Die historische Meistershow
Die Vienna Capitals sind das Maß aller Dinge im österreichischen Eishockey. Eine eindrucksvolle Saison voller Bestmarken krönten sie mit dem zweiten Meistertitel der Klubgeschichte.
Ligarekorde im Grunddurchgang, Sieger der Zwischenrunde, keine einzige Play-off-Niederlage: Beeindruckender ist in der Erste Bank Eishockey Liga noch niemand zum Meistertitel marschiert wie die Vienna Capitals in dieser Saison. Auch in der Finalserie war für den wieder erstarkten Rekordmeister KAC nichts zu holen, ein 3:2-Sieg im vierten Duell in Klagenfurt bescherte den Wienern den zweiten Meisterpokal der Vereinsgeschichte nach 2005. „Es war eine tolle Reise seit dem ersten Tag“, erklärte Headcoach und Meistermacher Serge Aubin.
Der 42-jährige Frankokanadier hat sich für die Capitals als Goldgriff erwiesen. In der vergangenen Saison hatte sich die Vereinsführung in Kagran noch mit Jim Boni überworfen und den Meistercoach von 2005 nach dem Viertelfinal-Aus verabschiedet. Ein Nachfolger ließ lange auf sich warten, Aubin stand nur zur Verfügung, weil sein damaliger Klub Hamburg Freezers aus der DEL ausgestiegen war. Ein Glücksfall, wie Hans Schmid stets erklärte und Recht behalten sollte. Der CapitalsPräsident sprach auch nicht mehr öffentlich vom Titel, die Zielsetzung wurde zurückgeschraubt, Aubin konnte seine Hockeyphilosophie in Ruhe und von Spiel zu Spiel umsetzen.
Der ehemalige NHL-Profi (396 Partien) spielte noch an der Seite von Legenden wie Joe Sakic und Patrick Roy, ihren Siegeswillen, ihren Arbeitsethos, vor allem ihren Teamgeist brachte er mit nach Kagran. „Wir haben eine neue Identität aufgebaut“, sagte Aubin nach dem Ebel-Triumph, es ist sein erster Titel, mit Colorado scheiterte er als Aktiver einmal im NHL-Confer- ence-Final. „Wir waren eine Familie, die in die gleiche Richtung zog. Toll, es auf diese Weise zu schaffen, das kann uns keiner mehr nehmen.“Aubins Credo lautete: Tägliche, harte Arbeit, vor allem dann, wenn weder Zuschauer noch Kameras in der Halle sind und trotzdem Einsatz und Wille gefragt sind. „Ich bin stolz auf die Mannschaft. Die Burschen haben alles gemacht, was wir von ihnen verlangt haben.“ Das Kollektiv. Der Kanadier konnte auf ein Dutzend starker Legionäre setzen. Kapitän Jonathan Ferland, Jamie Fraser, Kelsey Tessier, Ryan McKiernan und Torhüter J. P. Lamoureux waren Schlüsselspieler, Riley Holzapfel war bester Torjäger der Liga (34 Treffer) und wurde zum wertvollsten Spieler (MVP) der Liga gewählt, eine Auszeichnung, die dem Team gelte, wie der Kanadier betonte. Auch die heimischen Routiniers Andreas Nödl und vor allem Rafael Rotter (mit 14 Assists bester Vorbereiter im Play-off ) bildeten das Gerüst der Meistermannschaft. „Wir haben uns von Spiel zu Spiel gesteigert. Es war eine überragende Saison“, jubelte der Wiener Publikumsliebling.
Aubin aber vergaß die jungen Österreicher nicht, schenkte ihnen auch in heiklen Situationen das Vertrauen. Bestes Beispiel ist Zweier-Tormann David Kickert, der zum Youngster der Saison gekürt wurde. Der 23-Jährige war mit 93,6 Prozent gehaltener Schüsse der beste Tormann der Liga, er gab zwei Finalpartien gegen den KAC die entscheidende Wende und hütete beim vierten und letzten Spiel von Beginn an das Tor.
So wurde die Finalserie zu einer eindrucksvollen Revanche. 2013 unterlagen die Capitals dem KAC noch 0:4, auch die Finalserie 2015 endete mit einer 0:4-Abfuhr gegen Salzburg. Doch selbst den Ligakrösus der vergangenen Jahre hatte das Team von Aubin heuer im Griff (Bilanz 4:2). Mit 33 Siegen, 98 Punkten und nur 95 Gegentoren stell- ten die Wiener schon im Grunddurchgang Ligarekorde auf, ehe sie als erste Mannschaft seit der Ebel-Gründung 2003/04 ohne Play-off-Niederlage und mit noch nie dagewesenen „triple sweep“zum Meistertitel stürmten (jeweils 4:0 gegen Innsbruck, Südtirol und KAC). Insgesamt gingen von 66 Saisonspielen nur 15 verloren. Nach den Feierlichkeiten wird sich vor allem eine Frage stellen: Können Präsident Schmid, General Manager Franz Kalla und Coach Aubin (Vertrag bis 2018) diese Mannschaft zusammenhalten? Volle Hallen. Aber nicht nur sportlich sind die Capitals derzeit die Nummer eins im österreichischen Eishockey. Jeweils über 7000 Zuschauer verfolgten die Finalspiele in der ausverkauften Albert-Schultz-Halle, mit insgesamt 145.866 Zuschauern sind die Wiener im österreichischen Mannschaftssport in der bisherigen Saison sogar die Nummer drei hinter Rapid und Sturm Graz, und noch vor der Austria (bei allerdings mehr Heimspielen).
Serge Aubin sah die Weltstars, brachte ihren Arbeitsethos und Teamgeist nach Kagran. Auch heuer übertraf die Liga die Marke von einer Million Zuschauern in den Eishallen.
Dabei lag Eishockey vor nicht allzu langer Zeit in Wien auf dem Boden. Der Traditionsverein WEV, 1923 erster österreichischer Meister wurde im Jahr 2000 aufgelöst. Ex-Teamspieler Martin Platzer und WEV-Ikone Kurt Harand gründeten die Capitals, 2003 übernahm Hans Schmid das Präsidentenamt, 2005 gelang Jim Boni der Meistercoup. Zwölf Jahre vergingen bis zum nächsten Titel, Verteidiger Philippe Lakos, 36, war als einziger Spieler bei beiden mit von der Partie. Die Capitals haben nun endgültig aufgeholt. Das zeigt auch der österreichische Meistertitel der U20 und U18. Eine Spielzeit, die in Kagran in Erinnerung bleiben wird.