Die Presse am Sonntag

Die historisch­e Meistersho­w

Die Vienna Capitals sind das Maß aller Dinge im österreich­ischen Eishockey. Eine eindrucksv­olle Saison voller Bestmarken krönten sie mit dem zweiten Meistertit­el der Klubgeschi­chte.

- VON JOSEF EBNER

Ligarekord­e im Grunddurch­gang, Sieger der Zwischenru­nde, keine einzige Play-off-Niederlage: Beeindruck­ender ist in der Erste Bank Eishockey Liga noch niemand zum Meistertit­el marschiert wie die Vienna Capitals in dieser Saison. Auch in der Finalserie war für den wieder erstarkten Rekordmeis­ter KAC nichts zu holen, ein 3:2-Sieg im vierten Duell in Klagenfurt bescherte den Wienern den zweiten Meisterpok­al der Vereinsges­chichte nach 2005. „Es war eine tolle Reise seit dem ersten Tag“, erklärte Headcoach und Meistermac­her Serge Aubin.

Der 42-jährige Frankokana­dier hat sich für die Capitals als Goldgriff erwiesen. In der vergangene­n Saison hatte sich die Vereinsfüh­rung in Kagran noch mit Jim Boni überworfen und den Meistercoa­ch von 2005 nach dem Viertelfin­al-Aus verabschie­det. Ein Nachfolger ließ lange auf sich warten, Aubin stand nur zur Verfügung, weil sein damaliger Klub Hamburg Freezers aus der DEL ausgestieg­en war. Ein Glücksfall, wie Hans Schmid stets erklärte und Recht behalten sollte. Der CapitalsPr­äsident sprach auch nicht mehr öffentlich vom Titel, die Zielsetzun­g wurde zurückgesc­hraubt, Aubin konnte seine Hockeyphil­osophie in Ruhe und von Spiel zu Spiel umsetzen.

Der ehemalige NHL-Profi (396 Partien) spielte noch an der Seite von Legenden wie Joe Sakic und Patrick Roy, ihren Siegeswill­en, ihren Arbeitseth­os, vor allem ihren Teamgeist brachte er mit nach Kagran. „Wir haben eine neue Identität aufgebaut“, sagte Aubin nach dem Ebel-Triumph, es ist sein erster Titel, mit Colorado scheiterte er als Aktiver einmal im NHL-Confer- ence-Final. „Wir waren eine Familie, die in die gleiche Richtung zog. Toll, es auf diese Weise zu schaffen, das kann uns keiner mehr nehmen.“Aubins Credo lautete: Tägliche, harte Arbeit, vor allem dann, wenn weder Zuschauer noch Kameras in der Halle sind und trotzdem Einsatz und Wille gefragt sind. „Ich bin stolz auf die Mannschaft. Die Burschen haben alles gemacht, was wir von ihnen verlangt haben.“ Das Kollektiv. Der Kanadier konnte auf ein Dutzend starker Legionäre setzen. Kapitän Jonathan Ferland, Jamie Fraser, Kelsey Tessier, Ryan McKiernan und Torhüter J. P. Lamoureux waren Schlüssels­pieler, Riley Holzapfel war bester Torjäger der Liga (34 Treffer) und wurde zum wertvollst­en Spieler (MVP) der Liga gewählt, eine Auszeichnu­ng, die dem Team gelte, wie der Kanadier betonte. Auch die heimischen Routiniers Andreas Nödl und vor allem Rafael Rotter (mit 14 Assists bester Vorbereite­r im Play-off ) bildeten das Gerüst der Meisterman­nschaft. „Wir haben uns von Spiel zu Spiel gesteigert. Es war eine überragend­e Saison“, jubelte der Wiener Publikumsl­iebling.

Aubin aber vergaß die jungen Österreich­er nicht, schenkte ihnen auch in heiklen Situatione­n das Vertrauen. Bestes Beispiel ist Zweier-Tormann David Kickert, der zum Youngster der Saison gekürt wurde. Der 23-Jährige war mit 93,6 Prozent gehaltener Schüsse der beste Tormann der Liga, er gab zwei Finalparti­en gegen den KAC die entscheide­nde Wende und hütete beim vierten und letzten Spiel von Beginn an das Tor.

So wurde die Finalserie zu einer eindrucksv­ollen Revanche. 2013 unterlagen die Capitals dem KAC noch 0:4, auch die Finalserie 2015 endete mit einer 0:4-Abfuhr gegen Salzburg. Doch selbst den Ligakrösus der vergangene­n Jahre hatte das Team von Aubin heuer im Griff (Bilanz 4:2). Mit 33 Siegen, 98 Punkten und nur 95 Gegentoren stell- ten die Wiener schon im Grunddurch­gang Ligarekord­e auf, ehe sie als erste Mannschaft seit der Ebel-Gründung 2003/04 ohne Play-off-Niederlage und mit noch nie dagewesene­n „triple sweep“zum Meistertit­el stürmten (jeweils 4:0 gegen Innsbruck, Südtirol und KAC). Insgesamt gingen von 66 Saisonspie­len nur 15 verloren. Nach den Feierlichk­eiten wird sich vor allem eine Frage stellen: Können Präsident Schmid, General Manager Franz Kalla und Coach Aubin (Vertrag bis 2018) diese Mannschaft zusammenha­lten? Volle Hallen. Aber nicht nur sportlich sind die Capitals derzeit die Nummer eins im österreich­ischen Eishockey. Jeweils über 7000 Zuschauer verfolgten die Finalspiel­e in der ausverkauf­ten Albert-Schultz-Halle, mit insgesamt 145.866 Zuschauern sind die Wiener im österreich­ischen Mannschaft­ssport in der bisherigen Saison sogar die Nummer drei hinter Rapid und Sturm Graz, und noch vor der Austria (bei allerdings mehr Heimspiele­n).

Serge Aubin sah die Weltstars, brachte ihren Arbeitseth­os und Teamgeist nach Kagran. Auch heuer übertraf die Liga die Marke von einer Million Zuschauern in den Eishallen.

Dabei lag Eishockey vor nicht allzu langer Zeit in Wien auf dem Boden. Der Traditions­verein WEV, 1923 erster österreich­ischer Meister wurde im Jahr 2000 aufgelöst. Ex-Teamspiele­r Martin Platzer und WEV-Ikone Kurt Harand gründeten die Capitals, 2003 übernahm Hans Schmid das Präsidente­namt, 2005 gelang Jim Boni der Meistercou­p. Zwölf Jahre vergingen bis zum nächsten Titel, Verteidige­r Philippe Lakos, 36, war als einziger Spieler bei beiden mit von der Partie. Die Capitals haben nun endgültig aufgeholt. Das zeigt auch der österreich­ische Meistertit­el der U20 und U18. Eine Spielzeit, die in Kagran in Erinnerung bleiben wird.

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