Die Presse am Sonntag

»Ich habe einen Weg gefunden, Gott für mich zu erklären«

Der KŻãŻrettis­t un© Autor RolŻn© Düringer sŻgt: DŻs Leãen Żls KreislŻuf kommt seinem Gottesãegr­iff sehr nŻhe. Eine PŻssŻge Żus ©em Gespr´ch.

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Sie haben das Stichwort Demut gebracht. Jetzt weiß ich, dass in künstleris­chen und intellektu­ellen Kreisen die Frage nach Gott in unseren Breiten ziemlich tabu ist. Weil es viele Missverstä­ndnisse, Bilder gibt . . . RolŻn© Düringer: Die Frage nach Gott ist überhaupt kein Tabuthema, ich stelle sie mir oft. Ich habe einen guten Weg gefunden, Gott für mich zu erklären: Immer wenn irgendwo Gott steht, streiche ich das Wort durch und schreibe „Leben“hin, dann ist es für mich eigentlich Gott. So wie Sie „Ich“durchstrei­chen. Ich ersetze es durch etwas anderes. Warum? Weil ich glaube, dass das, was wir als Leben bezeichnen, ja in Wirklichke­it nur unsere Lebensgesc­hichte ist. Aber das, was Leben wirklich ist, was Leben ausmacht, das können wir nicht beschreibe­n. Das, was Leben ist, ist ein Kreislauf, [. . .]. Und dieses Ver- ständnis von Leben kommt meinem Gottesbegr­iff relativ nahe. Aber ich kann mich damit beschäftig­en, ich kann nach dem Sinn des Lebens fragen. Wenn man mich jetzt fragen würde „Was ist der Sinn des Lebens?“, kann ich nur eine einzige Antwort geben: Dass wir zwei jetzt da sitzen und ein Interview geben. Das ist momentan meine Bestimmung, unser beider Bestimmung. Haben Sie denn Hoffnung, dass es etwas außerhalb unseres Lebens gibt, was bleibt? Was über unseren Tod hinaus bleibt? Die Frage stelle ich mir am Ende meines jetzigen Vortrags immer, jeden Abend, wenn ich sage: „Die letzte Frage des heutigen Vortrags ist: Gibt es ein Leben nach dem Tod?“Dann sage ich einmal Ja. Weil der Körper lebt weiter, die Mikroorgan­ismen fangen an, uns zu zerlegen. Das ist Leben. Das ist [. . .] eine organische Betrachtun­g. Und dann gehe ich weiter: Was passiert mit der Seele, mit dem Geist, mit dem Bewusstsei­n? Da kann ich nur eine einzige Antwort darauf geben: Es wird wurscht sein. Entweder: Es ist nix. Dann ist eben nichts. Und vor nichts brauche ich mich nicht fürchten. Oder es passiert etwas, was wir uns nicht vorstellen können. Dann ist es auch gut. Man kann’s als eine Geburt betrachten, und ich kann mir denken, nachher geht’s weiter, in welcher Form auch immer. Dann ist es vielleicht ein anderes Gehen und Loslassen, als wenn ich Angst davor habe, etwas zu verlieren. Aber es ändert nichts. [. . .] Sich mit Gott zu identifizi­eren, ist eine große Versuchung des Menschen und hat schon sehr viel Unheil in die Welt gebracht, sowohl politisch als auch . . . Ich glaube, es ist umgekehrt. Dieses Getrenntse­in von Gott, zu glauben, dass Gott eine Instanz ist, die uns strafen kann, die mit uns etwas vorhat, das hat viel Leid ins Leben der Menschen gebracht. Ganz viele schrecklic­he Dinge sind da passiert – immer im Namen Gottes. Aber das ist nicht Gott – für mich. Das ist so, wie wenn man zu einem Wassertrop­fen sagt: „Was, glaubst du, bist du?“Und der Wassertrop­fen in einem Ozean sagt: „Ich bin der Ozean.“„Na gut, jetzt maß dir nicht an, dass du der Ozean bist. Du bist vielleicht ein Teil vom Ozean.“Nur: Ohne einen Wassertrop­fen gäbe es keinen Ozean. Also, das kannst du nicht trennen. Ein Teil davon zu sein oder das Ding an sich zu sein, das kann man nicht trennen. Wenn es nur das Ding gibt, dann sind wir alle das Ding. Jeder Gedanke, der aus uns rauskommt, ist damit etwas Göttliches. Ist ein Teil von Gott, vom großen Ganzen.

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