Wenn Behörden den Straßenküchen plötzlich einheizen
Nicht nur für Touristen ist das kaum zu glauben: Bangkoks Behörden wollen die bekannten und für Thailand, ja ganz Südostasien typischen Garküchen von den Straßen verbannen. Doch auch in anderen asiatischen Ländern wird den kleinen Gehsteigköchen zusehends
Das Ende naht. Um daran erinnert zu werden, muss Supatra Ruamkod nur auf den Boden vor ihrer Straßenküche schauen. Zwei Linien sind auf den Gehsteig gemalt. Vor zwei Jahren durfte sie mit ihrer Küche noch bis zur weißen Linie vor, erzählt sie, mittlerweile nur noch bis zur gelben. „Und jetzt muss ich vielleicht bald ganz von hier verschwinden“, sagt die 51-Jährige.
Nicht nur ihr Standl wird zurückgedrängt. In Bangkok hat die Stadtverwaltung zum Kampf gegen das Streetfood aufgerufen. „Wir wollen die Gehsteige den Fußgängern zurückgeben“, sagte der Chefberater des Gouverneurs, Wanlop Suwandee, diese Woche. „Jeder Straßenverkäufer muss weg.“ Weltweites gastronomisches Erdbeben. Die Nachricht ging um den Globus: Schließlich wird die Stadt weltweit für ihre Garküchen gefeiert. Kürzlich kürte CNN Bangkok zum zweiten Mal in Folge zum Streetfood-Mekka schlechthin. Längst gibt es Reisefirmen, die Touristen primär zu den urigsten mobilen Suppenküchen schleppen. Gästen droht der Verlust einer Attraktion. Doch für Supatra und Zehntausende Straßenköche steht die Existenz auf dem Spiel. Seit 20 Jahren schiebt sie ihre Küche mit einem Karren immer zum selben Platz im Stadtteil Ari. Dort lassen sie und ihre etwa 50 Wettbewerber keine Wünsche offen: Neben ihr röstet ein Händler Knoblauchwürstchen. Andere verkaufen Obst oder frittierte Hühnerflügel. Natürlich darf Bami Naam nicht fehlen: dünne Nudeln in Suppe mit mariniertem Schweinefleisch und gefüllten Teigtaschen. Täglich außer montags verkauft Supatra hier Grillhühner, Nudeln, Reis und den scharfen Papaya-Salat Som Tam. Für manche Kunden kocht sie seit Jahren. Der eine mag es süßer, der andere hat eine Tomatenallergie. „Wenn ich tatsächlich wegmuss, dann weiß ich nicht weiter“, sagt sie.
Doch selbst wenn sie noch ein paar Monate bleiben darf: Der (zumindest amtliche) Zeitgeist entwickelt sich gegen sie. Und zwar in ganz Asien. „Streetfood-Unternehmer sind oft nicht gern gesehen bei Behörden“, erklärt der indonesische Ernährungswissenschaftler Florentinus Gregorius Winarno. „Sie werden als Hindernis für die Modernisierung angesehen.“Omas an Straßenständen passten nicht zu dem „smarten“(schreckliches Wort!) Image, mit dem sich boomende Metropolen Asiens gern schmücken. Vom Widerstand der Esser. Praktisch ganz Südostasien hat Streetfood-Tradition, doch immer wieder treiben Behörden quer. In Vietnams Hauptstadt, Hanoi, wurde 2008 ein Streetfood-Verbot ausgerufen, doch noch immer löffelt jedermann öffentlich zum Frühstück den Suppenklassiker Pho, eine Rinder- oder Hühnersuppe mit dünnen Nudeln und Kräutern. Beliebt ist auch das unter Flüssignahrung fallende Bia Hoi, ein sehr leichtes Bier, das aus Fässern am Straßenrand gezapft wird. Ob es immer kühler gelagert wird als bei den vorgeschriebenen 30 Grad, sei dahingestellt.
Auch die Stadtverwaltung von Rangun (Burma) kämpft mit Streetfood. 2014 forderte sie die Händler auf, das Stadtzentrum zu verlassen und in einen neuen Nachtmarkt umzuziehen. Seit Dezember machen die Aufseher wirklich ernst und vertreiben die Straßenköche auf die für sie gedachten Plätze. Doch selbst im hochmodernen Singapur ist Streetfood noch nicht tot. Dort bevorzugt man ein ganz simples Gericht: Huhn mit Reis. Allerdings bekommt man das in dem schicken Stadt- staat nur noch auf speziellen Marktplätzen. Schon vor Langem siedelte man die Straßenküchen in sogenannte Hawker Centers um. Die sind zwar ein bisschen steril – dafür gibt es immerhin fließend Wasser und Sessel.
Geröstete Knofelwürstchen, mariniertes Schweinefleisch in Suppe, Teigtaschen . . . Nun ja, Chilidampfschwaden können schon ordentlich in den Augen brennen. So what?
Ganz unverständlich ist es nicht, Straßenküchen zu verdrängen, denn ja, es gibt Probleme: Während Supatra eine Miniküche betreibt, stellen andere oft wahre Restaurants auf den Gehsteig oder Straßenrand. Zwar riecht es oft nach gebratenem Henderl, aber immer wieder läuft man durch eine Fischölwolke. Ätzend sind tränentreibende Chilidampfschwaden. Abends bleiben oft Reste liegen, dann kommen Ratten und Ungeziefer.
Die Streetfood-Frage polarisiert deswegen sogar die