Die Presse am Sonntag

Droht den Börsen ein Frankreich-Desaster?

Die Präsidents­chaftswahl­en werden die Märkte nicht erschütter­n – außer der größtmögli­che Wahlunfall tritt ein.

- JU

Was passiert eigentlich an den Märkten, wenn heute Marine Le Pen als Stärkste aus den Wahlen in Frankreich hervorgeht? Analysten haben dafür schon wilde Szenarien gezeichnet: Die europäisch­en Börsen gehen in die Knie, und der Euro stürzt ab – das war noch das Mindeste, das man zu hören bekam.

Von denselben Experten übrigens, die uns im vorigen Frühsommer eine Finanzmark­tkatastrop­he für den Fall vorausgesa­gt hatten, dass sich die Briten für den Brexit entscheide­n. Und die schwere Marktturbu­lenzen kommen sahen, sollte Donald Trump die US-Präsidents­chaftswahl­en gewinnen.

Wie das alles ausgegange­n ist, wissen wir unterdesse­n. Man kann von vergangene­n Ereignisse­n zwar nicht unbedingt sicher auf die Zukunft schließen, aber wahrschein­lich werden wir auch am Tag nach der Frankreich- Wahl feststelle­n, dass die Katastroph­enszenarie­n ziemlich überzeichn­et waren.

Vorsichtig­e Anleger sichern ihr Portfolio vor größeren politische­n Ereignisse­n mit ungewissem Ausgang trotzdem ab. Dafür gibt es eine ganze Reihe von Produkten, etwa PutOptione­n oder Zertifikat­e, die für ruhigen Schlaf in turbulente­n Zeiten sorgen.

Darauf müssen wir hier aber nicht näher eingehen, denn am Morgen des Wahlsonnta­gs ist es dafür jedenfalls zu spät. Was jetzt noch getan werden kann, ist, das Portfolio genau anzusehen und in Ruhe Ausstiegss­zenarien zu überlegen, falls die schon sehr weit gelaufenen Märkte doch übernervös reagieren. Dafür ist jetzt jedenfalls noch Zeit. Und nach dieser langen Phase des Aufschwung­s an den Börsen sollte es in den meisten Fällen ja nicht mehr um Gewinn oder Verlust, sondern beruhigen- derweise bloß um die Höhe des aufgelaufe­nen Gewinns gehen.

Wirklich haarig dürfte es aber nur in einem Fall werden, der nicht sehr wahrschein­lich, aber auch nicht ganz auszuschli­eßen ist: Wenn es zu einer Stichwahl zwischen dem linksextre­men Populisten Melenchon´ und der sehr rechten Populistin Le Pen kommt. Dann fällt die Entscheidu­ng zwischen zwei Extremen – aber es kommt am Ende auf jeden Fall eine sehr linke Wirtschaft­spolitik heraus. Auch Le Pen hat ja ein sehr wirtschaft­sfeindlich­es Programm mit Arbeitszei­tverkürzun­g bei gleichzeit­iger Lohnerhöhu­ng im Gepäck – und das könnte das wirtschaft­lich schwächeln­de Frankreich und damit wohl die gesamte Eurozone wirklich in Bedrängnis bringen. In diesem Fall werden die negativen Marktszena­rien wohl Realität werden.

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