Flüchtlinge beim Freitagsgebet: Kein Platz mehr in der Moschee
Das Freitagsgebet in der Moschee am Hubertusdamm ist unter anderem wegen zahlreicher Flüchtlinge eine Massenveranstaltung geworden.
Es hat fast etwas vom Donauinselfest. Nur, dass es eine Station weiter passiert, und nicht nur an drei Tagen im Juni, sondern jeden Freitag. Wenn die Türen der U6 sich in der Station Neue Donau öffnen und sich ein Strom von Menschen die Stiegen hinunterbewegt. Sogar die Polizei ist da, hält Autofahrer auf, damit die Menschen die Straße queren können. Einige Dutzend sind es, die aus der Station losgegangen sind. Und mit jeder U6-Garnitur kommen noch mehr hinzu. Am Ende werden es wohl mehr als 3000 Menschen sein, die zur Moschee am Hubertusdamm gekommen sind. Die letzten im Laufschritt, denn das salat¯ al-dschum’a, das Freitagsgebet, hat um 13.30 Uhr schon begonnen.
Es ist ein Schauspiel, das sich Woche für Woche wiederholt. Hunderte Muslime strömen ins Islamische Zentrum in Floridsdorf. Um die Mittagszeit setzt es ein, werden die U-BahnGarnituren voller. Und um 13 Uhr, wenn der Imam zur Chutba, der Freitagspredigt, ansetzt, ist im Gebäude selbst längst kein Platz mehr. Nach und nach werden Teppiche im Hof vor Wiens einziger baulich erkennbarer Moschee ausgerollt. Wer keinen Platz auf dem Teppich mehr bekommt, legt die Jacke vor sich und wird sich danach auf ihr niederknien. Ein eigenes Zelt. Dass es so eng wird, jeden Freitag um die Mittagszeit, hat einen Grund. Es sind Flüchtlinge, die in den vergangenen Jahren nach Österreich gekommen sind, und die im Islamischen Zentrum zum Beten zusammenkommen. „Ich habe mich selbst gewundert, wie viele es mittlerweile sind“, sagt Abdulrahman. Der 23-Jährige aus Somalia lebt bereits seit 2004 in Wien. Und hat mitver- folgt, wie sich die Situation verändert hat. „2005 musste man schon manchmal vor der Tür beten“, erzählt er. Doch dann, um 2008 herum, wurde es noch voller, mussten viele Gläubige schon in den Hof ausweichen. Auf Teppiche im Freien, aber auch in ein eigenes Zelt, das im Sommer vor der Sonne schützt. Und spätestens seit dem Zustrom ab dem Sommer 2015 ist das Gelände regelmäßig bis ganz hinten mit Menschen gefüllt.
700.000 Muslime leben derzeit in Österreich. Diese Schätzung präsentierte der Österreichische Integrationsfonds vergangene Woche. Hochgerechnet von der letzten tatsächlichen Erhebung bei der Volkszählung 2001, fließen in diese Schätzung unter Der Syrer lebt seit zwei Jahren in Wien. Die Moschee am Hubertusdamm ist für ihn ein wichtiger Treffpunkt geworden. anderem Berechnungen über die Geburtenrate bei Zuwanderern ein. Aber auch die Migration und die Flüchtlingsbewegungen im Land. All diese Faktoren haben dazu geführt, dass sich die Zahl der Muslime in den vergangenen 16 Jahren etwa verdoppelt hat. Was auf dem Papier eine nüchterne Statistik ist, lässt sich hier im Kleinen praktisch erfahren. Warum so viele gerade hierher kommen? Weil es die größte Moschee ist, mit Minarett. Und auch die internationalste – hier geht es nicht um die Herkunft, wie in manch anderem Gebetshaus.
Nebeneinander stehen sie da, einige ältere Männer tragen Gebetsmützen, einige jüngere kommen mit Schirmkappe. Es sind Ägypter, Albaner, Somalier, Syrer, Tschetschenen, die hierherkommen. Allesamt Männer, die im Hof beten – die Frauen haben im Inneren des Gebäudes einen eigenen Bereich. „Ich glaube, es sind Menschen aus 20 Ländern“, sagt Ali aus Damaskus, der seit rund fünf Jah-
Spätestens ab dem Sommer 2015 ist das Gelände bis ganz hinten mit Menschen gefüllt. Muslime aus rund 20 Ländern sorgen für eine ganz eigene internationale Stimmung.
ren in Wien lebt. Genau das, meint er, sei auch das Schöne hier. „Es ist ein angenehmes Gefühl, wenn man herkommt.“So viele Brüder, mit denen man den Blick gemeinsam nach Mekka richten und das Gebet sprechen kann. „Das ist schon eine eigene Stimmung.“Eine Stimmung, die auch einige Spaziergänger stehenbleiben lässt. Von oben am Damm aus schaut eine Frau mit Lederjacke auf das Treiben, wie die Männer sich nach vorne beugen, niederknien. Und hinter ihr machen etwa 30 Männer die gleichen Bewegungen. Sie waren zu spät, bekamen keinen Platz mehr und verrichten ihr Gebet nun draußen. Gesellschaftlicher Treffpunkt. Es ist ein kurzes Spektakel für die Zuschauer. Die Predigt, gehalten auf Arabisch und Deutsch, dauert einige Minuten. Noch kürzer ist das eigentliche Gebet. Sind die Verbeugungen getan, die Koranverse gesprochen, löst sich die Versammlung schnell wieder auf. Kurz nach halb zwei marschieren die Muslime wieder aus dem Hof. Einige in Richtung U-Bahn, einige bleiben noch hier. „Ich treffe hier viele Bekannte, die ich sonst die ganze Woche nicht sehe“, erzählt Abdullah. Der Syrer, der seit zwei Jahren in Wien lebt, sieht das Freitagsgebet auch als gesellschaftlichen Treffpunkt. Und so wie er nutzen viele den angebrochenen Nachmittag, um noch am Ufer der Neuen Donau spazieren zu gehen. Es hat fast etwas vom Donauinselfest – nur auf der anderen Seite.