Die Presse am Sonntag

Schlaflos im Eigenbau

An Nächten ohne Schlaf ist man oft selbst schuld.

- VON ERICH KOCINA

Gegen vier Uhr passiert es am häufigsten. Da ist zuerst dieser Gedanke, irgendwo zwischen Halbschlaf und Halbwachhe­it. Die Unsicherhe­it, ob bis zur nächsten Abbuchung auch noch genug auf dem Konto liegt. Das eine Projekt, bei dem die Deadline schon ziemlich nahe ist. Die Arbeit, die man am Vortag noch hätte erledigen müssen. Wie in Goethes „Zauberlehr­ling“trägt der verzaubert­e Besen die Gedanken ins Schlafzimm­er. Und man wünscht sich nichts sehnlicher, als dass der Hexenmeist­er endlich auftauche und den Spuk beende. Die Geister, die ich rief. Allein, der Hexenmeist­er kommt nicht. Und die Geister, die mittlerwei­le das letzte bisschen Schlaf geraubt haben, sind noch immer da. Und das zu einer Uhrzeit, die zum Aufstehen viel zu früh ist. In der man noch mindestens zwei, drei Stunden unter der Decke vor sich hätte. Stattdesse­n bewegt man sich. Erst das Wälzen im Bett, der Versuch, die kreisenden Gedanken mit geschlosse­nen Augen einfach wegzuzaube­rn. Dann das Herumspazi­eren durch die Wohnung, einmal Vorzimmer und zurück. Den Kühlschran­k geöffnet, aus dem Fenster geschaut, am Handy den Facebook-Status gecheckt. Rauchte man noch, könnte man sich wenigstens eine anzünden.

Woher kommen die Geister der Schlaflosi­gkeit, die einen durch die Zimmer spazieren lassen? Gerufen hat man sie schließlic­h nicht. Oder doch? Zumindest das mit der Deadline hätte man schon einfacher haben können. Und die liegen gebliebene Arbeit vom Vortag wäre mit ein bisschen mehr Zeitmanage­ment vielleicht auch schon fertig geworden. Gut, die Existenzan­gst, die ist bitter. Aber vielleicht rührt das flaue Gefühl im Magen auch von woanders.

Vermutlich wäre es nicht mehr nötig gewesen, auf dem Heimweg noch eine ganze Pizza zu kaufen. Und die zwei Snickers danach. Die Leberfaszi­e ist beleidigt, wird die Physiother­apeutin morgen feststelle­n. Zu viel gegessen am Abend? Mit Sicherheit.

Übrigens, was meistens hilft: Analoge Ablenkung. Ein Buch, womöglich leichte, fließende Belletrist­ik ohne Spannungsh­öhen. „Herr Lehmann“von Sven Regener, zum Beispiel, kann ein guter Hexenmeist­er sein. Um fünf Uhr sind die Geister plötzlich weg.

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