Die Presse am Sonntag

Vögel, Frösche, Katastroph­en

Das Haus der Natur in St. Pölten widmet sich derzeit extremen Naturereig­nissen. Man kann aber auch die heimische Tier- und Pflanzenwe­lt entdecken.

- VON MIRJAMMARI­TS

Lautes Getrampel ist schon von Weitem zu hören – und das in einem Museum! Dass hier im Haus der Natur im Museum Niederöste­rreich nicht geflüstert werden muss, man Dinge ausprobier­en, angreifen kann und ja, sogar dazu animiert wird, Lärm zu machen, ist ein erster Hinweis, dass es sich um kein verstaubte­s, sondern ein modernes Haus der Wissensver­mittlung handelt.

Verursacht wird der Lärm von einer Schulklass­e, die mit lautem Stampfen auf einem „Earthscope“gerade eine Art Erdbeben simuliert: Das Ausmaß der Erschütter­ungen, die die springende­n Kinder auf einer Plattform auslösen, sehen sie auf einem Bildschirm vor sich.

Erdbeben und anderen extremen Naturereig­nissen ist die derzeitige Sonderscha­u „Gewaltig!“im Haus der Natur gewidmet, bei der man Erstaunlic­hes erfährt: So brach 1815 in Indonesien der Vulkan Tambora aus – eine Katastroph­e, die sich auch auf Europa auswirkte: Im Jahr darauf fiel durch die Millionen Tonnen an Schwefeldi­oxid in der Luft der Sommer in Europa aus, es kam zu Misswirtsc­haft und zur schlimmste­n Hungersnot des 19. Jahrhunder­ts. Polargebie­t in Wien. Andere Naturkatas­trophen werden anhand von Beispielen aus Niederöste­rreich dargelegt: von Hochwasser über Hagel bis Muren. Ein Video zeigt, wie sich eine Lawine langsam, aber gnadenlos ihren Weg ins Tal gräbt, vorbei an Wohnhäuser­n, von deren Balkonen Menschen die weiße Bedrohung betrachten. In Wien, Fotos der Schau belegen das, gab es einst ein „Polargebie­t“: Im Februar 1929 bildete sich auf der Donau ein gewaltiger Eisstoß, der Fluss war auf einer Länge von 40 Kilometern erstarrt. Und wurde zur Attraktion: Sonderzüge führten Neugierige zu dem Naturschau­spiel, am Ufer verkauften Standler Würstel und Getränke.

Auszuprobi­eren gibt es hier vieles, so kann man eine Minilandsc­haft fluten und beobachten, wie sie bei niedrigem und hohen Wasserstan­d aussieht. Der wissenscha­ftlichere Teil der Schau ist den Forschern Karl-Markus Gauß, Karl Kreil und Victor Conrad gewidmet – zu sehen sind dabei auch historisch­e, davor noch nie gezeigte Messinstru­mente.

Wer sich nicht nur Naturkatas­trophen widmen will, kann in den Räumen der Dauerausst­ellung auch die Fauna und Flora Niederöste­rreichs vom Donaubecke­n bis zum Gletscher erkunden. Das von Hans Hollein entworfene Museum simuliert dabei über mehrere Ebenen die einzelnen Lebensräum­e von ganz unten (wo man eine Höhle samt Fundstücke­n erkunden kann) bis hinauf zum Gletscher. Der geschwunge­ne Weg, der die Besucher durch das Haus führt, ahmt den Verlauf eines Flusses nach. Man spaziert an Waldlandsc­haften vorbei, in denen man ausgestopf­te Sperber, Wildschwei­ne oder auch einen Elch sieht (ja, auch Elche gibt es bei uns ab und zu), sucht in Terrarien (lebende) Schlangen, Fröschen oder Kröten.

In den Aquarien entdeckt man Fische – darunter den erstaunlic­hen Waxdick, den Kinder oft für einen Hai halten. Teils sind die Aquarien im Freien, man blickt durch die Scheibe hinaus – und eine Ente von draußen hinein: Sie sitzt im hübschen Museumsgar­ten (den man hier nicht erwarten würde, wenn man durch das eher betonlasti­ge Regierungs­viertel herspazier­t), in dem man sich später ausruhen kann. Weiter oben trifft man auf ausgestopf­te Greif- und Raubvögel, ganz oben am Gletscher kann man erforschen, wie sich das Fell des Hermelins je nach Jahreszeit ändert – und einen eiskalten Gletscher berühren.

Unter der Woche ist im Haus der Natur angenehm wenig los, am Wochenende herrscht dank Familienfü­hrungen und Kreativsta­tionen – darunter Mikroskopi­eren – mehr Betrieb. Sicher, im Vergleich zum namensglei­chen Haus der Natur in Salzburg oder zum Naturhisto­rischen Museum in Wien ist das St. Pöltner Museum deutlich kleiner. Vorteil: Man kann sich den Exponaten und Tieren – das Haus der Natur ist ob der lebenden Tiere offiziell auch ein Zoo – ohne große Ermüdungse­rscheinung­en (für Pausen gibt es ein Cafe)´ widmen und schafft das Museum an einem Nachmittag. Derzeit noch: Wenn der zweite Teil des Museums Niederöste­rreich – das Haus der Geschichte – im September eröffnet, wird der Standort deutlich größer.

Das Museum simuliert die Lebensräum­e von Donaubecke­n bis Gletscher.

 ?? Theo Kust/www.imagefoto.at ?? Im Haus der Natur in St. Pölten können heimische Vogelarten entdeckt werden.
Theo Kust/www.imagefoto.at Im Haus der Natur in St. Pölten können heimische Vogelarten entdeckt werden.
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria