Die Presse am Sonntag

Die unerträgli­che Leichtigke­it des (Aus-)Schlafens

Er ist bei vielen gestört und zu kurz: der Schlaf. Experten sind sich einig: Wer leistungsf­ähig sein will, sollte regelmäßig sieben bis acht Stunden schlafen. Noch wichtiger ist nur, sich keinen Stress mit der Nachtruhe zu machen.

- VON ANNA-MARIA WALLNER UND EVA WINROITHER

Acht Gruppen von Schlafstör­ungen kennt die Weltgesund­heitsorgan­isation. Dazu gehören allgemeine Schlaflosi­gkeit ebenso wie Schlafwand­eln oder organische Ursachen wie Atmungsstö­rungen und das Restless-Leg-Syndrom. Wer auf Dauer nicht oder nicht gut schlafen kann, ist nicht zu beneiden.

Wobei die Einstellun­g zum Schlaf und wie wir ihn gestalten im Lauf der Geschichte einem großen Wandel unterliegt und heute von Trends beeinfluss­t wird. Die alten Ägypter glaubten, dass im Schlaf die Götter durch Träume mit den Menschen kommunizie­rten; Sigmund Freud sah darin als Begründer der Traumdeutu­ng einen Weg zur Psyche der Menschen. Das eigene Bett und das Phänomen des Alleinschl­afens und Paarschlaf­ens sind sehr jung, vielleicht 150 Jahre alt. Auch die Ansicht, dass man „gut schlafen“muss, ist relativ neu. Jüngst wird der Schlaf zum Lifestyle erklärt. Was Betten- und Matratzenh­ersteller, Lampen- und Tee-Erzeuger zu nutzen wissen. Die Schlafbera­tung ist ein weites Feld, von den Babys bis zu den Erwachsene­n. Notorische Schlechtsc­hläfer. Was viele dabei vergessen: „Wie es mir untertags geht, wird nur zu einem Teil von meinem Schlaf beeinfluss­t“, sagt Schlafmedi­ziner Seidel. Was notorische­n Schlechtsc­hläfern gleich etwas Druck nehmen könnte. Auch der Schlafrhyt­hmus war früher ein anderer als heute. Der US-Historiker Roger Ekirch vertritt die These, dass Menschen früher in zwei Phasen zu jeweils vier Stunden schliefen. Weil man dazwischen etwa das Feuer wieder anzünden musste. Wer also in der Nacht aufwacht, sollte sich darüber nicht ärgern. Durchschla­fen ist offenbar etwas, was der Körper nicht unbedingt kennt und braucht. Jeder wacht in der Nacht mehrmals auf, auch Babys – nur erinnern wir uns daran selten.

Die größte Zäsur erlebte das Schlafen ohnehin mit der Erfindung der Glühbirne. War früher der Alltag durch Sonnenauf- und -untergang bestimmt, war nun das Arbeiten auch nach der Dunkelheit, also rund um die Uhr, möglich. Mittlerwei­le gilt jemand, der wenig schläft, als leistungsf­ähig. Eigentlich sollte das umgekehrt sein. Zuletzt fanden wieder Schlaffors­cher Gehör, die das Gegenteil propagiere­n. Nur wer ausreichen­d schläft, ist auch leistungsf­ähig. Wobei sich die Forschung über das „Wie lang“noch nicht ganz einig ist. Für Stefan Seidel ist das Wichtigste, „eine gewisse Stabilität im SchlafWach-Rhythmus“. Es zähle also weniger, wie viel man schläft, und mehr, dass man stets gleich viel schläft. Und wie steht er zum Langschlaf­en? „Aus- schlafen ist schon gescheit. Am Wochenende, aber nicht täglich.“Wenn Menschen ein- bis zweimal in der Woche ihr Schlafdefi­zit nachholen, sei das gut. Gibt es so etwas wie ein Überschlaf­en? „Manche Menschen berichten, dass sie sich nicht wohlfühlen, wenn sie länger schlafen. Das hat aber vor allem damit zu tun, dass sie gegen den eigenen Rhythmus arbeiten und etwa drei, vier Stunden länger im Bett sind als notwendig.“Der Arzt rät daher, sich gleich nach dem Aufstehen körperlich zu betätigen und nicht stundenlan­g im Bett herumzulie­gen.

Ein durchschni­ttlicher Erwachsene­r braucht sieben bis acht Stunden Schlaf, lautet die Empfehlung der meisten Experten. Wobei sich manche mit weniger zufriedeng­eben. Am wichtigste­n sei es jedenfalls, dem Körper zu geben, wonach er verlangt. Denn wer seinen Schlaf unterdrück­t, dem geht

Durchschla­fen ist offenbar etwas, was der Körper nicht unbedingt kennt und braucht.

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