Die Presse am Sonntag

Was sich gegen unsere Faulheit tun lässt

DŻs LŻuftrŻini­ng streichen, wie©er ©en Lift nehmen, ©ie Di´t Żufschieãe­n – Grün©e, wŻrum mŻn ©ies un© jenes nicht mŻcht, fin©en sich immer. Ärzte un© Psychologe­n zeigen Wege Żus ©er Prokrastin­ations- und Bequemlich­keitsfalle.

- CLAUDIA RICHTER

Gestern war es viel zu kalt und windig. Heute war der Tag zu anstrengen­d, und abends kommen Gäste. Ein Grund, das geplante Lauftraini­ng zu verschiebe­n, findet sich immer. Morgen ist es ein leichter Schnupfen, übermorgen die Müdigkeit, weil man zu lange aus war, zu viel getrunken hat. Faule Ausreden, nennen das die einen. Den inneren Schweinehu­nd machen andere für das eigene Nichtstun verantwort­lich.

Die Psychologi­e nennt es „das Abspeicher­n negativer Erfahrunge­n“. Das emotionale Gedächtnis speichert Turnen oft als anstrengen­d, als schweiß- treibend, als Muskelkate­r-fördernd ab. „Und nachdem unser Psychophys­ikum Gutes für uns will, sagt unser Unterbewus­stsein, das sei nur anstrengen­d, damit habe man nur schlechte Erfahrung, das brauche man nicht tun“, sagt die Wiener Gesundheit­spsycholog­in Doris Bach. Das soll aber nicht heißen, dass man diesem Vorgang ausgeliefe­rt ist. „Man kann auch der Bequemlich­keit und den Ausreden trotzen und aktiv werden.“ Einen „inner bastard“gibt es nicht. Im Englischen, Spanischen oder Französisc­hen beispielsw­eise gibt es den Begriff des inneren Schweinehu­ndes gar nicht. Da hat die Körperther­apeutin und Sehtrainer­in Marion Weiser eine interessan­te Beobachtun­g gemacht: „Ich wollte einem Kollegen im Ausland auf Englisch erklären, warum ich meine Übungen nicht gemacht hätte. Der innere Schweinehu­nd sei schuld. Den umschrieb ich mit ,inner bastard‘ und fragte den Kollegen, wie er denn dazu sage. Und was erwiderte der Amerikaner? ,I didn’t do it, because I was too lazy to do it.‘“Also kein Schweinehu­nd, sondern einfach zu faul?

Ganz so einfach ist die Sache für Marion Weiser nicht. Sie spricht sogar von verschiede­nen Schweinehu­nd-Typen, wobei der bekanntest­e der Bequeme ist, der Couch-Potato, der jede Anstrengun­g vermeiden will. „Aber es gibt auch noch den Ängstliche­n. Der vermeidet Dinge, weil sie ihm peinlich oder unangenehm sind.“

Da weicht man dem kritischen Gespräch mit dem Chef aus, weil heute kein guter Zeitpunkt sei. Man vermeidet den Arztbesuch, weil es ohnehin nicht so arg sein werde. Diese Menschen sind nicht grundlegen­d ängstlich, sie weichen nur unangenehm­en Situatione­n aus – nur kann dieses Vermeiden mitunter gesundheit­sschädigen­d sein. Weiser: „Wenn ich aber das Muster, den Mechanismu­s dahinter erkenne und mir bewusst mache, kann ich aktiv gegensteue­rn und gesünder und freier leben.“ Wir neigen zur Faulheit. Für den Sportund Ernährungs­mediziner Christian Matthai ist der innere Schweinehu­nd etwas Normales. „Wir Menschen neigen zur Faulheit. Umso eher in einer Zeit wie der heutigen, wo die Balance zwischen Be- und Entlastung zugunsten der Belastung auf der Strecke bleibt. Wir sind und werden gehetzt, und da ist es nur natürlich, dass wir jeden Moment nützen wollen, um uns zu erholen. Die Leute bewegen sich weniger, das erlebe ich täglich in meiner Ordination.“Also: Couch statt Laufschuh, Fernseher statt Fahrrad.

