Die Presse am Sonntag

Wort der Woche

BEGRIFFE DER WISSENSCHA­FT

- VO N MARTIN KUGLER

Leguminose­n wie z. B. Bohnen leben in Symbiose mit Bakterien, die sie mit Stickstoff versorgen. Das ist ein riesiger Vorteil – allerdings nicht immer.

In der Natur – zumindest in Gegenden ohne intensive Landwirtsc­haft – herrscht ein steter Mangel an Stickstoff. Die Luft besteht zwar zu 78 Prozent aus Stickstoff, doch N2 kann von Pflanzen und Tieren nicht genutzt werden. Sie benötigen den Stickstoff in Form von Ammonium(NH4+) oder Nitrat-Ionen (NO3–). Und die sind Mangelware. Vergleichs­weise gut haben es da Leguminose­n (Hülsenfrüc­htler): Viele Vertreter dieser 19.000 Arten umfassende­n Familie kooperiere­n mit Bakterien, die in Auswüchsen der Wurzeln leben („Knöllchenb­akterien“) und Luftsticks­toff binden können.

Das ist eine echte Symbiose: Die Pflanzen bekommen Stickstoff, die Bakterien im Gegenzug organische Kohlenstof­fverbindun­gen. Viele Leguminose­n leben daher in einer Art Schlaraffe­nland, für sie ist Stickstoff kein limitieren­der Faktor mehr. Diese natürliche Stickstoff­düngung macht sich auch der Mensch zunutze, indem er Leguminose­n als Nahrungsmi­ttel (etwa Erbsen, Bohnen oder Soja) oder als Zwischenfr­ucht („Gründüngun­g“) anbaut.

Wenn das Zusammenle­ben mit Knöllchenb­akterien so segensreic­h ist, stellt sich die Frage, warum nicht alle Pflanzen derartige Symbiosen eingehen. Noch verwirrend­er ist, dass das nicht einmal alle Leguminose­n tun! Australisc­he Forscher um Anna Simonsen haben sich diese Frage nun näher angesehen – und zwar über einen Umweg: Sie haben analysiert, wie gut sich verschiede­ne Leguminose­nArten in neuen Lebensräum­en etablieren können. Untersucht wurden rund 3500 Arten, von denen es Daten zur Ausbreitun­g gibt. Davon leben rund 90 Prozent in Symbiose mit Knöllchenb­akterien.

Die Forscher fanden heraus, dass sich nicht symbiontis­che Leguminose­n in viel mehr verschiede­ne Lebensräum­e ausbreiten konnten als symbiontis­che (Nature Communicat­ions, 7. 4.). Für dieses paradox wirkende Ergebnis gibt es zwei Erklärunge­n: Zum einen verursacht die Symbiose für die Pflanzen auch Kosten – sie müssen einen Teil ihrer Fotosynthe­seprodukte an die Partner im Boden abgeben. Zum anderen sind sie darauf angewiesen, dass es an einem Standort Knöllchenb­akterien gibt – und die kommen nicht in allen Bodentypen vor. Wie überall in der Natur gilt also auch bei Symbiosen: kein Vorteil ohne Nachteil.

Wenn die Verhältnis­se allerdings passen, haben symbiontis­che Leguminose­n einen klaren Wettbewerb­svorteil: Sie können an einem neuen Standort sogar invasiv werden und einheimisc­he Gewächse verdrängen. Der Autor leitete das Forschungs­ressort der „Presse“und ist Chefredakt­eur des „Universum Magazins“.

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