Die lang angekündigte Krise
Ohne Reformen wird die Überalterung Österreichs Staatshaushalt härter treffen als die globale Wirtschaftskrise, so die OECD. Im Wahlkampf spielt das Thema dennoch keine Rolle.
Es war eine Woche mit durchaus guten Nachrichten. So meldete das heimische IHS in seiner Mittelfristprognose am Donnerstag, dass sich Österreich künftig auf ein deutlich kräftigeres Wachstum einstellen könne. Statt 0,8 Prozent wie in den vier vergangenen Jahren sollen es bis 2021 jährlich 1,7 Prozent pro Jahr sein. Die heimischen Ökonomen bestätigten damit ein Bild, das bereits am Anfang der Woche von der OECD gezeichnet wurde. In ihrem aktuellen Länderbericht schrieben die Wirtschaftsforscher der Industrieländerorganisation: „Österreich ist eine stabile und reiche Nation, bei der das Wachstum unter anderem aufgrund der Steuerreform von 2016 und der Erholung der Exporte wieder am Anziehen ist.“Alles eitel Wonne also?
Nicht ganz. Denn blättert man ein paar Seiten in dem Länderbericht weiter nach hinten, kommen die berühmten „Aber“. So hat Österreich einerseits ein Problem bei der Vorbereitung auf die Zukunft und hinkt vor allem bei digitaler Bildung nach („Die Presse“berichtete). Hinzu kommt aber auch ein vergangenheitsbezogenes Problem, das die Republik in absehbarer Zeit vor gehörige Schwierigkeiten stellen wird: die Überalterung.
„Langfristig wird die Alterung der Bevölkerung einen erheblichen Druck auf die öffentlichen Finanzen Österreichs ausüben“, heißt es in dem OECD-Bericht wörtlich. Warum das so ist, wird von den Ökonomen in der Folge auch mit ein paar konkreten Zahlen erklärt. So soll der sogenannte AltersAbhängigkeits-Quotient von derzeit 27 bis 2050 auf fast 50 Prozent ansteigen. Das bedeutet, dass zur Mitte des Jahrhunderts bereits beinahe halb so viele Menschen mit einem Alter von über 65 in Österreich leben werden wie Perso- nen im erwerbsfähigen Alter zwischen 15 und 64. Der Anstieg ist in Österreich dabei auch wesentlich kräftiger als in vergleichbaren europäischen Ländern wie Dänemark oder Schweden. Lediglich Deutschland hat bei der Überalterung noch größere Probleme als Österreich. Dort soll der Alters-Abhängigkeits-Quotient von derzeit 31,8 laut den Prognosen der OECD sogar auf 57,4 Prozent ansteigen.
Das hat natürlich starken Einfluss auf das auf dem Umlageverfahren basierende Pensionssystem. Zahlen heutzutage noch 1,7 Erwerbstätige in Österreich pro Pensionist in das System ein, wird sich diese Zahl bis 2050 auf 1,3 Aktive je Pensionär verringern. Kosten steigen an. In Summe wird die österreichische Volkswirtschaft gleichzeitig aber mehr für die Alterssicherung ausgeben müssen. Laut einer Berechnung der EU-Kommission, auf die sich die OECD bezieht, sollen die Kosten für Pensionen, altersbedingte Gesundheitskosten und Pflegekosten bis 2050 um drei BIP-Prozentpunkte ansteigen. Das, obwohl Österreich bereits heute mit Ausgaben in Höhe von 14 Prozent des BIPs für seine Pensionisten im internationalen Vergleich weit oben steht. Der OECD-Schnitt liegt bei knapp neun Prozent.
Wenn diese zusätzlichen Ausgaben nicht mit zusätzlichen Einnahmen ausgeglichen werden, müssen zwangsläufig die staatlichen Schulden ansteigen, resümieren die Ökonomen. Sie haben daher mehrere Szenarien berechnet, die allesamt keine besonders freundlichen Aussichten liefern. So werden die Schulden bereits im „Baseline“-Szenario, das die derzeitige Situation einfach fortschreibt, zur Mitte des Jahrhunderts auf über 100 Prozent des BIP ansteigen. „Das Niveau der Schulden wäre somit höher, als es in Folge der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise war“, schreiben die OECD-Ökonomen. In Summe wäre die staatliche Verschuldung Österreichs damit auf einer „nicht nachhaltigen“Flugbahn, heißt es weiter.
Aktive
zahlen heutzutage pro Pensionist ins Pensionssystem ein. Bis zur Mitte des Jahrhunderts wird dieses Verhältnis auf 1,3 sinken.
Prozent des BIPs
wird Österreich aufgrund der höheren Zahl an Pensionisten mehr für die Alterssicherung ausgeben müssen. Das, obwohl Österreich bereits heute deutlich über dem OECD-Schnitt liegt.
Dies ist allerdings noch das relativ harmlose Basis-Szenario, in dem mit einem langsamen und sanften Anstieg der Zinsen auf drei Prozent bis zum Jahr 2050 gerechnet wird. Darüber hinaus gibt es aber auch noch ein „Hochzins“-Szenario, bei dem unterlegt ist, dass der allgemeine Zinssatz um fünf Basispunkte pro Jahr schneller zulegt und zur Mitte des Jahrhunderts auf 4,65 Prozent liegt. Keine komplett unrealistische Annahme, war ein solches Zinsniveau noch vor zehn Jahren durchaus gängig. In diesem Fall würden die Schulden bereits in den frühen 2030er-Jahren die Höchstwerte aus den Jahren direkt nach der Krise überschreiten und weiter steil ansteigen. Zur Mitte des Jahrhunderts läge Österreich mit einer Verschuldung von mehr als 120 Prozent des BIP dann bereits auf einem Niveau, das beinahe jenem des heutigen Italiens entspricht.
2050 bereits halb so viele Pensionisten wie Erwerbstätige in Österreich. Zur Mitte des Jahrhunderts läge Österreich auf dem Niveau des heutigen Italiens.
Beim Pensionssystem gebe es nur drei Möglichkeiten, meinte Wifo-Chef Christoph Badelt jüngst in einem Interview mit der „Presse“: höhere Beiträge, längeres Arbeiten oder niedrigere Pensionen. Ersteres ist aufgrund der ohnehin hohen Abgabenbelastung de facto ausgeschlossen. Bleiben wohl nur die Punkte zwei und drei.
Dass beide nicht sonderlich populär sind, dürfte auch erklären, warum im aktuellen Wahlkampf das Thema Pensionen noch von niemandem angesprochen worden ist. Damit stellt die Nationalratswahl 2017 wohl auch eine Premiere dar. Schließlich ist in der jüngeren Vergangenheit noch kaum eine bundesweite Wahl ohne eine Pensionsdiskussion ausgekommen. Da es dabei jedoch meist ohnehin nur darum ging, den Wählern zu versprechen, dass ihre Pensionen sicher sind (Stichwort Pensionsbrief ), ist das vielleicht auch gar nicht so schlecht.