Wort der Woche
BEGRIFFE DER WISSENSCHAFT
Leguminosen wie z. B. Bohnen leben in Symbiose mit Bakterien, die sie mit Stickstoff versorgen. Das ist ein riesiger Vorteil – allerdings nicht immer.
In der Natur – zumindest in Gegenden ohne intensive Landwirtschaft – herrscht ein steter Mangel an Stickstoff. Die Luft besteht zwar zu 78 Prozent aus Stickstoff, doch N2 kann von Pflanzen und Tieren nicht genutzt werden. Sie benötigen den Stickstoff in Form von Ammonium(NH4+) oder Nitrat-Ionen (NO3–). Und die sind Mangelware. Vergleichsweise gut haben es da Leguminosen (Hülsenfrüchtler): Viele Vertreter dieser 19.000 Arten umfassenden Familie kooperieren mit Bakterien, die in Auswüchsen der Wurzeln leben („Knöllchenbakterien“) und Luftstickstoff binden können.
Das ist eine echte Symbiose: Die Pflanzen bekommen Stickstoff, die Bakterien im Gegenzug organische Kohlenstoffverbindungen. Viele Leguminosen leben daher in einer Art Schlaraffenland, für sie ist Stickstoff kein limitierender Faktor mehr. Diese natürliche Stickstoffdüngung macht sich auch der Mensch zunutze, indem er Leguminosen als Nahrungsmittel (etwa Erbsen, Bohnen oder Soja) oder als Zwischenfrucht („Gründüngung“) anbaut.
Wenn das Zusammenleben mit Knöllchenbakterien so segensreich ist, stellt sich die Frage, warum nicht alle Pflanzen derartige Symbiosen eingehen. Noch verwirrender ist, dass das nicht einmal alle Leguminosen tun! Australische Forscher um Anna Simonsen haben sich diese Frage nun näher angesehen – und zwar über einen Umweg: Sie haben analysiert, wie gut sich verschiedene LeguminosenArten in neuen Lebensräumen etablieren können. Untersucht wurden rund 3500 Arten, von denen es Daten zur Ausbreitung gibt. Davon leben rund 90 Prozent in Symbiose mit Knöllchenbakterien.
Die Forscher fanden heraus, dass sich nicht symbiontische Leguminosen in viel mehr verschiedene Lebensräume ausbreiten konnten als symbiontische (Nature Communications, 7. 4.). Für dieses paradox wirkende Ergebnis gibt es zwei Erklärungen: Zum einen verursacht die Symbiose für die Pflanzen auch Kosten – sie müssen einen Teil ihrer Fotosyntheseprodukte an die Partner im Boden abgeben. Zum anderen sind sie darauf angewiesen, dass es an einem Standort Knöllchenbakterien gibt – und die kommen nicht in allen Bodentypen vor. Wie überall in der Natur gilt also auch bei Symbiosen: kein Vorteil ohne Nachteil.
Wenn die Verhältnisse allerdings passen, haben symbiontische Leguminosen einen klaren Wettbewerbsvorteil: Sie können an einem neuen Standort sogar invasiv werden und einheimische Gewächse verdrängen. Der Autor leitete das Forschungsressort der „Presse“und ist Chefredakteur des „Universum Magazins“.