Der Held der Hillbillys
J. D. Vance hat ein Memoir über das Erwachsenwerden in der verarmten weißen Arbeiterklasse geschrieben – und erregte damit in den USA viel Aufmerksamkeit. Nach Donald Trumps Triumph ist der Erklärungsbedarf groß, insbesondere unter den Menschen, die den neuen amerikanischen Präsidenten nicht gewählt haben. So ist es wohl zu erklären, dass ein autobiografischer Bericht wie die „Hillbilly-Elegie“des jungen Autors J. D. Vance zum Bestseller wurde. Wer hat sich schon früher für verarmte weiße Arbeiter aus den Appalachen interessiert? Verfasst im in den USA beliebten Genre des Memoir ist es im Original bereits im Juni 2016 erschienen; der Name Donald Trumps fällt kein einziges Mal, und doch erklärt Vance indirekt, warum Hillbillys in ihm einen Helden sehen können: Sie haben sonst keine.
Darüber hinaus erzählt die Familiengeschichte von den sozioökonomischen Veränderungen der vergangenen Jahrzehnte, vom Glauben an den amerikanischen Traum und dessen Enttäuschung. Vor allem aber bietet der Autor eine augenöffnende Innensicht über das Aufwachsen eines Weißen in Armut und brüchigen Verhältnissen, umgeben von Erwachsenen, die zu viele Probleme am Hals haben, als dass sie sich um ihre Kinder kümmern könnten. „Eine Welt wahrhaft irrationalen Verhaltens“nennt Vance diese Umgebung: „Wir kaufen riesige Fernseher und iPads auf dem Weg ins Armenhaus.“Eine Frage, die ihn umtreibt: Hätte sich die (drogenabhängige, gewalttätige) Mutter auch anders verhalten können? Für seine eigene „Rettung“macht er übrigens die Großmutter, Mamaw genannt, verantwortlich. som J. D. Vance: „Hillbilly-Elegie. Die Geschichte meiner Familie und einer Gesellschaft in der Krise“, übersetzt von Gregor Hens, Ullstein, 303 Seiten, 22,70 Euro.