Zu guter Letzt kann der ominöse Bremser in uns auch mit vermindert­em Antrieb oder schlechter Stimmung zu tun haben, also psychische und physische Ursachen haben. Andrea Zauner-Dungl, Fachärztin für Physikalis­che Medizin und Rehabilita­tion, sagt: „Antriebslo­sigkeit kann durchaus an einem Vitamin-D-Mangel liegen, da helfen dann Sonne und Vitamin-Tropfen.“Auch leicht scharfe Gewürze können den Stoffwechs­el und so den inneren Antrieb ankurbeln. Rituale gegen den Schweinehu­nd. Der Schweinehu­nd lässt sich aber auch mit Ritualen bekämpfen. „Aus der Neurobiolo­gie weiß man, dass wir sehr viel mit und von Ritualisie­rungen leben“, erklärt Fachärztin Zauner-Dungl. „Wenn wir nun ein Ritual, ein altes Muster ändern wollen, stoßen wir auf sehr viel Widerstand, den könnte man auch mit dem inneren Schweinehu­nd gleichsetz­en. Daher ist es wichtig, kleine Gegenritua­le zu setzen, die bewältigba­r sind.“

Also nicht gleich mit 30 Kniebeugen täglich anfangen, sondern vielleicht mit drei bis fünf, und zwar immer zur gleichen Uhrzeit. Oder nicht gleich fünfzehn Kilogramm abnehmen wollen, sondern zunächst einmal eines oder zwei. Und dafür vielleicht vorerst nur jeden zweiten Tag auf Süßigkeite­n verzichten. Auch wenn erwiesen ist, dass die emotionale Bindung an Lebensmitt­el viel stärker ist als das rationale Wissen um gesunde Ernährung.

Oder nicht gleich 45 Minuten flottes Gehen, sondern jeden zweiten Tag 15 Minuten rasch marschiere­n, beispielsw­eise immer um 8.30 Uhr. Kleine Änderungen sind es, die zum Erfolg führen können. Denn nichts demotivier­t mehr als unrealisti­sche Ziele. Zauner-Dungl: „Durch Rituale kann man den Schweinehu­nd gut besänftige­n. Wenn Dinge Schritt für Schritt zur Gewohnheit werden, bellt der innere Verhindere­r nicht mehr oder zumindest viel seltener.“ Weg der kleinen Schritte. Den Weg der kleinen Schritte zum besseren Wohlbefind­en empfiehlt auch die Körperther­apeutin Weiser: „Ich kann nicht nur jeden Tag damit anfangen, ich kann auch jeden Tag wieder neu anfangen. Wenn ich beispielsw­eise 14 Tage keine Bewegung gemacht habe, ist das nicht egal, sondern ich kann heute wieder mit fünf Minuten Laufen beginnen und es morgen auf acht Minuten ausdehnen.“

Außerdem steigere es unsere eigene Glaubwürdi­gkeit und unser Selbstbewu­sstsein, wenn wir uns etwas vornehmen, das wir nicht liebend gern machen, es aber dennoch durchziehe­n. „Das macht uns selbstsich­erer und steigert Wohlbefind­en und Selbstwert.“

Einen anderen Rat hat Psychologi­n Doris Bach: sich bewusst machen, dass Nordic Walken zwar anstrengen­d sein kann, aber dass es einem nachher besser geht als vorher. Das gilt nicht nur für Sport, das betrifft auch andere Dinge wie Klavierspi­el, Diät oder Rauchstopp. Überwindun­g bedeuten solche Sachen meist nur anfänglich. Später steht das Bewusstsei­n um den Vorteil, den man daraus zieht, im Vordergrun­d.

Sportarzt Christian Matthai empfiehlt: „Weil Bewegung aus medizinisc­her Sicht für den Erhalt der Gesundheit noch wichtiger ist als gesunde Ernährung, sollte man sich den Sporttermi­n wie jeden anderen Termin rot in

An Antrieãslo­sigkeit kŻnn Żuch ein VitŻmin-D-MŻngel mit verŻntwort­lich sein. Auch RituŻle könnten ©en inneren Bremser im ZŻum hŻlten.

den Kalender eintragen, sonst wird’s nichts. Es tun sich nicht einfach Lücken auf, in denen man schnell einmal sporteln kann.“Das gelingt auch Matthai selbst nicht, der Sport liebt.

Und wenn’s denn gar nicht Sport sein soll, so kann man wenigstens Alltagsakt­ivitäten umstruktur­ieren, zum Beispiel so viel wie möglich zu Fuß gehen, Lifte und Rolltreppe­n zum absoluten Tabu machen. Auch ein echter Hund ist ein treuer Freund im Kampf gegen den inneren Schweinehu­nd. Egal, ob es regnet oder ob man müde ist, ein Hund muss hinaus – und der Besitzer geht mit.

Psychologi­n Bach abschließe­nd: „Man soll sich auch immer wieder vorsagen: Ich entscheide, was gut für mich ist und nicht irgendein Trieb zur Bequemlich­keit, der sich da innerer Schweinehu­nd nennt.“

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