Als das Militär in Athen die Macht an sich riss
Vor 50 Jahren putschten in Griechenland bis dahin unbekannte mittlere Kader der Armee und führten das Land in eine brutale Militärdiktatur, die bis 1974 andauerte. Zehntausende wurden verhaftet, gefoltert, getötet. Das Regime rechtfertigte sein Vorgehen m
In den frühen Morgenstunden des 21. April 1967 nahmen die Athener ungewohnte Geräusche wahr. Manche lehnten sich aus ihren Fenstern und sahen Panzer, die vorbeifuhren oder an zentralen Kreuzungen Aufstellung genommen hatten. Die Telefonverbindungen funktionierten nicht, und das Radio spielte Militärmärsche.
Daraus schlossen vor allem die älteren Stadtbewohner, die sich an frühere Interventionen des Militärs in die Politik erinnern konnten, auf einen Putsch. In der Tat hatten an diesem Morgen – neun Tage vor dem Ostersonntag 1967 und etwa fünf Wochen vor den Parlamentswahlen – Offiziere die Macht an sich gerissen. Für viele Griechen war das keine Überraschung. Seit dem Rücktritt der Regierung von Georgios Papandreou wegen eines Konflikts mit König Konstantin II. im Sommer 1965 war die politische Lage instabil.
Überraschend war aber, dass der Putsch nicht vom König und ihm nahestehenden Generälen, sondern von bis dahin unbekannten, mittleren Kadern des Heeres durchgeführt worden war. Daher stammt auch die Bezeichnung „Obristenregime“für die Militärdiktatur der Jahre 1967 bis 1974, die aus dem Putsch folgte. Die führenden Putschisten – Oberst Georgios Papadopoulos, bis November 1973 Chef der Militärjunta, sowie die Brigadiere Stylianos Pattakos und Nikolaos Makarezos – waren informiert worden, dass Generäle mit dem König am 24. April über einen ei- genen Coup d’E´tat sprechen wollten. Das beschleunigte wohl die Entscheidung der Putschisten loszuschlagen.
Es gab wenige Todesopfer: Am 21. April wurden der 15-jährige Vasileios Peslis am Attika-Platz und die 24-jährige Maria Kalavrou in der Patissionstraße erschossen. Sie hatten das Geschehen verfolgt und Soldaten beschimpft. Am 25. April wurde der 45-jährige Panagiotis El´ıs erschossen, der als Kommunist mit weiteren 700
Maria A. Stassinopoulou
geb. 1961 in Athen, ist Universitätsprofessorin für Neogräzistik an der Universität Wien. Menschen in den Anlagen der Pferderennbahn in Neo Faliro festgesetzt worden war und Befehlen nicht rasch genug folgte. Innerhalb von 48 Stunden nach Beginn des Putsches wurden hingegen mehrere tausend politisch aktive Bürgerinnen und Bürger, inklusive der führenden Politiker, festgenommen. Viele blieben jahrelang im Gefängnis. Gegenputsch. Die Fotos der königlichen Familie neben den Uniformierten während der Osterfeierlichkeiten brachten einen enormen Bonus für die Putschisten. Auch von der einflussreichen griechischen Kirche kam keine hörbare Kritik. Als König Konstantin jedoch klar wurde, dass es sich um kein kurzlebiges Intermezzo handelte, sondern ein autoritäres Regime etabliert wurde, entschied er sich für einen Gegenputsch. Dieser wurde im Dezember 1967 im Keim erstickt. Der König floh, ein General wurde als Vizekönig eingesetzt.
Das Regime, das sich selbst „Revolution des 21. April“nannte, wollte wie ein „Orthopäde“durch „Eingipsen“die „kranken Glieder der Gesellschaft“heilen. Die Machtergreifung wurde mit der Gefahr des Kommunismus, aber auch mit der moralischen Zersetzung der griechischen Jugend und der Missachtung der Werte der griechisch-orthodoxen Kirche gerechtfertigt – Ängste, die durch die konservativen Medien seit Längerem geschürt wurden. Nur vier Tage vor dem Putsch, am 17. April 1967, war ein Rolling-Stones-Konzert im Stadion der Fußballmannschaft Panathinaikos jäh von der Polizei unterbrochen worden, weil Mick Jagger rote Nelken über die 10.000 Zuschauer hatte regnen lassen. Das wurde von der Polizei als politische Provokation gedeutet. Widerstand. Über die Rolle der USA vor und nach dem Putsch wird bis heute heftig diskutiert. Tatsache ist, dass die US-Regierung in Gesprächen mit Militärs, Politikern und dem König wiederholt von einem Putsch abgeraten hatte. Vor vollendete Tatsachen gestellt, wählte man aber den Weg der weiteren Pflege der bilateralen Beziehungen. So hielten es auch die anderen Staaten, dagegen unterbrach die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft die Vorbereitun- gen zur Erweiterung des 1961 unterschriebenen Assoziierungsabkommens mit Griechenland umgehend.
Von Anfang an hatten sich kleine Widerstandsgruppen gegen die Obristen formiert, allen voran die Demokratische Abwehr und die Patriotische Antidiktatorische Front. Nachdem die Wahrheit über die brutalen Foltermethoden gegen Regimegegner im Herbst 1967 durchsickerte, formierten sich im Ausland Protestbewegungen. In Griechenland verfolgte und im Exil lebende Persönlichkeiten wie Mikis Theodorakis, Melina Merkouri und Andreas Papandreou bekamen eine Plattform, um die Öffentlichkeit für die Situation im Land zu sensibilisieren.
Bereits im September 1967 hatten Dänemark, Norwegen und Schweden bei der Europäischen Kommis-
Das Regime wollte »die kranken Glieder der Gesellschaft« heilen.