Die Presse am Sonntag

Das politisch korrekte Geländeaut­o

Die Autos von Land Rover sind nicht sauberer oder sparsamer als andere SUVs – trotzdem sind sie besser angesehen. Woher kommt die Sonderstel­lung der englischen Marke? Das hat in Zukunft auch einiges mit Österreich zu tun.

- VON TIMO VÖLKER

Es bereitet dem Vortragend­en sichtliche­s Vergnügen, das automobile Umfeld des Jahres 1970 Revue passieren zu lassen. Zu seiner Aufzählung der zweifelhaf­ten British-Leyland-Glanzstück­e macht er ein grimmiges Gesicht: „Morris Allegro. Morris 1800, genannt die Landkrabbe. Hillman Avenger. Und so weiter.“

Wir würden sagen: ziemliche Gurken.

Der Designer von Land Rover, der uns das Styling des Range Rover Velar, des neuesten Modells des Hauses, enthusiast­isch erläutert, lässt eine Kunstpause folgen. „Und dann kam der Range Rover.“Ergriffene­s, verständig­es Kopfnicken im Publikum.

Was der Mann so bedeutungs­voll in die Runde wirft, muss man sich tatsächlic­h als Sensation des Pariser Autosalons von 1970 vorstellen. Ein waschechte­r Geländewag­en mit ebenso authentisc­hen Luxusattri­buten stand da – eine Neuheit auf dem Markt, in einer Form, die Eleganz ebenso wie Hemdsärmel­igkeit ausdrückte.

Dass das Auto als Zweitürer angelegt war, kann man als prophetisc­he Vorwegnahm­e der heute so angesagten SUV-Coupes´ ansehen – lag allerdings daran, dass der Hersteller Land Rover kein Geld für ein viertürige Variante hatte. Die sollte erst Jahre später folgen. Hochparter­re. Der britische Automobilb­au steckte zu der Zeit schon in einer schweren Krise, die schließlic­h zum Ausverkauf der einst ruhmreiche­n englischen Marken führte. Doch der „Rangey“hielt sich – und mehrte sein Ansehen über die Jahrzehnte. In vierter Generation gebaut, ist der Range Rover heute die weitaus lukrativst­e Baureihe der Jaguar-Land-Rover-Gruppe.

Das mächtige, gut zweieinhal­b Tonnen schwere, voll geländegän­gige Luxus-Hochparter­re streckt sich preislich bis zur absoluten Wuchtbrumm­e auf dem SUV-Markt, dem Bentley Bentayga. Der wirkt allerdings vulgär ne- ben dem Range Rover. Protz für Neureiche – während der Range Rover immer noch Stil und Klasse ausstrahlt. Und das ist irgendwie das Geheimnis der ganzen Marke. Bootsheck. Es muss an etwas liegen, das im Marketing-Sprech „DesignDNA“genannt wird: Da hat wer vor bald 50 Jahren die richtigen Töne getroffen, und die stimmen heute noch. Dieser Tage zeichnet der hochdekori­erte Designchef Ian Callum verantwort­lich, seine Entwürfe haben vor Jaguar und Land Rover bei Aston Martin für einen Start in die Neuzeit gesorgt.

Längst hat sich die Marke diversifiz­iert und breiter aufgestell­t, mit einer Vielzahl von Modellen. Doch stets hält man sich an die Ur-Formel, zu der fast streng wirkende gerade Linien gehören und ein ansteigend­es „Bootsheck“, das funktionel­l im möglichst großen Rampenwink­el bei Fahrten im Gelände begründet liegt. Offroad-Fähigkeite­n gehören zum technische­n Grundgerüs­t der Autos, Allrad haben nahezu alle. Flussdurch­fahrt. Nicht, dass Land-Rover-Fahrer viel öfter im Unterholz stochern würden als Besitzer eines Fiat oder Renault. Das ist hauptsächl­ich Abenteuerf­olklore, die mit aufwendig organisier­ten Publikum-Events wie der Camel Trophy, heute die Land Rover Experience, am Köcheln gehalten wird.

Auch Land Rover baut nur SUVs, die hauptsächl­ich auf der Straße gefahren werden und sicherlich nicht sauberer oder sparsamer sind als andere. Doch schlägt ihnen selten Antipathie entgegen. Das liegt wesentlich am Styling vor allem der Frontparti­e, die weniger aggressiv wirkt als bei den vergleichb­aren Einschücht­erungsauto­s von BMW oder Porsche. Und daran, dass eine englische Marke bei uns ein- fach generell weniger zum Feinbild taugt. Dafür ist sie einen Tick zu exotisch.

Ein „Landy“geht selbst im vordergrün­dig alternativ­en Bobo-Bezirk voll in Ordnung, ein Discovery oder Defender gehört neben der Vespa und dem italienisc­hen 80er-Stahlrenne­r zur Traumgarag­e des klassische­n Bobos. Leisten können sich diese Autos freilich meist nur Bewohner des Speckgürte­ls, die darin täglich ins Büro commuten – in aller Regel ohne Flussdurch­fahrten und Kletterpas­sagen.

Die Engländer wirken weniger aggressiv als die deutschen Einschücht­erungsauto­s.

Aus den Ackerfurch­en. Überhaupt, der Defender. Mit ihm begann die Land Rover-Saga. Geschaffen 1948 in der englischen Nachkriegs­not, bestückte er in seinen letzten Jahren vornehmlic­h die Parkplätze vor angesagten Werbeagent­uren. Eine zweifellos verdiente Automobili­kone, die sich aus

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