Der Praktikant und Weltretter
Die Kür von Julian Schmid war der Beginn der Liste Peter Pilz. Wer ist der 28-Jährige, gegen den das grüne Urgestein in Linz gescheitert ist? Ein Treffen auf der Baustelle.
Eine Kreissäge jault, drei gelbe Kräne lassen Stahlteile über die Baustelle schweben, Arbeiter rufen einander über den Lärm hinweg zu, während sie Eisenstangen auf einer unlängst betonierten Decke einrichten. Wenige Meter von ihnen hat Julian Schmid seit sieben Uhr früh Steher für eine Deckenschalung aufgestellt. Davor hat er vier Tage lang gemauert. Der Bau ist die vorletzte Station seiner Schnupperlehre, bei der er je eine Woche lang in fünf Unternehmen mitarbeitet. Diesmal ausgerechnet in Linz. Dort, wo der grüne Jugendsprecher vor fünf Wochen plötzlich ins Rampenlicht rückte. Und wo der Ursprung dessen liegt, was die Innenpolitik auch in den vergangenen Tagen dominierte: die Liste Peter Pilz.
„Es ist eine schicksalhafte Stadt“, sagt Schmid. Beim grünen Bundeskongress in der oberösterreichischen Landeshauptstadt setzte sich der 28-Jährige Ende Juni bei der Wahl des vierten Listenplatzes gegen das grüne Urgestein durch. Statt für den sechsten Platz zu kandidieren, stieg Pilz aus und verkündete nach wochenlangen Spekulationen am Dienstag offiziell, dass er mit einer eigenen Liste zur Nationalratswahl antritt – was den Grünen womöglich schaden wird. Hätte Schmid zurückstecken sollen? „Ich würde sofort wieder für den vierten Platz kandidieren“, sagt er. Pilz hätte gute Chancen auf Platz sechs gehabt. „Und es braucht Erneuerung in der Politik und einen gewissen Generationenwechsel.“
Ein relativ neuer Politiker ist nun also, der Kärntner, der auch nach Jahren in Wien noch einen unverkennbaren Dialekteinschlag hat. Wegen Jörg Haider ist er einst bei den Grünen gelandet, 2013 zog er mit 24 Jahren als jüngster männlicher Abgeordneter ins Parlament ein. Seitdem war der Politikwissenschaftler einer breiteren Öffentlichkeit vor allem mit grenzwertigen Werbeplakaten („Öffi für alles“), Badehosenfotos und seinem Kapuzenpulli aufgefallen, über den sich andere Parlamentarier mokierten („Jetzt kaufen wir einen Anzug für dich“). Grünen-Gemeinderat Klaus-Werner Lobo kritisierte Schmid bei seinem Abgang vor zwei Jahren als ein „Symbol der totalen Verflachung“und als ein „Beispiel dafür, was das System der Aufmerksamkeitsökonomie mit einem macht“.
»Es braucht Erneuerung in der Politik und einen gewissen Generationenwechsel.«
Nicht verstecken. Das ist auch eine Kritik, die er für die Schnupperlehre einstecken muss. Seine Facebook-Seite ist voll mit Bildern und Videos von seinen Wochen in der Kfz-Werkstatt, im Supermarkt oder im Hotel. Während die Aktion manche gut finden („Ein wirklicher Gewinn, wenn man ein bisschen Ahnung davon hat, wie es Lehrlingen so ergeht“, „Finde das echt toll, dass er etwas ändern möchte durch eigene Erfahrungen“), sind andere kritisch. „Ein Gefühl für die Praxis würden S’ bekommen, wenn Sie so was ohne großes Medientrara machen würden“, kommentiert ein User. „Natürlich nur im Wahlkampf, gell“, ein anderer. Eine reine PR-Aktion vor den Wahlen? Nein, sagt Schmid. Die Schnupperlehre sei schon lang geplant gewesen. Und für eine PRAktion brauche er nicht eine Woche mitarbeiten. „Wir leben im Medienzeitalter, ich werde mich nicht verstecken“, sagt er zum Vorwurf der Inszenierung. „Und mir war wichtig, die Lehrlinge auch vor den Vorhang zu holen.“
Schmid ist überzeugt, dass sich die jungen Leute durch ihn stärker von der Politik vertreten fühlen. Er habe in den vergangenen Jahren 3500 junge Menschen durchs Parlament geführt, mehr als 100 Schulen besucht. Seinen 24.000 Facebook-Fans – viele im Vergleich zu Parteikollegen, wenige verglichen etwa mit Sebastian Kurz – antwortet er oft und rasch. Er sei extrem gut darin, mit jungen Menschen in Kontakt zu treten, sie zu mobilisieren, heißt es auch unter den Grünen. Dass Schmid parlamentarisch nicht der Stärkste ist, wird hinter vorgehaltener Hand dagegen auch von Parteifreunden kritisiert.
Im Parlament sei es für Junge nicht immer einfach, genug Raum zu bekommen, sagt Schmid. „Und politisch bringt man etwas weiter, indem man dranbleibt – dafür braucht es mehr als einen Antrag oder eine Anfrage.“Maklergebühr sei so ein (noch ungelöstes) The-
Julian Schmid
ist 1989 in Klagenfurt geboren. Er war Landesschulsprecher. Zu den Grünen kam er wegen Jörg Haider.
In Wien
studierte Schmid Politikwissenschaft, er schloss 2012 mit dem Bachelor ab.
Kontakt mit Jungen ist seine Stärke, die parlamentarische Arbeit ist ausbaufähig.
Ab 2010
war er Mitglied des Landesparteivorstands der Grünen in Wien und Bezirksrat in Wieden.
2013
zog er mit 24 als jüngster männlicher Abgeordneter in den Nationalrat ein. Er ist dort Jugendsprecher.