Die Presse am Sonntag

Wer hat Angst vorm blauen Mann?

SPÖ und ÖVP gehen auf Distanz zur FPÖ. Eine Koalition ist aber kaum vom Tisch.

- VON PHILIPP AICHINGER

Jetzt ist schon wieder was passiert: Ein Freiheitli­cher, diesfalls war es Mandatar Johannes Hübner, fiel durch antisemiti­sche Töne auf. Er nannte den Vater der österreich­ischen Verfassung, Hans Kelsen, in einer Rede „Hans Kohn“. Kohn gilt als einer der am meisten verbreitet­en jüdischen Familienna­men.

Vorfälle dieser Art sind es, die FPÖChef Heinz-Christian Strache eigentlich vermeiden will, um sich staatstrag­end zeigen zu können. Hübner zum Rücktritt bewegen will die FPÖ aber auch nicht. SPÖ und ÖVP sollten in ihren eigenen Reihen für Ordnung sorgen, statt mit dem Finger auf Hübner zu zeigen, „dessen Aussagen weder objektiv noch subjektiv Antisemiti­smus gutheißen“, erklärte FPÖ-Generalsek­retär Harald Vilimsky am Samstag.

Zuvor hatten Vertreter von SPÖ und ÖVP betont, mit so einer FPÖ nicht koalieren zu wollen. Eine Koalition der ÖVP mit der FPÖ, in der Hübner eine Funktion innehat, sei für sie „absolut nicht vorstellba­r“, hatte ÖVPGeneral­sekretärin Elisabeth Köstinger dem „Standard“erklärt. SPÖ-Vizepartei­chef Hans Peter Doskozil richtete der FPÖ via „Kronen Zeitung“aus, dass die Freiheitli­chen aus der Affäre Hübner Konsequenz­en ziehen müssten – und sie sonst kein möglicher Partner seien. Kanzler Christian Kern kritisiert im Gespräch mit der „Presse am Sonntag“(siehe Seite fünf ) Hübner scharf.

Zu glauben, dass damit die Koalitions­varianten Schwarz-Blau oder auch Rot-Blau vom Tisch seien, wäre aber naiv. Viel anderes, als mit diesen Koalitions­varianten zu liebäugeln, dürften SPÖ und ÖVP nach der Wahl nicht übrig bleiben, wollen sie die große Koalition nicht fortsetzen. Wie im Jahr 2000? Auch Bundespräs­ident Alexander Van der Bellen – ein erklärter Gegner einer FPÖ-Regierungs­beteiligun­g – kritisiert­e Hübner deutlich. Ob die Hofburg einer Regierung mit der FPÖ wirklich den Sanktus verweigern würde, scheint aber nicht ganz klar. Vielleicht endet alles wie im Jahr 2000: Bestimmte FPÖ-Vertreter werden abgelehnt, aber der Bundespräs­ident gelobt eine Regierung mit der FPÖ an, nachdem deren Chef eine Erklärung über Grundwerte unterschri­eben hat. Und sei es mit einer ernsten Miene wie weiland bei Thomas Klestil.

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