Zu tun ist noch genug
1997 unterzeichneten gut 645.000 Menschen das Frauenvolksbegehren. Nun arbeitet die nächste Generation an einer Neuauflage. Was blieb eigentlich vom Ersten?
In den letzten Apriltagen des Jahres 1997 war die Welt für die Initiatorinnen des ersten Frauenvolksbegehrens für kurze Zeit in Ordnung. Am 14. April war das Ergebnis des Volksbegehrens ausgezählt worden, 644.665 Frauen und Männer hatten den elf Punkte umfassenden Forderungskatalog für die Gleichstellung von Frauen unterzeichnet. Das war damals das sechstbeste und ist bis heute das achtbeste Ergebnis eines Volksbegehrens. Nur hinter vorgehaltener Hand erlaubte man sich, enttäuscht zu sein. Denn eigentlich war die Hoffnung der Initiatorinnen, dass so gut wie alle österreichischen Frauen das Volksbegehren unterstützen würden. Doch zwischen Unterstützen und im Wahllokal seine Stimme abgeben lag dann eben doch ein Unterschied.
Auf die anfängliche Euphorie folgte recht bald wieder Frust. Denn die Forderungen des Volksbegehrens wurden zwar im Parlament diskutiert, umgesetzt aber nur schleppend. Oder gar nicht. Zwanzig Jahre später sind mittlerweile einige der Gleichstellungsziele von damals Realität geworden – zum Beispiel die Einführung des zweijährigen Karenzgelds für Alleinerzieherinnen oder der teilweise Ausbau der ganztägigen Kinderbetreuung durch die Einführung des verpflichtenden Kindergartenjahres (mit großen Unterschieden je nach Bundesland) oder die verfassungsrechtlich verankerte Gleichberechtigung von Mann und Frau. Aber eben längst nicht alles.
Auch deshalb steht dieser Tage ein neues Frauenvolksbegehren in den Startlöchern. Am Freitag laden die Initiatorinnen in Wien zu einer Pressekonferenz unter dem Motto „Jetzt erst Recht“, darunter sind Vertreterinnen vom Österreichischen Frauenring, dem Verein Autonome Österreichische Frauenhäuser und der Plattform 20000frauen und das Frauennetzwerk The Sorority. Noch ist nicht viel über die Pläne für das Frauenvolksbegehren 2.0 bekannt, die Organisatorinnen wollen sich vor dem offiziellen Termin nicht in die Karten schauen lassen. Den Kontakt zu den Geburtshelferinnen des ersten Volksbegehrens haben sie bereits gesucht. Mit Eva Rossmann wird am Freitag auch eine der Initiatorinnen von damals auf dem Podium sitzen. Die Bilder der Pressekonferenz von damals ( siehe oben) und heute könnten sich also ein wenig gleichen. Anfänge im Kellerlokal. Auch bei Elfriede Hammerl haben die Organisatoren von heute angerufen. Die Autorin und „Profil“-Kolumnistin zählte zum Kernteam, das 1997 die Idee zum Frauenvolksbegehren hatte. „Wir waren eine kleine Gruppe von Frauen, die schon länger mit aktionistischen Geschichten versucht hat, sich gegen die herrschenden Verhältnisse zu stemmen.“Und die sahen damals so aus, dass die Bundesregierung (seit Jänner 1997 war das eine rot-schwarze Koalition unter Viktor Klima) mit einem erneuten Sparpaket gerade sozialstaatliche Bereiche kürzen wollte, die Frauen betrafen. In einem Kellerlokal an der Wienzeile trafen sie einander zum ersten Mal, erinnert sich Hammerl. Recht bald gründeten sie den Verein Unabhängiges Frauenforum und begannen das Volksbegehren unter dem Motto „Alles, was Recht ist“zu planen. Noch ganz ohne Internet und Facebook, aber mit vielen Reisen und Auftritten bei Frauenvereinen in den Bundesländern. Unterstützt wurden sie von der früheren SPÖ-Frauenministerin Johanna Dohnal, die ihnen ein Büro im dritten Bezirk zur Verfügung stellte. „Weil auf die Dauer war das Zusammensitzen in Kellerlokalen nicht das Wahre“, sagt Hammerl.
Realpolitischer Rückenwind kam zunächst von SPÖ und Grünen, später nur mehr von den Grünen, die ÖVP und FPÖ lehnten eine Unterstützung von vorneherein ab. Zudem zog das Gentechnik-Volksbegehren, das auch dank der medialen Unterstützung der „Kronen Zeitung“doppelt so viele Un- terstützer (1,2 Millionen) hatte, viel mediale Aufmerksamkeit ab. Beim Blättern durch das Archiv fällt auf: Eine der wenigen politischen Figuren, die damals wie heute aktiv waren, ist Wiens Bürgermeister Häupl. Immer noch frustriert. Hammerl findet es prinzipiell richtig, das Frauenvolksbegehren zu wiederholen. „Das Jubiläum gibt uns wenig Anlass zum Jubeln. Eigentlich bin ich immer noch frustriert – oder schon wieder.“Da sind einerseits die noch ausstehenden Forderungen wie gleicher Lohn für gleiche Arbeit oder die Förderung von Mädchen durch staatliche Bildungsmaßnahmen. Mindestens so viel Anlass, Frauenrechte wieder in den Blickpunkt zu rücken, geben globale Ereignisse. Dass mit Do- nald Trump ein offen sexistisch agierender Mann Präsident der USA geworden ist (Stichwort: „Grab them by the pussy“), ließ am Tag nach seiner Angelobung im Jänner hunderttausende Frauen in Amerika und anderen Städten der Welt beim „Women’s March“auf die Straßen gehen und protestieren. Während Feminismus für viele Menschen eine Selbstverständlichkeit ist, gibt es plötzlich wieder Tendenzen, Frauen in rückschrittliche Rollenbilder zu pressen. „Der Backlash in aller Welt ist beängstigend“, sagt Hammerl. „Da kann man entweder verzweifeln oder etwas dagegen tun. Ich glaube wirklich, dass jetzt eine neue Generation etwas tun sollte. Den Forderungskatalog von damals wird man nicht eins zu eins wieder auflegen, weil neue Dinge dazu gekommen sind.“
Die Pressekonferenz für das neue Frauenvolksbegehren findet übrigens im Kosmos Theater statt. Auch damit schließt sich ein Kreis. Denn eine der Initiatorinnen von damals war Barbara Klein, die Intendantin und Gründerin dieses Theaters.