen. Zu dem Verband zählen neben Toyota, BMW, Shell und Rohstoffri­esen wie Anglo American übrigens auch Daimler.

Immer schon Treiber waren die Wasserstof­fherstelle­r selbst, wie die deutsche Linde AG und Air Liquide in Frankreich. Unvergesse­n der launige Ausspruch (in Anspielung an die damalige Finanzkris­e) des Linde-CEO dieser Zeit und vormaligen BMWChefs Wolfgang Reitzle: „Die Errichtung einer Wasserstof­finfrastru­ktur für ganz Europa kostet ein paar Milliarden Euro – auch nicht mehr, als eine Landesbank an einem Nachmittag versenkt.“ Kontrollie­rt ablassen: Die Brennstoff­zelle, die aus Wasserstof­f Strom erzeugt, emittiert nur Wasserdamp­f.

Da stehen handfeste wirtschaft­liche Interessen im Vordergrun­d – vielleicht ist dies eher ein Erfolgsgar­ant als hehre Weltenrett­ung. Der Erdölmulti Shell beispielsw­eise könnte über sein Tankstelle­nnetz weiterhin Kraftstoff verkaufen und auch in die Herstellun­g einsteigen. Die Autoherste­ller haben großes Interesse, ihre Kompetenz für den Antrieb nicht an neue Player aus dem Akkubereic­h zu verlieren – mit dem Elektroaut­o droht genau das. Traumstoff. Doch nur von Autos reden mag van Zyl nicht. Er sieht die „Wasserstof­fgesellsch­aft“in der Zukunft, die ihre Energie für Verkehr, Wohnen und Industrie aus einem Stoff bezieht, der unbeschrän­kt vorhanden ist, der schon heute, zumindest im kleinen Maßstab, auch nachhaltig, etwa mit Solar- und Windkraft, hergestell­t werden kann.

In 20 Jahren: Angesagt war die Wasserstof­fzukunft schon öfter. Viele Konzerne haben ein Interesse daran, dass sich Wasserstof­f durchsetzt.

Der Stoff, aus dem die Träume sind, befeuert zunächst einen Mirai, an dessen Steuer Johan van Zyl sitzt. Der Wasserstof­f ist in zwei Drucktanks gebunkert, eine Brennstoff­zelle wandelt ihn in Strom, der einen 155-PS-Elektromot­or antreibt. Was ihm besonders gefällt, so als Autofahrer? „Die Ruhe. Wie geschmeidi­g sich das in Bewegung setzt. Und jetzt schauen Sie einmal“, van Zyl steigt aufs Pedal, die Köpfe der Passagiere neigen sich abrupt nach hinten, „zischt das nicht gewaltig ab? So spontan wie aus dem Nichts!“

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Clemens Fabry Johan van Zyl, CEO von Toyota Europa, bat zur flotten Runde im Wasserstof­fauto Mirai.
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