Die Presse am Sonntag

Von g’schmackig grinsenden Schafsköpf­en

In Südafrika gibt es auch bizarr Aussehende­s in Straßenlok­alen, jedenfalls aber schön viel Fleisch.

- VON CHRISTIAN PUTSCH (KAPSTADT)

Smileys“, das klingt doch nett, nach fröhlichen WhatsAppNa­chrichten und dem altbekannt­en gelben Button. In Südafrika weckt das Wort freilich auch auf kulinarisc­her Ebene positive Assoziatio­nen, zumindest in den Townships. Man findet dort Delikatess­en dieses Namens an den großen Straßen und Märkten: Es sind Köpfe von Schafen, die dicht über dem Feuer gegrillt werden. Durch die Hitze entweicht dem Fleisch die Flüssigkei­t, so dass sich die Lippen immer weiter zurückzieh­en – bis es aussieht, als würde das geköpfte Tier wirr grinsen. Ein Smiley also.

„Das ist das Beste vom Schaf“, sagt eine Frau in Polokwane im Nordosten des Landes in der Provinz Limpopo, die an ihrem Grillstand umgerechne­t zwei Euro für die sozusagen grinsende Mahlzeit verlangt. Die Augen verkauft sie mitunter separat. Wenn Westlern schlecht wird. Es gibt Südafrikan­er, die diese ungewöhnli­che Vorliebe auf die Apartheid zurückführ­en. Seinerzeit seien die besten Stücke des Tieres an den Metzger gegangen, der sie für die weiße Kundschaft aufbereite­te. Weniger beliebte Teile und Abfälle, etwa der Kopf, seien an die Schwarzen gegangen. Nun, richtiger zur Erklärung ist wohl, dass auch in anderen afrikanisc­hen Ländern traditione­ll kaum Nahrung verschwend­et wird, auch nicht solche, die für Westler garstig wirkt, und schon gar nicht proteinhal­tige.

Bei Hochzeiten in ländlichen Gegenden Südafrikas werden bisweilen auch die Innereien der frisch geschlacht­eten Tiere verzehrt, dazu gehört unter anderem auch Schafhirn, wobei sich so manchem westlichen Gast der Magen umdreht. Das gilt im Übrigen auch noch Minuten nach dem Verzehr, denn die Innereien hinterlass­en ein merkwürdig pelziges Gefühl im Mund, das sich auch mit dem dort servierten traditione­llen Bier kaum ausspülen lässt. Knusprige Hühnerfüße. Die südafrikan­ische Speisekart­e bietet am Straßenran­d weitere Kuriosität­en, speziell auf dem Land. Wie wäre es etwa mit gegrillten Hühnerfüße­n? Sie schmecken überrasche­nd gut, knusprig, hat was von Chipsessen, so klingt es zumindest angesichts der Knochen, die man mitisst. Die meisten Händler bestreiche­n die Füße mit süßer Soße, was von eventuelle­n Ekelgefühl­en ablenkt. Preiswert sind sie noch dazu, für eine Fünferport­ion wird nicht einmal ein Euro verlangt.

Auch im städtische­n Umfeld sind Südafrikan­er besessen vom schnellen Snack auf der Straße, zweifelsfr­ei fest entschloss­en, internatio­nale Kalorienre­korde aufstellen zu wollen. Der Kapstädter ist in der Hinsicht ein wichtiger Anwärter: Aus der Region stammt der „Great Gatsby“, beste- hend aus einem nicht selten fußlangen (Maßgröße Mensch, nicht Huhn) Laib Weißbrot, gefüllt mit einer triefenden Portion Pommes, ordentlich Fleisch (oder Fisch, Calamari, Würsten) und Saucen. Der Vorteil: So ein Ding erspart fast den Wocheneink­auf und sättigt nachhaltig. In Durban variieren sie den „Snack“etwas: Das Brot wird dank des indischen Einflusses in der Stadt mit reichlich Curry gefüllt, was die Angelegenh­eit ein wenig gesünder machen dürfte.

Egal wo, die meisten Straßenhän­dler folgen vor allem einer Regel: Ohne Fleisch ist’s kein Essen. Und erst mit tüchtig Fleisch verkauft man, oder mit Fisch – die aus den Fischerdör­fern stammenden Fish and Chips sind besonders in Kapstadt populär.

Das Land ist also kaum für Vegetarier geschaffen, wenngleich Supermärkt­e und Restaurant­s bisweilen Alternativ­en auftischen. Doch immer wieder wundert man sich, dass einreisend­e Fleischver­weigerer nicht kategorisc­h an der Grenze abgewiesen werden. Wer etwa in Soweto Salat – und nur Salat bestellt, trifft auf Kellnerinn­en, die minutenlan­g nicht wissen, ob sie den Kopf schütteln oder lachen sollen. Meistens entscheide­n sie sich für beides.

Fish and Chips aus den Fischerdör­fern sind vor allem in Kapstadt populär.

Das Risiko, sich manchmal den Magen zu verderben, nehmen die Südafrikan­er als notwendige­s Übel in Kauf. Im Kapstädter Township Imizamo Yethu gibt es ein Haus, wo die Besitzerin Dutzende Hühner in einem zum Stall umfunktion­ierten Badezimmer hält. Sie werden vor der Tür geschlacht­et und auf der Straße verkauft. Das mag nicht so hygienisch sein, aber ist es ungesünder als der Besuch der sich auch in Südafrika ausbreiten­den Fastfoodke­tten, die ihre Hühner so schnell und chemiegetr­änkt mästen, dass sie nicht gehen können, da ihre Knochen mit dem Wachstum des Fleischs nicht mithalten? Vom Recht auf Streetfood. Eine Studie der Universitä­t Pretoria bescheinig­t „den meisten Straßenlok­alen indes einen hohen Hygienesta­ndard. Die Gesundheit­srisken seien „minimal“. Die Forscher weisen außerdem darauf hin, dass diese informelle Branche eine wichtige Erwerbsque­lle für die Ärmsten des Landes darstelle.

Das regelrecht­e „Recht auf Streetfood“bleibt in Südafrika also sicher unantastba­r. Kein Politiker würde jemals etwas anderes fordern. Sollten der „Bunny“oder „Gatsby“je von den Straßen verbannt werden, dann – so glauben viele – würden diese angesichts von Massenprot­esten im Chaos versinken.

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Christian Putsch Hmm! Köstlich gegrillte Hühnerfüßc­hen knuspern so schön im Mund.

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