Kanadas Königsweg fürs Klima
Die Provinz British Columbia führte 2008 eine aufkommensneutrale CO2-Steuer ein. Trotz Rückschlägen steht fest: Das Experiment ist gelungen und kann als Vorbild dienen.
In den Bergen an der Westküste Kanadas fühlt sich der Borkenkäfer wohl. Ab der Jahrtausendwende wurde er zur echten Plage und vernichtete die Hälfte aller forstlich genutzten Kieferbestände. Zum Glück, muss man fast sagen. Denn Forscher erklärten: Eine solche Invasion wäre ohne den Klimawandel nicht denkbar. Und nur weil der Schock über die toten Wälder den Bürgern von British Columbia so tief in den Knochen saß, hatte die Provinzregierung 2008 den Mut, eine CO2-Steuer einzuführen.
Es war ein liberal-konservatives Kabinett, das genau das umsetzte, was grüne Parteien und viele Ökonomen weltweit fordern: Rauf mit den Steuern auf fossile Energie, runter mit Steuern auf Arbeit. Aufkommensneutral lautet das Zauberwort, in diesem Fall gesetzlich verankert. Der Slogan dazu: „Tax what you burn, not what you earn.“Konkret senkte man Steuern auf Einkommen (für Ärmere stärker) und Unternehmensgewinne. Im Gegenzug führte man schrittweise eine Abgabe auf den Konsum von Öl, Gas und Kohle ein, an den Zapfsäulen, fürs Heizen der Häuser und den Betrieb der Fabriken.
Zwar haben bis heute auch 14 andere Länder weltweit Varianten einer CO2-Steuer eingeführt. Aber nirgends ist sie strikt aufkommensneutral und hat einen solchen Umfang – immerhin fünf Prozent des öffentlichen Haushalts. So umstritten das Experiment anfangs war: Neun Jahre später gibt es kaum vernünftige Zweifel, dass es ge- glückt ist. Die von der Steuer erfassten Emissionen fielen bis 2013 pro Kopf um 17,4 Prozent, während sie im Rest Kanadas um 1,5 Prozent stiegen. Die Wirtschaftsleistung pro Kopf wuchs parallel dazu sogar etwas stärker als im nationalen Schnitt. Eine aufkommensneutrale Energiesteuer kann also funktionieren. Der EU-Emissionshandel ist hingegen gescheitert, wegen zu hoch angesetzter Kontingente. Beide Werkzeuge gegen den Klimawandel setzen nicht auf Verbote, sondern auf Preisanreize und damit den Markt (weshalb auch manche linke Ökoaktivisten Energiesteuern misstrauen). Freilich: Anfangs war der Ausgang ungewiss. Denn so simpel und logisch die Formel klingt: Es kommt auf die Dosis an. Wenn energieintensive Sektoren (dort vor allem die Zementindustrie, hierzulande stärker der Stahl) massiv unter Mehrkosten leiden und abwandern, kann das auch unter dem Strich Jobs kosten und das Wachstum drücken. British Columbia hat die Balance offenbar gewahrt. Dass nur eine Region sie umsetzt, erleichtert die Analyse, weil sich andere Faktoren isolieren lassen: Ja, auch durch die Krise ging der CO2-Verbrauch zurück – aber sie schlug in ganz Kanada zu. Ja, auch der technische Fortschritt reduziert Emissionen – aber auch das gilt landesweit. Es gab zudem vor der Einführung keinen Trend nach unten, der sich nur fortgesetzt hätte, im Gegenteil. Schwerer wog anfangs der Verdacht, der Tanktourismus verzerre das Ergebnis.
Immerhin liegt mit Vancouver der größte Ballungsraum nahe am USStaat Washington, wo der Sprit günstiger ist. Die Heizkohle schleppen die Bürger aber nicht über die Grenze, und deren Verbrauch sank nicht viel stärker: Ein bis zwei Prozentpunkte Rückgang sind durch das Tanken im Ausland zu erklären. Den Kritikern blieb nur noch das schwache Argument, die
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So stark ging der Verbrauch der von der Steuer erfassten fossilen Energieträger im Vergleich zum Rest Kanadas von 2008 bis 2013 zurück.
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Rückgang bewirkte die Steuer nach der letzten Modellrechnung aus dem Jahr 2015. Durch das Einfrieren des Steuersatzes ab 2012 lässt die Wirkung nach. Steuer sei nicht wirklich aufkommensneutral. Was man getrost ignorieren kann: Träfe das zu, hätten sich Opposition und Kläger längst darauf gestürzt – weil das Gesetz Neutralität garantiert.
Der Erfolg der Maßnahme lässt sich auch an der Zustimmung der Bürger ablesen. Bei der Einführung waren nur 40 Prozent für die Steuer, weshalb die linke Opposition 2009 auf eine „Axe the Tax“-Kampagne setzte (mit dem – widerlegbaren – Argument, die Steuer träfe Ärmere stärker). Sie verlor die Wahl. Heute finden über zwei Drittel die Carbon Tax gut. Auch die meisten Unter-
Rauf mit den Energiesteuern, runter mit den anderen – aber die Dosis muss stimmen. Mittlerweile lässt die Wirkung nach, weil es seit 2012 keine Erhöhungen mehr gibt.
nehmer befürworten sie. Es herrscht inzwischen sogar zu viel Harmonie: Seit 2012 ist der Tarif eingefroren, die Wirkung lässt nach, eine Erhöhung stünde an. Aber die aktuelle Regierung meidet einen neuerlichen Kampf. Was für das globale Klima egal ist: Eine kanadische Provinz kann es nicht retten. Aber man könnte dem Beispiel folgen – wie es IWF, Weltbank, UNO und OECD dem Rest der Welt ans Herz legen.