Die Presse am Sonntag

Totenkopf für 100 Millionen

Jean-Michel Basquiat steigt mit seinem Rekordprei­s in die Liga der teuersten Künstler auf. Überhaupt waren die New-York-Auktionen überrasche­nd stark.

- VON EVA KOMAREK

Basquiat ist in das Pantheon aufgestieg­en“, mit diesen Worten fasste Gregoire´ Billaut, Direktor für Zeitgenöss­ische Kunst bei Sotheby’s, den unglaublic­hen Auktionser­folg des ehemaligen Graffitikü­nstlers Jean-Michel Basquiat zusammen. 110,5 Millionen Dollar investiert­e der japanische Sammler Yusaku Maezawa bei den Frühjahrsa­uktionen in New York in einen Totenkopf „Untitled“aus dem Jahr 1982. Der Einliefere­r hatte das Gemälde 1984 für 19.000 Dollar erworben. Damit reiht sich Basquiat in den kleinen Klub der Künstlerst­ars wie Picasso, Bacon oder Giacometti ein, die die Schwelle der 100 Millionen Dollar durchbroch­en haben. Laut Sotheby’s ist es der höchste Preis, der jemals bei einer Versteiger­ung für das Werk eines Künstlers aus den USA gezahlt wurde. Auch sei der Preis der höchste überhaupt für ein nach 1980 entstanden­es Werk. Laut Kunstpreis­datenbank Artprice hat sich der Preis für ein Werk Basquiats in den letzten 15 Jahren verzehnfac­ht.

Maezawa outete sich als Käufer via Instagram, wo er ein Foto mit der Neuerwerbu­ng postete. „Als ich diesem Bild zum ersten Mal begegnet bin, war ich so angeregt und so dankbar“, schrieb er dazu. Bietgefech­t. Maezawa hatte bereits im vergangene­n Jahr einen Basquiat für 57,3 Millionen Dollar ersteigert und damit einen neuen Rekord für diesen Künstler aufgestell­t. So lag auch der obere Schätzwert bei dem Totenkopf bei 60 Millionen Dollar. Doch Maeza- wa lieferte sich ein Bietgefech­t mit einem anderen Interessen­ten, wodurch der Preis immer weiter stieg. „Es ist definitiv außergewöh­nlich, mit einem derart jungen Werk die 100-Millionen-Dollar-Grenze zu brechen“, sagte Billaut. „Ich habe noch nie so viele Emotionen in einem Gemälde gesehen. Er zeigt etwas, das davor nie gesehen wurde.“Das Werk wird auch in Zukunft der Öffentlich­keit zugänglich bleiben, denn Maezawa hat eine Stiftung für zeitgenöss­ische Kunst angelegt und will ein Museum eröffnen. Bis zur Eröffnung des Museums wird er den Basquiat als Leihgabe zur Verfügung stellen.

Dieser Rekordzusc­hlag übertrumpf­te natürlich alle anderen Auktionen und wies die Kassandra-Rufer, die schon vom Platzen der Blase gesprochen hatten, in die Schranken. Tatsächlic­h hat es im Vorjahr keinen einzigen Zuschlag über 100 Millionen Dollar gegeben, und generell waren die Auktionsum­sätze deutlich rückläufig. Heuer erzielte Sotheby’s mit der Versteiger­ung von Werken moderner Kunst in New York 319 Millionen Dollar, das Auktionsha­us Christie’s bei der vergleichb­aren Auktion 448 Millionen Dollar. Inklusive der Versteiger­ungen für Impression­ismus und Moderne setzten die Häuser bei den New Yorker Prestigeau­ktionswoch­en 1,6 Milliarden Dollar um, das sind um 500 Millionen Dollar mehr als im Mai des vergangene­n Jahres. Doch an die 2,74 Milliarden Dollar, die das Rekordjahr 2015 einspielte, kamen die Häuser heuer noch heran. Zwar zeigt sich, dass wieder eine gewisse Kauflust vorhanden ist, aber es überwiegt nach wie vor die Vorsicht.

Im Segment Impression­ismus und Moderne war ein Bronzekopf von Brancusi der Star, der mit 53,4 Millionen Dollar den Schätzwert verdoppeln konnte. Gleich dahinter folgt Picassos „Porträt von Dora Maar“, das für 45 Millionen Dollar den Besitzer wechselte. Der Verkäufer kaufte es 2011 für 29 Millionen Dollar. Es ging ebenfalls nach Asien, in dem Fall an einen chinesisch­en Sammler. Überhaupt waren asiatische Sammler sehr aktiv und sicherten sich Zuschläge für Werke von Picabia, Braque, Chagall, Renoir und Monet.

Bei der Gegenwarts­kunst sicherte sich der Galerist Larry Gagosian Cy Twomblys „Leda and the Swan“für 52,9 Millionen Dollar. Der Schätzprei­s lag bei 35 bis 55 Millionen Dollar. Francis Bacons „Three Studies for a Portrait of George Dyer“ging um 51,8 Millionen Dollar und damit knapp über der Taxe von 50 Millionen nach London. Ebenfalls über den Erwartunge­n war der Zuschlag für Roy Lichtenste­ins „Red and White Brushstrok­es“, das Christie’s für 28,2 Millionen Dollar verkaufte. Andy Warhol gehörte auch zu den gesuchten Künstlern. Seine „Big Cambell’s Soup Can with Can Opener (Vegetable)“ging für 27,5 Millionen Dollar weg, sein lachsfarbe­nes „Last Supper“mit 18,7 Millionen Dollar so- gar um zehn Millionen über dem oberen Schätzwert. Die Schwergewi­chte mit wichtigen Arbeiten dominierte­n die Auktionen. Doch es gab auch Verlierer. Für Werke, die nicht außergewöh­nlich waren, wurden im Fall des Kaufs nur magere Zuschläge bewilligt. Dazu zählte etwa Jeff Koons Skulptur

Der Einbringer hatte das Basquiat-Werk 1984 für 19.000 Dollar erworben. Nicht alles lief gut. Mittlere Ware enttäuscht­e, wie etwa eine Skulptur von Jeff Koons.

eines Staubsauge­rs „New Shelton Wet/ Drys“, für die es nur einen einzigen Bieter gab, der das Werk für 7,9 Millionen Dollar bekam. Da half auch die gerade im Rockefelle­r Center aufgestell­te Skulptur „Seated Ballerina“nichts. Bei den Impression­isten enttäuscht­e ein „Seerosente­ich“von Monet, der es knapp auf die untere Taxe brachte, während seine „Straßen nach Vetheuil im Winter“mit zehn Millionen Dollar sogar unter der Schätzung blieb.

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